WM kompakt:Harting muss Konsequenzen fürchten

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Der DLV will über die umstrittenen Äußerungen von Weltmeister Robert Harting beraten, die deutschen Weitspringer scheitern in der Qualifikation, Trey Hardee ist der "König der Athleten". WM kompakt

Die verbale Attacke von Diskus-Weltmeister Robert Harting gegen Dopingopfer und Funktionäre wird nach der Leichtathletik-WM ein Nachspiel haben. Dies erklärte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) am Tag nach der Goldmedaille des 24 Jahre alten Berliners. "Wir sind noch nicht zufrieden gestellt. Im Vorfeld hat es von Robert Aussagen gegeben, die nicht nur problematisch sind, sondern auch im Widerspruch zur Position des Verbandes stehen. Ich finde es gut, dass Robert den ersten Schritt gemacht und sich entschuldigt hat. Aber wir werden nach der WM noch einiges aufklären müssen", sagte Prokop. Zugleich wiederholte er in der ARD auch sein Lob für Harting : "Roberts sportliche Leistung war wirklich klasse." Harting, der zusammen mit Prokop in der Sendung auftrat, sagte zu dem Eklat: "Ich denke nicht, dass der WM-Titel ausreicht, um alles vergessen zu machen. Es sind sicher Dinge passiert, die so nicht hätten passieren sollen. Dennoch möchte ich auch meine Position näher erläutern. Mir wurde wehgetan. Dafür wollte ich mich rechtfertigen. Das ist mir aber nicht so gelungen." Der Weltmeister räumte ein: "Im Vorfeld war es eine sehr schwierige Situation für mich. Ich wusste, mit einer Medaille kann ich das einigermaßen ausbügeln und Gold brauche ich, um alles mehr oder weniger in den Schatten zu drücken." Zum Eklat war es nach der WM-Qualifikation am Dienstag gekommen, als Harting die DDR-Dopingopfer attackierte: "Wenn der Diskus aufkommt, soll er gleich gegen eine der Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben - damit sie wirklich nichts mehr sehen. Die Leute, die die Sachen vor den Kopf bekommen, sollen sich Gedanken machen." Später ruderte er kleinlaut zurück. Harting hatte sich von den Dopingopfern provoziert gefühlt, nachdem sie ihn wegen seiner Aussagen zum Doping und der Zusammenarbeit mit Trainer Werner Goldmann kritisierten. Goldmann hat eine Dopingvergangenheit in der DDR.

"Es sind sicher Dinge passiert, die so nicht hätten passieren sollen." Nach seinen umstrittenen Äußerungen rudert WM-Sieger Robert Harting zurück. (Foto: Foto: dpa)

Bei ihrem Sturmlauf zum vierten jamaikanischen Gold hat Melanie Walker den Weltrekord über 400 m Hürden nur hauchdünn verpasst. Die Olympiasiegerin stürmte in 52,42 Sekunden über die Ziellinie und verfehlte die mehr als sechs Jahre alte Bestmarke der Russin Julia Petschonkina nur um acht Hundertstelsekunden. Silber im zweitschnellsten Rennen aller Zeiten ging in 52,96 Sekunden an die in diesem Jahr zuvor noch unbesiegte US-Amerikanerin Lashinda Demus. Bronze gewann Josanne Lucas aus Trinidad und Tobago in 53,20 Sekunden. Im Halbfinale ausgeschieden war die deutsche Meisterin Jonna Tilgner aus Bremen.

Trey Hardee ist als vierter Amerikaner nach Dan O'Brien, Tom Pappas und Bryan Clay Zehnkampf-Weltmeister. Der 25-Jährige aus Texas holte sich die Krone am Donnerstagabend mit 8790 Punkten. Bester Deutscher war der Frankfurter Pascal Behrenbruch mit der persönlichen Bestleistung von 8439 Zählern auf Platz sechs; der Hallenser Norman Müller (8096) wurde 15. Silber erkämpfte vor fast 60.000 Zuschauern der Kubaner Lionel Juarez mit 8640 Zählern vor Alexander Pogorelow aus Russland (8525).

