Wolfsburg - TSG 1899 (15.30 Uhr):Gereifter Kritiker

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Aufgemerkt: Mario Gomez ist zur Führungsfigur gereift. (Foto: Mika Volkmann/Getty Images)

Im fortgeschrittenen Fußballeralter wird Mario Gomez auf einmal zur Führungskraft - beim kriselnden VfL.

Von Carsten Scheele

In einer anderen Zeit, einer anderen Situation, wäre Mario Gomez ein persönlicher Termin in der Chefetage seines Klubs sicher gewesen. Nachdem er sich nach dem 1:2 gegen den FC Augsburg einfach hinstellte und loslästerte über das eigene Team: "Behäbig, überheblich, naiv", sei Wolfsburg aufgetreten, so Gomez, "wie eine Jugendmannschaft". Man habe "ein bisschen mit dem Arsch gewackelt und geglaubt, so gewinnen wir ein Bundesliga-Spiel". Ziemlich harter Stoff.

Doch der Anpfiff in der Chefetage blieb aus. Dafür gibt es Gründe, zum einen ist Gomez, obwohl erst seit Saisonbeginn in Wolfsburg, zur Führungsfigur aufgestiegen. Außerdem hatte er im konkreten Fall Recht. Das sieht auch Olaf Rebbe so, der neue VfL-Sportdirektor, der Gomez sogar ermunterte, ruhig öfter den Mund aufzumachen. "Wir wünschen uns mündige Spieler", erklärte Rebbe in dieser Woche im kicker. Gomez habe "mit seiner Kritik" auch "nicht völlig falsch" gelegen.

Wolfsburg muss sich gerade den Realitäten dieser Saison stellen, und Rebbe tut gut daran, einer seiner wenigen Führungskräfte öffentlich beizustehen. Der Aufschwung nach den drei Siegen zum Hinrundenausklang (gegen Frankfurt, Gladbach, HSV) ist jedenfalls dahin, es geht wieder nach unten. Erst das 1:2 gegen Augsburg, dann 0:1 in Köln, dazu das ordnungsgemäße Pokal-Aus in München. "Wir haben Rückschläge einkalkuliert", versichert Rebbe. Niemand habe davon ausgehen können, dass der VfL ungeschlagen durch die Rückrunde marschiert.

Im Sommer könnte Gomez wegen einer Ausstiegsklausel schon wieder weg sein

Umso froher ist er, einen wie Gomez zu haben. Zumindest dessen Quote stimmt aktuell, zwar hat Gomez erst sechs Saisontore erzielt, dafür traf er dreimal in den vergangenen vier Ligaspielen. In der Torjägerliste liegt er deutlich hinter Aubameyang oder Lewandowski, doch er überflügelt seine Kollegen in Sachen Defensivarbeit. Bei gegnerischen Ecken ist er ebenso wichtig wie die Innenverteidiger, 30 Mal hat er in dieser Saison schon den Ball geklärt, ein Spitzenwert für einen Stürmer.

Gomez sagt selbst, er fühle sich "reifer" als früher. In Stuttgart oder München war der Angreifer nie ein Lautsprecher, mittlerweile, als verheirateter Mann mit 31 Jahren, macht er sich laut seine Gedanken. Gomez hat schon im Herbst sehr deutlich formuliert, was er vom Wolfsburger Wechseltheater um Julian Draxler und Luiz Gustavo hielt ("wer nicht hier sein will, soll auch gehen"). Er wollte das nicht als persönlichen Angriff verstanden wissen, nahm sich aber dennoch die Freiheit kundzutun, wie eine Mannschaft funktioniert. Und sparte auch nicht mit Selbstkritik: In der Frühphase der Saison habe er viel zu viele Chancen liegen lassen. Dass das Theater um Draxler so laut wurde, sei entsprechend auch seine Schuld gewesen.

Auch wenn Wolfsburg am Sonntag (15.30 Uhr) ein Heimsieg gegen Hoffenheim gelingen sollte, das internationale Geschäft dürfte der VfL erneut verpassen. Gomez hat für diesen Fall eine Klausel im Dreijahresvertrag, wonach er den Klub verlassen darf, entschieden hat er sich noch nicht. Sportdirektor Rebbe sagt, ein Abschied sei kein Thema. Mit Trainer Valérien Ismael ist besprochen, dass Gomez unbedingt gehalten werden soll. Beide wissen, warum.

© SZ vom 12.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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