Zwischenbilanz zur Formel 1:Hamilton trägt die größte Goldkette

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Bekannt für sein modisches Auftreten: Lewis Hamilton (Foto: Getty Images)

Sebastian Vettel kann's doch, Nico Rosberg kämpft wie ein Boxer - und Lewis Hamilton ist gar nicht so cool, wie er sich gibt. Die Formel 1 geht in die Sommerpause. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Von René Hofmann

Neunzehn Formel-1-Rennen stehen in diesem Jahr an. Der Große Preis von Ungarn am Sonntag, den Sebastian Vettel weit vor Lewis Hamilton (6.) und Nico Rosberg (8.) gewann, war das zehnte; in Runde 35 war also exakt Saison-Halbzeit. Fünf wichtige Erkenntnisse, die die erste Formel-1-Hälfte 2015 erbracht hat.

Vettel kann's doch

Ein Welt-Meister-Meister-Meister-Meister, der von seinem neuen, weit weniger erfahrenen Teamkollegen düpiert wird: Das Jahr 2014 hatte Zweifel geschürt am Serien-Champion der Jahre 2010 bis 2013. Daniel Ricciardo 238 Punkte, Sebastian Vettel 167 - so war das Duell der beiden Red-Bull-Fahrer ausgegangen. Bei Ferrari ist Vettel, 28, jetzt wieder klar die Nummer eins, Dirigent und Taktgeber. Gleich im zweiten Rennen in Malaysia glückte der erste Triumph in Rot - ein Lucky Punch zwar. Der überlegene Erfolg jetzt in Ungarn aber bestätigte: Ein Zufallstreffer war es nicht. Teamkollege Kimi Räikkönen, 35, ist bei Weitem nicht so konstant und muss um seine Weiterbeschäftigung bangen. Zwei Siege hat Maurizio Arrivabene zu seinem Einstand als Ferrari-Teamchef als Saisonziel ausgegeben und versprochen: "Beim vierten Sieg laufe ich barfuß die Hügel von Maranello hoch." Besser, er erkundigt sich schon mal nach einem Pediküre-Termin.

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Rosberg kann's auch

Ein Niederschlag in der letzten Runde schmerzt besonders. Nicht nur Boxer. Viele vermuteten deshalb, nach Rosbergs Niederlage im Titel-Duell 2014 beim Saisonabschluss in Abu Dhabi sei die Hackordnung bei Mercedes endgültig geklärt. Und in den ersten vier Rennen sah es auch so aus: In denen ließ Hamilton Rosberg hinter sich. Danach gab es noch eine Vertragsverlängerung und -verbesserung. Rosberg, 30, ließ sich aber nicht entmutigen. Er blieb dran, setzte sich in den Windschatten - und wenn Hamilton patzte, war er zur Stelle: Immerhin drei Siege holte er so trotz einer Qualifikationsschwäche, die ihm selbst unerklärlich ist. In die Sommer- pause, in der sein erstes Kind - ein Mädchen - geboren werden soll, geht er nun mit 21 Punkten Rückstand auf Hamilton. Damit liegt er in Schlagdistanz. Ein Sieg bringt 25 Punkte.

Hamilton kann nicht alles

Die meisten Siege. Die spektakulärsten Siege. Die meisten Goldketten. Die größten Goldketten. Lewis Hamilton, 30, führt zur Saison-Halbzeit viele Statistiken an. Der Titelverteidiger ist auch der Titelfavorit. Allerdings: Makellos ist auch er nicht. In Monaco jammerte er am Funk so Mitleid erregend über seine Reifen, dass die Teamtaktiker die Nerven verloren, einen Fehler begingen und Hamilton den Sieg verschenkte. In Österreich wollte er nicht glauben, dass Rosberg auf der kürzesten Strecke des Jahres einfach der Schnellere war; Hamilton jagte den Rivalen so leidenschaftlich, dass er nach einem Reifenwechsel über eine durchgezogene Linie am Boxenausgang hinausschoss, woraufhin die Rennkommissare ihn fünf Strafsekunden stehend in der Boxengasse absolvieren ließen. Eine ähnliche Strafe erhielt Hamilton nun auch in Ungarn, nach einem Rempler gegen Daniel Ricciardo. Dem vorausgegangen war bereits in der ersten Runde ein Ausflug ins Kiesbett, an dem Hamilton laut schimpfend, aber wenig nachvollziehbar dem vor ihm fahrenden Rosberg die Schuld gab. Souverän sah das nicht aus.

Hülkenberg kann was

Nico Hülkenberg ist der einzige der 20 Formel-1-Fahrer, der in diesem Jahr bereits einen bedeutenden Titel gewonnen hat. Gleich beim Debüt triumphierte der 27-Jährige Mitte Juni mit Porsche beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Die versprochenen Verbesserungen an seinem Formel-1-Force-India wurden dagegen zum Geduldsspiel. Erst Anfang Juli in Silverstone kamen sie. Beim Auftritt darauf in Ungarn brach nun mitten im Rennen bei voller Fahrt ohne Vorwarnung der Front- flügel, woraufhin Hülkenberg mit Karacho in die Reifenstapel schoss. Was böse hätte enden können, ging glimpflich aus. "Der Prallschutz hat genau getan, wofür er vorgesehen ist", meinte Hülkenberg, ganz Pragmatiker und wenig Charismatiker. Die Sommerpause bis zum 23. August, wenn es nach Spa-Francorchamps in Belgien geht, kommt ihm nach den Doppelschichten zuletzt aber gerade recht.

Alle haben was gelernt

21 Jahre lang war Ayrton Senna der letzte Fahrer gewesen, der in der Formel 1 sein Leben gelassen hatte. Als der Brasilianer 1994 starb, wurde in seiner Heimat eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Als er zu Grabe gefahren wurde, säumten drei Millionen Menschen die Straßen seiner Heimatstadt São Paulo. Einer aber fehlte: sein Rivale Michael Schumacher. Pflichtbewusst, wie dieser war, nahm er an jenem Tag einen Test wahr. Eine Entscheidung, die viele als instinktlos empfanden. Ähnliche Vorwürfe an die aktuelle Fahrergeneration kann keiner erheben. Als am Dienstag des Franzosen Jules Bianchi, 25, gedacht wurde, der im Oktober beim Rennen in Japan schwerste Kopfverletzungen erlitten hatte, versammelten sich die Kollegen um seinen Sarg. Auch in Ungarn legten sie vor dem Start ihre Helme nieder und formten zum Gedenken an den, der nicht mehr mitfuhr, einen dichten Kreis. Und im Ziel erklärte Sieger Sebastian Vettel: "Es ist das Mindeste, wenn der heutige Tag und das Rennen ihm gewidmet wird."

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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