Zweite Fußball-Bundesliga:Morbus Torwartus

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Blinde Kuh in Marbella: Nürnbergs Torwart Felix Dornebusch (links) und Philip Heise üben im Trainingslager das Fußballspielen ohne Sicht. (Foto: Daniel Marr/imago)

Beim 1. FC Nürnberg verletzt sich der fünfte Schlussmann, in Regensburg rücken Sattelschlepper an - in Fürth trifft nur ein 17-Jähriger. Die bayerischen Fußball-Zweitligisten beenden die Winterpause.

Von Thomas Gröbner und Philipp Schneider

Krafttanken am Kaulbachweg

Anfang Januar ist ein Kran angerückt in Regensburg, mit dem sich wohl auch der Dom hätte demontieren lassen. Daraus aber abzuleiten, dass der dort ansässige Fußball-Zweitligist den Winter als Baustelle verbracht hat, wäre zu kurz gegriffen. Der Kran hat nur den 15 Meter breiten Schriftzug des namensstiftenden Sponsors vom Dach der Arena gehoben, in der Jahn Regensburg seine Heimspiele austrägt. "Es hieß zuerst, dass die Teile kürzer sind", sagte der offenbar genervte Spediteur der Mittelbayerischen Zeitung, nachdem er einen zu schmächtigen Lastwagen wieder fortgeschickt hatte, der unter der Last seiner Aufgabe wohl zusammengebrochen wäre. Ein standesgemäßer Sattelschlepper rückte an - deshalb steht das städtische Stadion nun erfolgreich ohne Sponsor da. Der Jahn wiederum, als wichtigster Nutzer des Stadions, hat Sorge, dass die Stadt einen Nachfolger präsentiert, der Sponsoren des Klub verprellen könnte. Alles nicht so einfach, dachte sich wohl Christian Keller. Na, da bleib ich doch hier!

So kam es, dass Keller seinen Vertrag als Geschäftsführer beim SSV zur Überraschung zahlreicher Beobachter über den kommenden Sommer hinaus verlängerte. "Es gilt die sportliche, finanzwirtschaftliche und infrastrukturelle Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich weiter zu steigern", wurde Keller zitiert - das klang angemessen sperrig, aber auch facettenreich. Wie die gesamten sechseinhalb Jahre, die Keller beim Jahn erlebte: Er begleitete den Klub nach dem Abstieg in die dritte Liga zunächst noch eine Etage tiefer in die Regionalliga - um ihn dann (als aufgebrachte Fans bereits mit Anzeigen nach einem Nachfolger fahndeten) wie Phoenix aus der Asche zurück in die zweite Liga zu führen. Und da soll der Jahn nun bleiben.

Trainer Mersad Selimbegovic spricht inzwischen nicht mehr vom Klassenverbleib als Ziel. Man wolle einfach "am Ende schauen, was rauskommt". Wie schon in den Jahren zuvor hat der Jahn als einziger Zweitligist neben Hannover 96 auf ein Trainingslager im Süden verzichtet und sich lieber am heimischen Kaulbachweg auf die Restrückrunde vorbereitet. Am Dienstag (20.30 Uhr) empfängt der Jahn im Duell der reisefaulen Zweitligisten jene Hannoveraner - die Regensburger liegen als Tabellensiebter fünf Punkte vor den Gästen.

Neue von der Insel

Die Verantwortlichen beim 1. FC Nürnberg dachten vielleicht, man könnte dem seltsamen Torhüterfluch entkommen, vielleicht ist die Luft in Marbella für Knochen und Sehnen der Nürnberger heilsamer als der kalte Januarwind, der um den Valznerweiher zieht. Aber auch in der Milde des spanischen Winters ereilte der Fluch nun Torhüter Nummer fünf, morbus torwartus, mag der Clubfan stöhnen. Felix Dornebusch verletzte sich, im ärztlichen Dossier war zu lesen: Anriss des Innenbandes im rechten Ellenbogen, lange Pause für den Neuen, den sie aus der Arbeitslosigkeit geholt hatten - und der gleich eine Führungsrolle übernommen hatte beim Club. Drei Monate nach seinem Kniescheibenbruch ist wieder Christian Mathenia gefordert, die Nummer eins des Clubs muss als Ersatz für den Ersatzmann ran, obwohl Mathenia sich wieder herantasten wollte an den Abstiegskampf in der zweiten Liga. Den hat Ondrej Petrak, 27, schon hinter sich. Der Tscheche hat sein halbes Fußballleben in Nürnberg verbracht und ist nach sechs Jahren der dienstälteste Profi. Doch weder unter Canadi noch unter Keller spielte der Abwehrmann eine Rolle und wurde nach Dresden verliehen. Stattdessen haben die Nürnberger Scouts auf der Insel zwei Neue für die Abwehr entdeckt: Linksverteidiger Philip Heise vom Tabellenletzten Norwich City und den Griechen Konstantinos Mavropanos vom FC Arsenal. Beide spielten in der ersten Mannschaft keine Rolle, beide kommen zur Leihe, beide gesund, immerhin. Kommt noch mehr? Der Tabellensechzehnte beobachte noch einige Spieler, "viel Bewegung im Hintergrund" meldete Sportvorstand Robert Palikuca am Ende des Trainingslagers. Doch viel Zeit bleibt nicht, am Freitag schließt das Transferfenster, am Donnerstag (20.30 Uhr) wartet der Hamburger SV. Dann wird sich auch zeigen, was übrig geblieben ist von der erstaunlichen Frühform. Zur Erinnerung: Die Nürnberger hatten Mitte Januar den FC Bayern mit 5:2 aus dem Stadion gefegt, obwohl die Münchner sonnenverwöhnt aus dem Trainingslager in Dubai zurückgekehrt waren und eine Halbzeit mit "voller Kapelle" angetreten waren, wie Club-Trainer Jens Keller betonte. Ob es Keller gelungen ist, diese erstaunliche Frühform zu konservieren in Marbella? Oder hätten sie doch einen Antrag stellen soll, die Winterpause zu streichen?

Kluger Schachzug

Kellers Kollege Stefan Leitl stellte nach der Rückkehr der Mannschaft der Spielvereinigung Greuther Fürth aus Belek fest: "Die Jungs sind ganz anders zurückgekommen." Ein Alarmsignal? Schließlich hat Fürth eine ordentliche Hinserie gespielt und liegt auf Platz acht. Die Erwartungshaltung für die Rückrunde haben die Fürther selbst auf ihrer Webseite formuliert: "Bassd scho", im Fränkischen darf das als Ausbruch gewertet werden. Die Resultate der Testspiele geben das aber nicht her, man habe darauf aber auch keinen Wert gelegt, erklärt Stefan Leitl. Ein kluger Schachzug, denn sonst hätte man sich ja Sorgen machen müssen vor dem Ligastart gegen St. Pauli am Dienstagabend in Fürth: Es setzte Niederlagen gegen Danzig und Drittligist Halle, dazu eine Nullnummer gegen Vaduz. Die beiden einzigen Treffer der Fürther in den Tests erzielte übrigens der A-Jugendliche Mert-Yusuf Torlak, 17 Jahre alt. Bassd scho.

© SZ vom 28.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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