Würzburger Kickers:Shapourzadehs Erben

Lesezeit: 3 min

Voller Einsatz: Sebastian Neumann im Zweitligaspiel gegen Stuttgart. (Foto: eibner/imago)

Die rasante Entwicklung in den vergangenen zweieinhalb Jahren stellt den Zweitligisten vor eine neue Herausforderung: der Frage nach den nächsten Zielen.

Von Fabian Swidrak

Eingemummelt in eine Winterjacke mit flauschigem Fellkragen hob Amir Shapourzadeh das gerahmte Trikot nach oben, das ihm Daniel Sauer überreicht hatte, der Vorstandsvorsitzende der Würzburger Kickers AG. Einige Fans erwiderten die Geste und hielten Trikots mit der Nummer 9 in die Luft, die in der Vergangenheit Shapourzadehs Rückennummer gewesen war. Der 34-jährige Stürmer sprach zum Abschied wenige Sätze ins Stadionmikrofon, dann verschwand er in den Katakomben. Hätte Trainer Bernd Hollerbach später nicht daran erinnert, dass "wir ohne Amir nicht da wären, wo wir heute stehen", wäre Shapourzadehs Abschied im Trubel des 3:0 der Würzburger Kickers gegen den VfB Stuttgart am letzten Spieltag der Hinrunde beinahe untergegangen.

Still und leise hat die Würzburger in Shapourzadeh am Sonntag einer der wenigen Spieler verlassen, dessen Anwesenheit bis zuletzt daran erinnert hatte, dass die Unterfranken vor nicht allzu langer Zeit noch durch die bayerischen Dörfer getourt waren. Als Kapitän führte er die Kickers zu zwei Aufstiegen hintereinander, zuletzt war Shapourzadeh jedoch Standby-Profi; im Januar wird er Manager beim österreichischen Bundesligisten FC Admira Wacker Mödling. Der Klub teilt sich mit den Unterfranken den Hauptsponsor, mit Admira wollen die Würzburger künftig weitere Synergien schaffen.

In Torhüter Robert Wulnikowski und Innenverteidiger Clemens Schoppenhauer gibt es nach Shapourzadehs Weggang nur noch zwei Spieler, die bereits in der Regionalliga für Würzburg gespielt haben und heute noch regelmäßig zum Einsatz kommen, so rasant verlief die sportliche Entwicklung der Kickers in den vergangenen zweieinhalb Jahren unter Trainer Bernd Hollerbach. Eine weitere unerwartet starke Hinrunde krönte der Zweitliga-Aufsteiger am Sonntag mit dem Sieg gegen Stuttgart. "Ich habe 2015 nach dem super Jahr schon gedacht, es könnte nicht mehr besser werden. 2016 haben wir noch einen obendrauf gesetzt", sagte Hollerbach nach dem Spiel. Schoppenhauer meinte, er habe längst aufgehört sich zu zwicken, "weil hier ein Highlight das nächste jagt".

Hannes Wolf, der Trainer des VfB Stuttgart, erklärte die Würzburger gar zu einem Vorbild für den fünffachen deutschen Meister. "Die Entwicklungen beider Vereine sind ja relativ gegenläufig." Er habe das Gefühl gehabt, der Gegner habe den Sieg mehr gewollt, sich mehr über Intensität, Geschwindigkeit und Kampfkraft definiert. Um zukünftig erfolgreich zu sein, brauche sein Team eine Kultur, "die all das berücksichtigt, weil Würzburg basierend darauf seinen Weg gemacht hat".

Auch wenn die Würzburger gegen Stuttgart spielerische Akzente setzten: Der Erfolg der Unterfranken fußt auch in dieser Saison auf den hollerbachschen Tugenden. "Ich denke, viele Teams sind kurz vor der Winterpause erschöpft", sagte Torschütze Nejmeddin Daghfous. "Wir sind fit, weil wir hart trainieren." Das Prunkstück der Würzburger ist erneut die Defensive. Nur zwei Teams in der Liga haben bislang weniger Gegentore zugelassen (15). Und in der Offensive bestätigte Elia Soriano, dass Trainer Hollerbach goldrichtig lag, als er den Stürmer vor einem Jahr verpflichtete. Soriano ist mit sechs Saisontoren Würzburgs treffsicherster Spieler.

Trainer Hollerbach verweist darauf, dass zum Klassenerhalt "noch 13 Punkte fehlen"

Nach dem Sieg in der Relegation zur zweiten Bundesliga gegen den MSV Duisburg im Mai sagte Vorstandschef Sauer, der Klassenerhalt wäre ein noch größeres Wunder als der Aufstieg. Nun stehen die Unterfranken zur Winterpause auf dem sechsten Tabellenplatz. Und auch wenn Hollerbach sagt, 27 Punkte aus 17 Spielen würden bedeuten, "dass zum Klassenerhalt noch 13 Punkte fehlen", ist derzeit schwer vorstellbar, dass Würzburg noch einmal ernsthaft in Abstiegsgefahr gerät. Der Aufsichtsratsvorsitzende Thorsten Fischer, gleichzeitig Geschäftsführer des Würzburger Hauptsponsors, träumte bereits vor dem Aufstieg in die zweite Bundesliga davon, eines Tages die Nummer eins in Franken zu sein. Und auch wenn die Tabelle, in der Würzburg aktuell klar vor dem Zehnten Nürnberg und dem Zwölften Fürth steht, nur eine Momentaufnahme ist, bewegen sich die Kickers rein sportlich schon auf Augenhöhe mit ihren Nachbarn.

Vor einem Jahr überwinterte Würzburg in der dritten Liga auf dem neunten Tabellenplatz. Hollerbachs Mannschaft holte damals in mehr Spielen weniger Punkte als in der nun beendeten Hinrunde. Die ersten Fans und Journalisten witzelten daher am Sonntag über einen weiteren Aufstieg. Hollerbach war für derlei Späße wie gewohnt nicht zu haben, er verwies darauf, dass die Schere zwischen den großen Klubs und kleinen Vereinen wie Würzburg immer größer werde. Mittelfeldspieler Daghfous dagegen sagte: "Jetzt fahren wir zu unseren Familien, kommen ein bisschen runter, und dann sehen wir mal, was in dieser Saison noch drin ist."

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: