WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Argentinien in Überzahl

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Argentinier am Strand - natürlich in der Überzahl. (Foto: AP)

Deutsche haben es in Brasilien dieser Tage nicht gerade leicht. Die Taxifahrer verlangen sieben Tore im WM-Finale - und dann strömen auch noch tausende Argentinier ins Land. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.

Von Thomas Hummel, Rio de Janeiro

Die Deutschen haben es in Brasilien gerade nicht einfach. Warum? Erstens: Einem derart gastfreundlichen Land und ihren netten Bewohnern sieben Tore eingeschenkt zu haben, führt im persönlichen Kontakt zum Gefühl der Reue. Irgendwie beschleicht einen ständig der Drang, sich entschuldigen zu wollen.

Zweitens: Entschuldigung hin oder her, die Brasilianer fordern jetzt, dass die Deutschen den Nachbarn ebenfalls eine Abreibung verpassen. Das Verhältnis zwischen Brasilien und Argentinien entspricht einer Hassliebe. Beim Gedanken daran, dass die Nachbarn am Sonntag im Heiligtum des brasilianischen Fußballs, im Estádio do Maracanã, den Weltpokal gewinnen, hört der Spaß allerdings auf.

Nach ein paar mächtigen Flüchen verlangt der eine Taxifahrer "von euch Deutschen" fünf Tore, der andere vier. Die Frau hinter der Bar sieben. Klar, was sonst? Der schüchterne Einwand, dies werde wohl kaum möglich sein, wird nicht akzeptiert.

Drittens: Rio de Janeiro ist unter argentinischer Kontrolle. Die Stadt erfährt eine himmelblau-weiße Invasion nie gesehenen Ausmaßes.

Alles spricht spanisch

Der Strand Copacabana ist schon seit Beginn der Weltmeisterschaft ein entfernter Stadtteil von Buenos Aires. Weil die Stadtverwaltung von Rio zunächst keine Stellplätze bereitgestellt hatte, parkten die Argentinier ihre Wohnmobile einfach an der Avenida Atlântica und blockierten alle Parkplätze, was den Einheimischen mächtig auf die Nerven ging.

Inzwischen sind die Wohnmobile weg vom Strand, umquartiert zum Beispiel ins Sombodromo, wo im Februar die Karnevalsvereine ihren berühmten Umzug veranstalten. Gleich um die Ecke liegt ein riesiger Parkplatz, auch den haben die Argentinier in Beschlag genommen. Zelt steht an Zelt. Dicke Isomatten oder Luftmatratzen wären empfehlenswert, denn die Zelte stehen auf blankem Teer. Gemütlich sieht das nicht aus, aber was tut man nicht alles für ein WM-Finale.

Die Grenzposten im Süden Brasiliens melden weitere Tausende Argentinier, die Richtung Rio de Janeiro unterwegs sind. Langsam weiß man nicht mehr, wohin mit ihnen. Der Tourismus-Beauftragte der Stadt rät bereits, die öffentlichen Bäder, Restaurants und Bars zu nutzen, um Dinge des täglichen Bedarfs zu regeln.

Am wohlsten fühlen sich die Argentinier weiterhin an der Copacabana. Überall sind himmelblau-weiße Flaggen, alles spricht Spanisch. Seit Dienstag müssen Menschen in Brasilien-Trikots Spottgesänge über sich ergehen lassen. Hier und da weht auch eine deutsche Fahne, zeigt sich jemandm mit einem DFB-Trikot. Doch die Deutschen sind heillos in der Unterzahl. Was allerdings nichts bedeutet. In Belo Horizonte, vor und während des Halbfinalspiels gegen Brasilien, war die Überzahl der gegnerischen Fans erheblich erdrückender.

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