Der mit großen Hoffnungen gestartete Hallen-Europarekordler Sebastian Bayer ist bereits in der Weitsprung-Qualifikation der Leichtathletik-WM in Berlin ausgeschieden. Der Bremer, der im Winter bei der Hallen-EM in Turin 8,71 Meter gesprungen war und als Weltranglisten-Vierter mit 8,49 Meter ins Olympiastadion gekommem war, landete nur bei 7,98 Meter und produzierte zudem zwei Fehlversuche. Ausgeschieden ist auch der Leverkusener Nils Winter, der auf 7,69 Meter kam.

Helge Schwarzer vom Hamburger SV hat am Donnerstag den Einzug in den Endlauf über 110 Meter Hürden verpasst. Der 23-Jährige belegte im dritten Halbfinallauf im Olympiastadion in der Zeit von 13,72 Sekunden nur Rang sieben. "Ich habe an der ersten Hürde einen Schlag abbekommen und bin nicht ins Rennen gekommen. Das ist schade, ich wollte hier besser auftreten, aber ich komme stärker wieder", sagte Schwarzer nach dem Aus. Seine Bestzeit von 13,39 Sekunden, gelaufen bei den deutschen Meisterschaften in Ulm Anfang Juli, hätte zum Weiterkommen gereicht.

Das Finale über 110 Meter Hürden findet erwartungsgemäß ohne deutsche Teilnehmer statt, aber überraschend auch ohne Weltrekordler und Olympiasieger Dayron Robles aus Kuba. Alexander John aus Leipzig kam am Donnerstag nach einem von ihm verursachten Fehlstart nur zögerlich aus den Startblöcken und hatte als Letzter seines Halbfinallaufs in 13,64 Sekunden keine Chance auf den Einzug in das Finale am Abend. Auch der deutsche Vizemeister Helge Schwarzer aus Hamburg war in 13,72 Sekunden als Siebter weit entfernt von diesem Ziel.

Hammerwurf-Titelverteidigerin Betty Heidler hat bei der Leichtathletik-WM in Berlin mit einer Klasse-Weite das Finale am Samstag erreicht. Die gebürtige Berlinerin von der LG Eintracht Frankfurt kam in der Qualifikation am Donnerstag gleich im ersten Versuch auf 75,27 Meter - und damit so weit wie noch nie eine Werferin bei einer Weltmeisterschaft. "Das war schon krass. Cool!", meinte die Goldmedaillengewinnerin von Osaka 2007. Sie blieb auch nur knapp unter ihrer Saisonbestleistung von 75,83.

Der jamaikanische Leichtathletik-Verband (JAAA) wird die fünf des Dopings verdächtigten Läufer nicht für die Staffel-Wettbewerbe bei den Weltmeisterschaften in Berlin melden. "Sie werden nicht laufen. Wir wissen, dass der Verband sie nicht an den Start schicken wird", erklärte IAAF-Sprecher Nick Davies am Mittwoch. Die IAAF hätte eine Teilnahme Yohan Blake, Marvin Anderson, Lansford Spence, Allodin Fothergill und Sheri-Ann Brooks nicht verhindern können, weil es keine Entscheidung des Berufungsgerichts der jamaikanischen Anti-Doping-Agentur (Jadco) vor WM-Ende gibt. Die Jadco hatte gegen den Freispruch der fünf Athleten, die bei den nationalen Meisterschaften positiv auf ein Stimulanzmittel getestet wurden, Einspruch eingelegt.

Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch darf nach der achten Disziplin plötzlich wieder von einer WM-Medaille träumen. Der 25-Jährige verbesserte im Stabhochsprung mit 4,80 m seine Bestleistung um zehn Zentimeter und hat als Achter mit 6870 Punkten den Rückstand auf den Dritten Alexander Pogorelow (Riussland) auf 234 Zähler verkürzt. Für Edelmetall müsste der starke Speerwerfer in der vorletzten Disziplin aber die Konkurrenten deutlich hinter sich lassen. "Ich will jetzt über 70 Meter werfen. Das Publikum ist einfach geil und deswegen fliegt der Speer auch so weit", sagte der Frankfurter, der weiter klar Kurs auf eine Bestleistung hält. Der EM-Fünfte von 2006 liegt bereits 79 Punkte über der Durchgangsmarke seines im Mai aufgestellten Rekords (8374). Im Schatten von Behrenbruch liefern die beiden anderen deutschen Starter durchwachsene Leistungen ab. Der Hallenser Norman Müller übersprang 4,70 und lag als 15. (6672) insgesamt 122 Zähler unter der Durchgangsmarke seiner Bestleistung (8295). Moritz Cleve sprang noch einmal zehn Zentimeter kürzer als Müller und belegte den 28. Platz (6354).

