Zweite Bundesliga:Alte Helden

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Wieder da: Regensburgs Sebastian Stolze umarmt Jann George (r.) nach dessen erstem Saisontor zum 1:1 gegen Sandhausen. Die beiden zählen zu den dienstältesten Fußballern des SSV Jahn. (Foto: Sascha Janne/imago)

Zweitligist SSV Jahn Regensburg hat zuletzt zu wenig Tore geschossen und ist den Abstiegsrängen immer näher gekommen. Für die Befreiung aus der Krise haben nun Jann George und Sebastian Stolze gesorgt - zwei Stützen der Mannschaft, die nach einem unangenehmen Saisonstart wieder brillieren.

Von Johannes Kirchmeier, Regensburg

Mersad Selimbegovic überlegte sich kurz vor dem Ende noch ein besonderes Geschenk. Der Trainer des SSV Jahn Regensburg wechselte Jann George und Sebastian Stolze am Sonntag gemeinsam aus. In der 80. Minute des Zweitligaspiels gegen den SV Sandhausen gingen die Fußballer in aller Ruhe und nebeneinander vom Platz. Von Gegentribüne und Haupttribüne, also von vorne und von hinten, schallte ihnen ein heftiges Klatschen entgegen, Ersatzspieler, Trainer und Vereinsverantwortliche applaudierten. Es wurde noch einmal laut im in diesen Zeiten ohne Fans so leisen Stadion.

Das Klatschen zu Ehren der Regensburger Angreifer war durchaus angebracht, denn George und Stolze hatten ihrem Verein kurz zuvor binnen zehn Minuten die lange vermisste Selbstsicherheit wieder zurückgegeben. Die beiden schossen in dieser Zeit das 3:1 (0:1) des SSV Jahn heraus. Sie stehen dafür, dass der Jahn nach fünf sieglosen Partien und nur einem Treffer in den vergangenen vier Spielen wieder die Kurve bekommen und auch nach dem Ende der Hinrunde am kommenden Sonntag in jedem Fall ein kleines Polster zur Abstiegszone aufgebaut hat.

"Wir hatten so viele Spiele, in denen wir so viel investiert haben, nicht unbedingt die schlechtere Mannschaft waren. Aber wir haben zu wenig Ertrag geholt. Es ist so wichtig für die Jungs, dass sie sich auch belohnen. Dass sie wissen, dass sie es können", sagte Selimbegovic. Vor dem Gastspiel beim Vorletzten St. Pauli stehen die Oberpfälzer bei 20 Zählern und nun sechs Punkten Vorsprung auf Relegationsrang 16.

George und Stolze sind mit ihren guten Ideen wichtig in der Regensburger Offensive

Dabei ging die Partie gegen Sandhausen in etwa so unangenehm los wie die Saison von George und Stolze, in die sie verletzt starteten. Seit 2015 bzw. seit 2017 spielen George und der Topscorer der Vorsaison Stolze in Regensburg. Beim Klub mit einem der kleinsten Etats der Liga, der Spielzeit für Spielzeit einige Leistungsträger ziehen lassen muss, zählen sie damit zu den dienstältesten Kickern, zu den alten Helden, die erstmals in der Vereinsgeschichte drei Mal in Serie den Zweitliga-Klassenverbleib sicherten. Sie sind mit ihren feinen Füßen und guten Ideen wichtige Stützen in der Offensive der Mannschaft - die am Montag übrigens Alexander Nandzik, Aufstiegsheld von 2017, in Richtung des Fünftligisten SGV Freiberg verließ. Der Linksverteidiger zählte in dieser Saison nie zum Kader.

Tags zuvor führte der SVS schon nach sechs Minuten - und zog zumindest in der virtuellen Tabelle nach Punkten gleich. Der Jahn kam lange kaum zu Chancen. Selimbegovic grübelte zuletzt über das Torproblem, stellte seinen Angriff um und verzichtete gegen Sandhausen auf den üblichen Stoßstürmer Andreas Albers. An dessen Stelle rückte der eigentliche Außenstürmer Stolze. Doch das Ansinnen, mit wendigeren und variableren Fußballern Chaos in der Fünferkette der Sandhäuser zu stiften, scheiterte daran, dass George, Stolze, Kaan Caliskaner und Albion Vrenezi in der Offensive nicht wie gewünscht rumwirbelten, sondern auf ihren Positionen verharrten.

Innerhalb von zehn Minuten drehen George und Stolze die Partie gegen Sandhausen

Das Wirbeln startete erst in der zweiten Hälfte - da war der Sandhäuser Abwehr plötzlich doch nicht mehr klar, wer wo spielt. Stürmer Caliskaner leitete das 1:1 mit einem Flügellauf ein, im Strafraum traf der links vorne aufgestellte George im Nachschuss (58. Minute). "Man hat gemerkt, was dieses Tor bedeuten kann, wie viel Kräfte das freisetzt", sagt Selimbegovic. "Wir waren in dieser Phase wie im Rausch." Fünf Minuten danach schickte George von der Zehnerposition aus Stolze in den Strafraum, der nun doch in Mittelstürmer-Manier vollendete. George entschied die Partie mit seinem zweiten Tor dann wiederum selbst aus der Mittelstürmer-Position (68.). Zehn Minuten, die alles änderten.

Selimbegovic war selbst einst Jahn-Verteidiger. Ihm imponierte vor allem Georges Beharrlichkeit bei dessen 100. Zweitliga-Einsatz. "Er hat eine brutal schwere Zeit hinter sich, hatte eine schwere, gefährliche Verletzung im Sommer", sagte der Trainer. George zog sich einen solch üppigen Bluterguss zu, dass dieser operativ entfernt werden musste. "Er hat sich zurück gekämpft, hat richtig gut gearbeitet die letzten Wochen, ist immer wieder reingekommen und hat für gefährliche Situationen und Ballsicherheit gesorgt", beobachtete Selimbegovic.

Dem umsichtigen George den Ball abzuluchsen ist nicht leicht, zudem zählt er Jahr für Jahr zu den besten Jahn-Torjägern. Doch nach dem heftigen Bluterguss war er lange Einwechselspieler und durfte erst vor einer Woche gegen Bochum (0:2) zum ersten Mal in dieser Saison in der Startelf ran, nun folgte Einsatz Nummer zwei mit zwei Toren und einer Vorlage. Den Applaus, den hatten sich Jann George und Sebastian Stolze nach ihrem vollbrachten Tagwerk also redlich verdient.

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