Zuschauerin stirbt bei Dakar-Rallye:Zyniker am Steuer

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Nach dem Tod einer Zuschauerin sollten Verantwortliche und Autokonzerne einsehen: Die Dakar ist ein Fossil der Sportgeschichte und durch nichts mehr zu rechtfertigen.

René Hofmann

Der Südafrikaner Giniel de Villiers hat die Rallye Dakar im vergangenen Jahr gewonnen. Bevor der 37-Jährige nun wieder zu dem Abenteuer aufbrach, hat er der Welt ein Interview gegeben. In ihm wird Villiers gefragt, was er zu der hohen Zahl an Toten sage, die sein Sport schon gefordert hat. Darauf Villiers: "Beim Bergsteigen, beim Segeln, beim Boxen, beim Reiten gibt es auch Todesopfer."

Bei einem Unfall auf der ersten Etappe der Rallye Dakar sind eine Zuschauerin getötet und fünf Menschen verletzt worden. (Foto: Foto: AP)

Der Verweis darauf, dass auch andere Sportarten gefährlich sind, gehört zu den antrainierten Reflexen der Motorsportler. Er kommt immer dann, wenn das, was sie tun, durch einen Unfall wieder einmal in Verruf geraten ist, wie jetzt, gleich auf der ersten Etappe der Dakar. Die Verteidigung ist legitim. Aber ist sie ist einfach zu billig.

Wenn ein Rennen so viele Tote fordert, dass selbst gewissenhafte Chronisten beim Zählen durcheinanderkommen, wenn es im Schnitt jedes Jahr zwei Menschenleben kostet - und das über 30 Jahre, dann ist der Hinweis, andernorts passiere auch eine Menge, nicht nur unpassend. Er ist schlicht zynisch.

Ja, Segler können über Bord stürzen, und es gibt sicher gesünderes, als sich im Boxring eins auf den Kopf hauen zu lassen. Aber bei keinem anderen Sportereignis werden so regelmäßig Außenstehende mit ins Unglück gerissen wie bei der Dakar. Alle Sicherheitsanstrengungen haben daran nur wenig geändert. Ein Sportplatz, der mehr als 4500 Kilometer lang ist, wird sich nie hermetisch absichern lassen. Wer sich dorthin begibt, müsse sich der Gefahr bewusst sein, argumentieren die Veranstalter - und schieben die Verantwortung damit weiter ans Publikum.

Motorsport war immer gefährlich, und er wird es immer bleiben. Eines aber hat sich in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geändert: Die Bereitschaft der breiten Öffentlichkeit, dieses Risikospiel zu tolerieren. Früher wurden Ausdauerrennen als Symbole für Entwicklungsleistungen gefeiert, mittlerweile taucht immer öfter die Frage auf: Wozu braucht es derlei eigentlich noch? Für die Entwicklung umweltfreundlicher Autos sicher nicht.

Die Dakar ist ein Fossil der Sportgeschichte, ein Anachronismus, der nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die Natur als Sportplatz zu benutzen und dabei Menschenleben zu gefährden, ist nicht mehr zeitgemäß. Es steht im Geist einer Macht-Euch-die-Erde-untertan-Mentalität, die in Südamerika zwar noch von Hunderttausenden beklatscht wird. Das aber kann kein Maßstab sein. Angesichts von Globalisierung und Klimaerwärmung ist verantwortungsbewusstes Handeln das Gebot der Stunde - auch für Konzerne. Herr Villiers fährt übrigens für VW.

© SZ vom 04.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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