Weltrekordlerin Paula Radcliffe hat ihre Teilnahme am WM-Marathon am Sonntag in Berlin abgesagt. "Ich bin niedergeschlagen, dass ich nicht rechtzeitig in Form gekommen bin, um hier in Berlin das britische Team zu repräsentieren", sagte die 35-Jährige in einer Erklärung des britischen Leichtathletik-Verbandes UK Athletics. Radcliffe hatte noch am Sonntag in New York einen Halbmarathon gewonnen. Sie will jedoch nach einer Fußoperation nichts riskieren, um ihre Laufbahn erfolgreich fortsetzen zu können. "Es ist für mich sehr wichtig, oft Rennen zu bestreiten, zu 100 Prozent gewinnen zu können, damit ich erfolgreich meinen Weg bis London 2012 gehen kann", sagte sie. Die Weltmeisterin von 2005 hält seit dem London-Marathon 2003 in 2:15:25 Stunden den Weltrekord auf der klassischen 42,195-Kilometer-Strecke. "In New York am Wochenende zu laufen, war notwendig, um herauszufinden, wo ich mit meiner Fitness stehe", sagte Radcliffe. Für die Weltmeisterin von 2005 war es der erste Wettkampf seit dem Gewinn des New-York-Marathons am 2. November 2008. Im März musste sie sich einer Fußoperation unterziehen. Bei den Olympischen Spielen in Peking war sie angeschlagen auf Platz 23 gelandet.

Wussten Sie, dass Leichtathletik-Weltmeisterschaften erst dreimal außerhalb Europas stattgefunden haben? In Japan traten die Athleten dafür gleich zweimal an: 1991 in Tokio und 2007 in Osaka. Ein Wahrer "Exot" unter den WM-Gastgebern war 2001 Edmonton in Kanada.

Jamaikas Athleten sind dank des 100-m-Weltrekords von Usain Bolt (9,58 Sekunden) bislang die Top-Verdiener der Leichtathletik-WM in Berlin. 430.000 Dollar (302.000 Euro) hatten sie bis zur Halbzeit am Mittwoch an Preisgeld eingestrichen und damit fast doppelt soviel wie die Deutschen um ihre beiden Weltmeister Robert Harting (Berlin/Diskus) und Steffi Nerius (Leverkusen/Speer). Sie kamen auf einen Verdienst von 252.000 Dollar (177.000 Euro) und liegen damit in der Geldrangliste auf Rang fünf. Vor den Gastgebern rangieren neben Jamaika, das dank des 100.000-Dollar-Bonus für Bolts Weltrekord so gut dasteht, noch die USA (397.000 Dollar/279.000), Russland (310.000/218.000) und Kenia (304.000/213.000). Insgesamt schüttet der Leichtathletik-Weltverband in Berlin Preisgelder in Höhe von 7,336 Millionen Dollar (5,15 Mio. Euro) aus. Für Einzel-Gold gibt es 60.000 (42.000), für Silber 30.000 (21.000) und für Bronze 20.000 Dollar (14.000). Rang acht wird noch mit 4000 Dollar (2811) belohnt. 100.000 Dollar (70.300) zusätzlich winkten für Weltrekorde.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in einer Zwischenbilanz als großen Erfolg bezeichnet. "Die Stimmung im Stadion und in der Stadt ist genial", sagte Wowereit am Donnerstag. "Es ist zwar schade, dass in der ersten Hälfte viele Plätze frei blieben, aber die letzten Tage werden die stärksten sein", sagte Wowereit. Berlin habe seine Chance genutzt, "international ins Zentrum zu rücken". Auch die hohen Quoten der Live-Übertragungen zeigen laut Wowereit den Erfolg. Die Titelkämpfe hätten Sportgeschichte geschrieben und große Emotionen ausgelöst.

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