Wolfsburg - Hertha (18.00 Uhr):Morgen ein Monster

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Auf Kuschelkurs: Davie Selke (2.v.r.) bewies zuletzt seinen Wert für die Hertha - mit drei Treffern in zwei Spielen. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Nach einer Verletzung zu Saisonbeginn schien Davie Selke vom Pech verfolgt zu bleiben. Mit zwei Toren in der Europa League meldet sich Herthas Rekordtransfer jedoch zurück - und beginnt, die hohen Erwartungen zu erfüllen.

Von Max Flaig, Berlin/München

Die Europa League liegt Davie Selke. Nach seinem Treffer bei der 1:2-Niederlage in Luhansk, traf er beim Rückspiel im Olympiastadion gleich doppelt zum 2:0-Endstand. Durch den Sieg darf Hertha nun wieder vom Überwintern im europäischen Wettbewerb träumen. Das ist nicht zuletzt dem Doppeltorschütze Selke zu verdanken. "Ich mag das nicht, wenn sich jetzt alles auf mich konzentriert. Die Jungs haben heute ein super Spiel gemacht. Ich habe meine Aufgabe im Kollektiv erledigt und wurde dabei super eingesetzt", sagte Selke nach dem Spiel artig bescheiden. Und trotzdem waren die zwei Tore am Donnerstag Balsam auf einer leidgeplagten Stürmerseele.

Zur Erinnerung: Davie Selke, 22, das ist jener Stürmer, der mit Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio die Silbermedaille gewann, der bei RB Leipzig zwar nie die großen Erwartungen erfüllte, der aber dann im Sommer wieder begleitet von großen Erwartungen - und für eine klubinterne Rekordsumme von geschätzten 8,5 Millionen Euro - aus Leipzig in die Hauptstadt wechselte. Auf seinen ersten Pflichtspieleinsatz musste der Angreifer dann aufgrund einer hartnäckigen Knochenmarkschwellung bis zum achten Spieltag warten. Bei der 0:2 Niederlage gegen Schalke war dem zur Halbzeit eingewechselten Selke die fehlende Spielpraxis noch deutlich anzumerken. Nichts außergewöhnliches, wenn man bedenkt, dass ihm die dreimonatige Verletzungspause die Sommervorbereitung kostete. Und doch war man geneigt zu fragen: Bleibt Selke auch in Berlin vom Pech verfolgt?

Nach seinem Comeback folgten eine weitere Halbzeiteinwechslung beim 1:1 in Freiburg sowie ein 17-minütiger Einsatz beim Heimerfolg gegen Hamburg. Im DFB-Pokalspiel gegen Köln stand Selke zum ersten Mal wieder über die volle Spielzeit auf dem Feld. Während der 1:3-Niederlage gegen den Tabellenletzten konnte er jedoch ebenso wenig überzeugen wie der Rest der Berliner Mannschaft.

"Ich bin auf einem guten Weg", sagt Selke vorsichtig

In Anbetracht der letzten Wochen und Monate fühlt sich der Doppelpack also an wie eine Trendwende. Denn seine Tore sahen nicht nach Zufall aus: Einmal traf er per Kopf, einmal dribbelte er den Torwart aus. Es scheint, als finde der U21-Europameister langsam wieder zu seiner alten Form. Zehnmal hatte er ja für Leipzig in der zweiten Liga 2015/2016 getroffen und hatte viel zum Aufstieg beigetragen, neun Tore hatte er im Jahr davor für Werder Bremen als 20-Jähriger in der Bundesliga geschossen. Dennoch ist Selke inzwischen Profi genug, um dem jüngsten Erfolgserlebnis nun nicht zu viel Bedeutung beizumessen: "Ich bin auf einem guten Weg." Bei 100 Prozent sei er jedoch noch nicht ganz: "Immerhin war ich zehn Wochen raus."

Gegen den ukrainischen Tabellensiebten Luhansk stand die jüngste Berliner Startelf seit mehr als vier Jahren auf dem Rasen. Selke gehört zusammen mit Maxi Mittelstädt, 20, und Jordan Torunarigha, 20, die das 1:0 vorbereiteten, durchaus noch zu den jungen Wilden bei der alten Dame. Hinzu kommen die beiden 18 Jahre alten Talente Arne Maier und Palko Dardai, der Sohn des Trainers. Spielführer Vedad Ibisevic, Selkes Konkurrent um die Mittelstürmerposition, ist mit seinen 33 Jahren ganze elf Jahre älter als Selke.

Doch mit seinen beiden Toren hat Selke Trainer Dardai zwei gute Argumente für einen erneuten Startelfeinsatz am Sonntag geliefert. Eine öffentliche Kampfansage an seinen Kapitän ist ihm zwar nicht zu entlocken. Auf die Frage, ob er glaube, dass Ibisevic ihn in Wolfsburg ersetzen werde, antwortet er sachlich: "Wenn es einen Stürmer wie Vedad Ibisevic gibt, ist das möglich." Doch es sieht so aus, als lege Selke gerade den Grundstein dafür, dass der Generationenwechsel im Hertha-Sturm doch gelingen kann, wie sie sich das in Berlin vorstellen. Selkes Mitspieler trauen ihm auf jeden Fall viel zu. "Es kann sein, dass er uns gerade aus einem kleinen Loch holt", sagte Alexander Esswein. Und Mittelstädt sagte: "Davie ist im Strafraum ein richtiges Monster."

© SZ vom 05.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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