Zweite Handball-Bundesliga:Die Zwei ist zurück

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Mittlerweile ungewohntes Bild: Als Michael Spatz zuletzt für Großwallstadt spielte, waren - wie hier beim TuS N Lübbecke - noch Zuschauer zugelassen. (Foto: Noah Wedel/imago)

Eigentlich hat Michael Spatz, 38, seine Spielerkarriere beim TV Großwallstadt längst beendet - nun kehrt der Sportliche Leiter für ein halbes Jahr aufs Feld zurück. Vor seinem ersten Spiel an diesem Samstag sagt der frühere Nationalspieler: "Das Kribbeln hält sich in Grenzen."

Von Sebastian Leisgang

Man kann nicht gerade behaupten, dass es ein würdiges Ende gewesen wäre, damals, vor elf Monaten in der Sportoberschule in Leipzig. Ob einer still und heimlich abtritt oder ob er gebührend Abschied nimmt, das bemisst sich ja auch an der Zahl der Menschen, die vorbeikommen, einem noch ein letztes Mal die Hand schütteln und ein paar warme Worte loswerden. Das mit dem Händeschütteln wäre zwar noch kaum der Rede wert gewesen an diesem Samstagabend Anfang März 2020 - es waren aber nur 126 Zuschauer da. Und Abschied nehmen? Dazu schien es gar keinen Grund zu geben an diesem Tag, an dem Michael Spatz mit dem TV Großwallstadt bei der zweiten Mannschaft des SC DHfK Leipzig spielte.

Dann aber verbreitete sich das Virus, der Handball brach die Saison ab - und Spatz, das Gesicht des TVG, verkündete das Ende seiner Karriere, in der er elf Jahre lang in der Bundesliga gespielt und es zum Nationalspieler gebracht hatte. Das 27:33 vor fast leeren Rängen in Leipzig, es war tatsächlich sein letzter Auftritt. Ein Auftritt mit fünf Toren zwar, einer aber, der, wenn er der letzte ist, seiner Karriere nicht gerecht wird.

Abstiegskampf in der zweiten Liga, null Zuschauer in Elsenfeld - eines Comebacks nicht würdig

Elf Monate später schickt Spatz, 38, zur Mittagszeit eine Textnachricht. Er habe kaum Zeit für ein Gespräch, es falle derart viel Arbeit an, dass er momentan kaum hinterherkomme. Am Nachmittag ruft er dann doch an und sagt während des Telefonats Sätze wie: "Es wird Zeit, dass es wieder losgeht." Und: "Ich kenne die Jungs, ich kenne die Abläufe."

Aus Spatz spricht nicht der Sportliche Leiter, der er mittlerweile ja ist. Aus Spatz spricht jetzt der Spieler, der er zwei Jahrzehnte lang war - und auf einmal wieder ist.

An diesem Samstag empfängt Großwallstadt den Wilhelmshavener HV. Abstiegskampf in der zweiten Liga, null Zuschauer in der Untermainhalle in Elsenfeld, auch das eines Comebacks nicht würdig, doch darum geht es Spatz nicht. "Ich will der Mannschaft in der momentanen Situation einfach helfen", sagt er. In der momentanen Situation, damit meint Spatz den Engpass auf der Rechtsaußenposition. Ende Dezember hat sich Pierre Busch, der bis dahin beste Torschütze des TVG, im Training einen Kreuzbandriss zugezogen. Die Konsequenz: Mit Frieder Bandlow gab es nur noch einen Spieler im ganzen Kader, der den Posten auf dem Flügel bekleiden kann. "Deshalb", erklärt Spatz, "bin ich nochmal in mich gegangen und habe mich dann entschieden, bis zum Saisonende zurückzukommen."

Eigentlich hat sich Spatz längst mit seinem Karriereende arrangiert. Er trauert der Zeit auf dem Parkett nicht nach, er hat sich neuen Aufgaben zugewandt und in der Geschäftsstelle Fuß gefasst hat. All das, in Verbindung mit dem Zuschauerausschluss in Zeiten der Pandemie, all das lässt Spatz nun sagen: "Das Kribbeln hält sich in Grenzen." Spatz wird zwar zurückkehren, er wird wieder Bälle werfen, und er wird wieder an die Siebenmeterlinie treten - er wird es allerdings nicht tun, weil er sich in den vergangenen Monaten danach gesehnt hat. Er wird es tun, weil er eine tiefe Verbundenheit zum TVG spürt. Weil er jenem Verein etwas zurückgeben möchte, dem er sich seit mehr als zwölf Jahren nahe fühlt.

"Ich bin mir sicher, dass ich wieder gute Leistungen bringen kann - sonst hätte ich nicht zugesagt."

Am Samstag gegen Wilhelmshaven wird Spatz' Name also wieder auf dem Spielberichtsbogen auftauchen. Dort stand er zwar auch in den vergangenen Monaten, allerdings ziemlich weit unten, dort, wo die Verantwortlichen aufgeführt sind. Am Samstag, wenn der TVG im achten Anlauf endlich den ersten Heimsieg einfahren will, wird Spatz' Name recht weit oben zu finden sein. Genauer gesagt: unmittelbar nach den Namen der beiden Torhüter, denn Spatz kehrt mit der Nummer zurück, mit der er vor knapp einem Jahr in Leipzig abgetreten ist: der Zwei.

Vor seinem Comeback sagt Spatz: "Ich hoffe, dass ich in den nächsten Monaten nicht zu häufig auf die Platte muss." Falls doch, wird er da sein. So, wie er es in all den Jahren war. Beim ersten Training sei zwar "alles ein bisschen langsamer" gegangen, sagt er und lacht. Aber: "Ich bin mir sicher, dass ich wieder gute Leistungen bringen kann - sonst hätte ich nicht zugesagt, dass ich einspringe."

Am Donnerstag hat Großwallstadt eine Pressemitteilung verschickt. Der Inhalt: Rückraumspieler Mario Stark hat seinen Vertrag bis 2024 verlängert. In der Mitteilung kommt auch Michael Spatz zu Wort. Er, Spatz, freue sich "riesig", dass Stark bleibe, denn Stark sei im Zentrum des TVG-Spiels "ein absoluter Leistungsträger und auch neben dem Feld ein wichtiger Faktor für unser Team". Es sind Funktionärssätze, mit denen sich Spatz da zitieren lässt. Sätze, die man in Zukunft häufig von ihm hören wird. Sätze aber, zu denen in den nächsten Monaten einige Spielersätze hinzukommen werden.

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