Würzburger Kickers:20 Minuten im Rausch

Lesezeit: 3 min

Der Schlusspunkt eines erstaunlichen Spiels: Würzburgs Nejmeddin Daghfous (links) bejubelt sein Tor zum 3:0 mit Rico Benatelli. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

"Wir haben heute bewiesen, dass wir keine Klopper-Truppe sind": Die Würzburger Kickers besiegen zum Abschluss der Hinrunde den VfB Stuttgart mit 3:0.

Von Fabian Swidrak

Bernd Hollerbach schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Mit einem lauten Schrei wandte sich der Würzburger Trainer an Tobias Schröck, um sicher zu gehen, dass dieser auch wirklich zusah, als er erneut die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Hollerbach wusste, dass Schröck mit seinem Pass auf den deutlich im Abseits stehenden Elia Soriano eine riesengroße Chance vergeben hatte, per Konter gleich noch einen Treffer zu erzielen. Was Hollerbach nicht wusste: Dass diese liegen gelassene Möglichkeit nur der Beginn einer zwanzigminütigen Phase werden sollte, die wohl die beste der Würzburger in dieser Saison war, und dass sich seine Mannschaft mit einem 3:0 (2:0)-Erfolg gegen den VfB Stuttgart in die Winterpause verabschieden würde.

"Ich denke, dass ich sehr zufrieden und stolz bin", sagte Hollerbach nach dem Spiel auf seine unverwechselbare Weise. "Wir haben Aggressivität gezeigt, einfach gespielt, uns einige Torchancen erarbeitet, die Tore gemacht und verdient gewonnen", fasste er seine Sicht der Dinge zusammen. Während Stuttgart zu keinem Zeitpunkt der Partie in der Lage war, sich gegen gewohnt zweikampfstarke Würzburger Torchancen zu erspielen, gaben die Unterfranken während der 90 Minuten 18 Torschüsse ab. Nicht selten gingen den Abschlüssen ansehnliche Kombinationen voraus, was dieser Tage durchaus erwähnenswert ist.

Vor einer Woche, nach dem Auswärtsspiel der Würzburger beim SV Sandhausen, einem hart umkämpften 0:0, hatte deren Präsident Jürgen Machmeier Hollerbachs Mannschaft als Klopper-Truppe bezeichnet. Würzburgs Trainer hatte daraufhin gesagt, wer sich näher mit seinem Team beschäftige, merke, dass es gar nicht so schlecht Fußball spiele. Und auch Mittelfeldspieler Nejmeddin Daghfous, der gegen Stuttgart den Treffer zum 3:0-Endstand erzielte hatte, merkte nach dem Spiel an: "Wir haben heute beweisen können, dass wir keine Klopper-Truppe sind. Wir haben überragend gespielt."

Einen Zwei-Tore-Rückstand hat gegen Hollerbachs Würzburg noch keine Mannschaft aufgeholt

Während die Würzburger Abwehr nicht einen nennenswerten Fehler machte, wurde die der Stuttgarter zeitweise ordentlich durcheinandergewirbelt. Ausgehend vom Führungstreffer, den Rico Benatelli erzielt hatte, nachdem Valdet Rama auf sein Zuspiel hin zunächst nur den Pfosten getroffen hatte (27.), spielten sich die Würzburger bis zur Halbzeitpause regelrecht in einen Rausch. Schröck vergab mit besagtem Pass ins Abseits eine vielversprechende Konterchance. Soriano fehlte oft nur ein wenig Glück. Einmal klärte Sunjic in höchster Not (31.), fünf Minuten später kratzte Asano einen Kopfball des Stürmers von der Torlinie. Stuttgart bekam den Ball bis zur Halbzeitpause kaum noch aus der eigenen Hälfte des Spielfeldes heraus. "Würzburg hat die Zweikämpfe gewonnen und dann gut gekickt", sagte nach dem Spiel VfB-Trainer Hannes Wolf.

Clemens Schoppenhauer belohnte seine Mannschaft kurz vor der Pause für ihre Überlegenheit. Nach einer Ecke von Daghfous und großer Verwirrung im Stuttgarter Strafraum schoss der Verteidiger den Treffer zum 2:0. "Im Gewühl fällt mir der Ball vor die Füße, ich halte einfach drauf und habe Glück, dass er reingeht", kommentierte Schoppenhauer seinen ersten Saisontreffer anschließend. Auch wehrte er alle Versuche ab, den Sieg auf eine schwache Leistung des VfB zu reduzieren: "Man ist immer nur so stark, wie es der Gegner zulässt. Und wir haben heute nicht viel zugelassen."

In der zweiten Halbzeit stellten die Würzburger ihre Offensivbemühungen ein wenig zurück und verwalteten das Ergebnis. Einen Zwei-Tore-Rückstand hat gegen Würzburg noch keine Mannschaft aufgeholt, seit Hollerbach vor zweieinhalb Jahren Trainer der Unterfranken wurde. Nur einmal brauchten die Würzburger Glück, als David Pisot den frei vor Torhüter Robert Wulnikowski aufgetauchten Simon Terodde im letzten Moment mit einer riskanten Grätsche stoppte (69.).

Daghfous besiegelte den Würzburger Erfolg schließlich mit seinem Treffer zum 3:0 (79.). Als die Stuttgarter wenige Minuten später tief in der Würzburger Hälfte den Ball verloren, Benatelli zum Gegenangriff ansetzte und die Seitenlinie entlang sprintete, den vielversprechenden Konter dann aber mit einem schlampigen Pass in den Fuß eines Stuttgarters beendete, zuckten erneut die Hände von Bernd Hollerbach. Für einen kurzen Moment näherten sie sich seinem Gesicht. Dann aber erinnerte sich Würzburgs Trainer wohl an den Spielstand und beließ es bei einem beidhändigen Griff an den Hinterkopf.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: