Zum Tode von Gerd Bonk:"Verheizt von der DDR, vergessen vom vereinten Deutschland"

Lesezeit: 1 Min.

Der Zweitplazierte Gerd Bonk (links) und Wassili Alexejew warten auf die Siegerehrung bei den Spielen 1976 (Foto: imago sportfotodienst)

Nieren kaputt, Augen kaputt, Finger amputiert, Diabetes: Der Gewichtheber Gerd Bonk sollte für die DDR Olympiagold holen - und wurde mit Dopingmitteln vollgepumpt. Das machte ihn krank. Nun ist er an den Folgeschäden gestorben.

Von Boris Herrmann

Als Gerd Bonk schon nicht mehr gehen konnte, weil seine Muskeln zu schwach waren, um ihn zu tragen, den einstmals "stärksten Mann der Welt", da saß er oft zu Hause in seinem Wohnzimmer im Vogtland und hörte Schallplatten. Beatles, Stones, Abba - Westmusik. Bonk, einst Weltrekordhalter im Gewichtheben, hat sich diese Musik auf seinen Auslandsreisen als DDR-Athlet heimlich besorgt. Das war am Ende wohl das Beste, was ihm von seiner Sport-Karriere geblieben war: ein paar schöne Platten.

Bonk konnte in den vergangenen 25 Jahren praktisch nichts mehr anderes tun, als in seinem Wohnzimmer zu sitzen und Musik zu hören. Wenn er mal nicht da war, dann lag er meist in der Klinik. Kurz vor der Wende war er zum Invaliden erklärt worden. Da war er 37.

Sein Körper glich bald dem eines 87-Jährigen. Nieren kaputt, Augen kaputt, Finger amputiert, Diabetes - alles mittelbare und unmittelbare Folgeschäden des staatlich angeordneten Dopings in der DDR. Bonk sollte bei den Spielen 1980 in Moskau endlich Olympia-Gold für die DDR gewinnen. Dafür war seinen Ärzten und Funktionären offenbar jedes Mittel recht. Er wurde mit Anabolika und Cortison vollgepumpt.

Gerd Bonk hat stets beteuert, er habe keine Wahl gehabt. Belegt ist, dass seine Betreuer damals schon wussten, dass er Diabetiker war. Was sie Bonk verschwiegen: Von Cortison steigt der Blutzuckerspiegel.

Im vereinten Deutschland gehörte Bonk zu den 194 staatlich anerkannten Dopingopfern der ehemaligen DDR. 2002 erhielt er dafür eine einmalige Entschädigung von 10 438 Euro. Eine Summe, die schnell aufgebraucht ist, wenn man ein Vierteljahrhundert seiner besten Lebenszeit nicht arbeiten kann.

Auf eine staatliche Rente für Dopingopfer, auf ein Gnadenbrot, wie er es einmal formulierte, wartete Bonk bis zum Schluss vergeblich.

"Verheizt von der DDR, vergessen vom vereinten Deutschland", das ist einer seiner Sätze, die nachhallen. Ein Satz, der für so viele andere ehemalige Sportler mit ähnlichem Schicksal steht. Am Montag ist Gerd Bonk im Alter von 63 Jahren gestorben.

Er hinterlässt seine Frau und einen Sohn.

© SZ vom 22.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: