Würzburger Kickers:Viel Ruhe, wenig Plan

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Schon wieder nicht gewonnen: zwei frustrierte Würzburger, Daniel Nagy (vorne) und Sebastian Neumann, nach dem Remis in Düsseldorf. (Foto: imago/Michael Kolvenbach)

Die Negativserie des Aufsteigers in der zweiten Fußball-Bundesliga geht weiter. Ein gängiger Motivationskniff dürfte allerdings entfallen: Trainer Bernd Hollerbach gilt als nicht entlassbar.

Von Johannes Kirchmeier

Die Idee schien ausgeklügelt, einen kleinen Motivationskniff vor dem so wichtigen Abstiegsduell in Düsseldorf hatte sich der Würzburger Fußballtrainer Bernd Hollerbach überlegt. Hollerbach plante einen Urlaub im Grünen, er tuckerte mit seiner Mannschaft in die abgeschiedene Sportschule Hennef, 80 Kilometer von der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt entfernt, vor dem Spiel am Samstag. Die Auswahl der Herberge verriet, dass sich die Auszeit der Kickers eher um einen Aktiv- als um einen Wellnessurlaub gehandelt haben dürfte. Ein Aktivurlaub, um ein Ziel zu erreichen: den ersten Sieg im Jahr 2017 nach zuvor 14 erfolglosen Rückrundenpartien in der zweiten Bundesliga.

Ein paar Minuten sah es am Wochenende dann so aus, als würde der Hollerbachsche Motivationskniff, auf den er zugegebenermaßen nicht als erster Trainer eines abstiegsbedrohten Fußballvereins gekommen ist, tatsächlich verfangen. Lukas Fröde, ein Winterzugang, der als solcher noch nicht weiß, wie man ein Spiel mit den Kickers gewinnt, traf mit einem sehenswerten Weitschuss (86.). Doch am Ende stand ein 1:1 auf der Anzeigetafel, und da der TSV 1860 München siegte, ist Würzburg nun am vorläufigen Tiefpunkt dieser Saison angekommen, auf Relegationsplatz 16, Tendenz absteigend. "Das müssen wir so hinnehmen, so bitter es ist", sagte Hollerbach. Er weiß auch: Eigentlich helfen dem chronisch sieglosen Team nur Siege in den letzten Wochen der Saison.

Bitter war vor allem die Art, wie das Remis zustande kam: Der Abstiegskonkurrent Düsseldorf, der erstaunlich schwach spielte, erzielte den Ausgleich in der 90. Minute nach einem krassen Torwartfehler von Jörg Siebenhandl. Fortuna-Verteidiger Julian Schauerte entließ zuvor fast von der Mittellinie aus einen Freistoß in den Würzburger Strafraum, Siebenhandl marschierte erst, hüpfte dann dem hohen Ball entgegen, und doch konnte er ihn nicht erreichen. Der Ball flog so hoch über ihn hinweg, dass man ihm in diesem Moment acht Hände gewünscht hätte, damit er ihn noch wegpatschen kann. Doch da auch ein Siebenhandl nur zwei Hände hat, lag der Ball in letzter Minute im Netz. Eigentlich hätte er sein Tor gar nicht verlassen müssen, um den Ball zu halten.

Wütend tigerte daraufhin Hollerbach, der zuvor noch so ruhig wirkte, als wäre er die Reinkarnation Buddhas, an der Seitenlinie entlang, die Ruhe aus Hennef schien er nach dem Gegentor verloren zu haben. Er wirkte schon eher so wie früher, als er als harter Linksverteidiger (Spitzname "Holleraxt") nach seiner Metzgerlehre den einen oder anderen Gegner umgegrätscht hatte und schimpfte auf Schiedsrichter Thorben Siewer: "Alexander Madlung geht für meinen Geschmack nicht auf den Ball, sondern nur in den Torwart", klagte Hollerbach. "Wir sind bezüglich der Entscheidungen nicht vom Glück verfolgt."

Ein gängiger Motivationskniff dürfte in Würzburg entfallen

Hollerbach musste auch im 15. Pflichtspiel des Jahres 2017 feststellen, dass all das Bemühen seines Teams umsonst war. Und so lag es auch nicht am Schiedsrichter, dass die Kickers am Ende geknickt vom Platz schlurften, sondern an den Unterfranken selbst: Wieder einmal blieb der stärkste Angreifer Elia Soriano blass, der mittlerweile seit sechs Monaten kein Tor mehr getroffen hat. Wieder einmal hielt die Konzentration der Hintermannschaft nicht ein ganzes Spiel lang. So ein Gegentor in letzter Minute hatten sie ja schon einmal gegen einen Abstiegskonkurrenten erlebt, vor einem Monat gegen Bielefeld - ähnlich kurios: Innenverteidiger Júnior Díaz wollte einen harmlosen Ball aus dem Strafraum klären, beförderte ihn mit seinem Schienbein allerdings ins eigene Netz.

Immerhin treffen die Würzburger am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) am Dallenberg auf den SV Sandhausen, der gerade ähnlich erfolglos wie sie durch die Liga taumelt. "Wir müssen den Kopf wieder hochnehmen und schauen, dass wir nächste Woche das Heimspiel gewinnen", sagte Hollerbach. Es klang ein bisschen so, wie sein Team spielt, und wie die Vereinsoberen denken: nicht überstürzt, aber auch nicht unbedingt mit einem umfangreich skizzierten Plan, eher mit der Hoffnung, dass alles gut gehen möge. Mit Retter Hollerbach, der nach zwei Aufstiegen aus der Regionalliga in die zweite Liga drauf und dran zu sein schien, dem heiligen Kilian den Rang des Stadtpatrons zu entreißen, und als Trainer als nicht entlassbar gilt.

Dieser branchenübliche und von abstiegsbedrohten Fußballvereinen ebenfalls gerne gewählte Motivationskniff dürfte also trotz der Negativserie in Würzburg entfallen.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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