Wolfsburg:Eine Ode an das Nichts

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Mainz wie es war und ist – Der alte Trainer Martin Schmidt (l.), der jetzt die Wolfsburger betreut, im Gespräch mit seinem Nachfolger Sandro Schwarz. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Die Wolfsburger bleiben im dritten Spiel unter Trainer Schmidt sieglos, erfreuen sich aber immerhin daran, dass sie solche Spiele wie gegen Mainz nicht mehr verlieren wie früher.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Es gab da eine Szene, die, wie sich herausstellen sollte, grundsätzlichen Annahmen der Gastgebermannschaft VfL Wolfsburg über den Charakter der Bundesliga widersprach. Eine knappe halbe Stunde war gespielt, und Wolfsburg hatte gegen den FSV Mainz 05 eine von letztlich fünf Ecken zugesprochen bekommen. Wer diese auf der linken Seite ausführte, war letztlich irrelevant. Entscheidend war, dass sie kurz gespielt und der Ball dann über drei Stationen beim Torwart gelandet war, genauer: beim eigenen Torwart, dem Belgier Koen Casteels.

Bemerkenswert war diese Ecke als Ode an den Rückpass in vielfacher Hinsicht. Unter anderem, weil Wolfsburgs Mittelfeldspieler Josuha Guilavogui nach der Partie sagen sollte, dass die deutsche Bundesliga von Offensivspiel geprägt und es daher nötig sei, Tore zu erzielen. Aber auch, weil selbiger Guilavogui bezeugte, Trainer Martin Schmidt habe vor der Partie ausdrücklich gesagt, Mainz 05 sei gerade bei Standardsituationen verwundbar. Und dann verzichtet sein Team darauf, eine solche Ecke in einen Molotow-Cocktail im Strafraum der Gäste zu verwandeln? Es begab sich übrigens, dass Schmidt Recht behalten sollte: Wolfsburgs Führungstreffer durch Guilavogui (55.) fiel im Anschluss an eine Ecke, die Daniel Didavi an den Fünfmeterraum geflankt hatte, Guilavogui setzte sich gegen gleich drei Mainzer durch. Dass Wolfsburg noch den Ausgleich durch den Japaner Yoshinori Muto hinnehmen musste, der den Ball nach einer Flanke von Levin Öztunali in den Winkel köpfelte (74.), trug Züge von poetischer Gerechtigkeit. Ein Sieg hätte im Lichte der 90 Minuten eine übertriebene Beute dargestellt.

Die Szene mit der Ecke hatte insofern etwas Sinnbildliches, als sie illustrierte, was der vor drei Spieltagen installierte und bislang noch immer sieglose Schmidt nach dem 1:1 beklagte: den Mangel an "Killerinstinkt", den man sich nur durch Selbstvertrauen, also durch Siege erarbeiten könne. Das sei "der nächste Schritt", der nun angestrebt werde. Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben sollten: Die Wolfsburger haben laut Schmidt bereits einen ersten Schritt hinter sich. "Es ist eine Konsolidierung eingetreten", sagte der Coach. Andererseits attestierte er dem Team, in der Anfangsphase unter "Nervosität" gelitten zu haben, was augenscheinlich, vor allem aber verwunderlich war. Nach dem 2:2 beim FC Bayern aus der Vorwoche hätte man erwartet, dass das Selbstwertgefühl des VfL kaum zu steigern sei.

Und so waren nach der dünnen Partie gegen die bis zum Sommer von Schmidt trainierten Mainzer bereits Fragen zu hören, ob der VfL gerade dabei ist, das Theorem von gut kehrenden, neuen Besen zu falsifizieren. Manager Olaf Rebbe bat um Verständnis, es habe einen personellen Umbruch und einen Trainerwechsel gegeben, da brauche man etwas Zeit. Richtig daran ist, dass sich der Fußball, der Schmidt vorschwebt, vom ballbesitzorientierten Ansatz seines Vorgängers Andries Jonker eklatant unterscheidet; er brauche auch "eine andere Körperlichkeit, eine andere Ansteuerung, Spritzigkeit, Aggressivität". Die nun anstehende Länderspielpause soll genutzt werden, "um am Stil zu arbeiten und klarere Ideen vom Fußball zu haben, den der Trainer will", wie Kapitän Ignacio Camacho sagte.

Der Videoassistent kassiert spät eine Strafstoßentscheidung für die Mainzer

Einstweilen erfreuen sich die Wolfsburger daran, zumindest in einer Hinsicht besser zu sein als in der vorigen Saison. "Da haben wir solche Spiele noch verloren", sagte etwa Guilavogui. Jetzt habe man die Chance, das Spiel durch ein 2:0 "zu töten", nicht genutzt. Allerdings konnten sie auch von Glück reden, dass sie nicht noch verloren. Unter anderem, weil Schiedsrichter Robert Hartmann in der 88. Minute den Mainzern einen Strafstoß zuerkannte, die Entscheidung aber durch den Videoassistenten kassiert wurde. Wolfsburgs Paul-Georges Ntep hatte den Mainzer Karim Onisiwo so offensichtlich außerhalb des Strafraums gefoult, dass sich die Frage stellte, ob der Linienrichter an der Seitenlinie eingeschlafen war. Angesichts des tristen Niveaus einer Partie, die lange Zeit eine Ode an das Nichts war, wäre das nur zu verständlich gewesen.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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