WM-Kampf Mayweather gegen Álvarez:Fangspiel in Boxhandschuhen

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Floyd Mayweather jr. weicht einer Rechten von Saúl Álvarez aus. (Foto: AFP)

"In meinem nächsten Kampf werde ich ein besserer Boxer sein" - Der junge Mexikaner Saúl Álvarez liefert sich in Las Vegas einen beherzten Kampf gegen den alten Floyd Mayweather jr., wird dem Amerikaner aber nie wirklich gefährlich. Die Geschichte eines Kampfes zwischen zwei Sportlern, die verschiedener nicht sein könnten.

Von Saskia Aleythe

Es ist eine Seltenheit, dass Floyd Mayweather jr. im Boxring das Gesicht verrutscht. Kurz zuvor hatte er nach dem letzten Läuten der Glocke seine blau glänzenden Boxhandschuhe an die Schläfen von Saúl Álvarez gelegt. Zufrieden und euphorisiert, fast um zu sagen: Hey, das haben wir super gemacht! Álvarez lächelte ihn wissend an, dann gingen beide zurück in ihre Ecken. Der Kampf war vorbei, Mayweather hatte sich längst das Siegeroutfit übergestreift, seinen Gegner hatte er über zwölf Runden dominiert.

Ein Jury-Mitglied wertete den Kampf Unentschieden, was nicht nur Mayweather erstaunte. Doch wenige Augenblicke später war klar: Der Amerikaner ist neuer WBA- und WBC-Weltmeister im Superweltergewicht. Das Lächeln saß wieder perfekt. Floyd Mayweather jr. besiegte den Mexikaner Álvarez nach Punkten (114:114, 116:112, 117:111). Damit ist der Linksausleger nun in 45 Kämpfen unbesiegt, während sein Gegenüber die erste Niederlage in 43 Kämpfen verkraften musste.

"Ich bin nicht rangekommen, er ist einfach zu gut, ein wahnsinnig intelligenter Boxer", sagte Álvarez sogleich ins Ringmikrofon, "ich war nie frustriert, aber ich konnte ihn halt nicht schnappen. Er hat einfach mehr Erfahrung."

Gesänge für den "Rotschopf"

Es war ein Duell, das in mehrfacher Hinsicht mit Spannung geladen war: Der 36-jährige Mayweather kämpfte gegen den 23 Jahre jungen Álvarez, der Defensivkünstler Mayweather gegen den Puncher Álvarez, der Selbstdarsteller gegen den Zurückgenommenen. Der Amerikaner gegen den Mexikaner - vor allem das machte Álvarez nach der Niederlage zu schaffen. Die Halle war voll mit seinen boxfanatischen Landsleuten und Sympathisanten, die die Nationalhymne Mexikos vor Beginn inbrünstig mitsangen und "Canelo", den Rotschopf, in den ersten Runden begeistert unterstützten. Doch mit dem Sieg gegen den derzeit als besten Boxer der Welt geltenden Mayweather sollte es trotzdem nichts werden.

Ein bisschen Wehmut muss jetzt in den Amerikanern stecken, schließlich ist eines der größten Sportevents des Jahres der USA seit Sonntagnacht Geschichte. Jack Nicholson, LL Cool J, Denzel Washington, Magic Johnson, Michael Phelps: Die Liste prominenter Zuschauer in der Arena war lang. Gut 16.000 Menschen hatten sich bereits in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe des Kampfes ein Ticket gesichert, die Halle war damit schon ausverkauft bevor die Zeitungen in Amerika den Termin abdrucken konnten. Las Vegas war ausgebucht an diesem Abend.

In den vergangenen Wochen wurde die größtmögliche Dosis an Vorfreude in den USA verteilt. Die Boxer selbst absolvierten eine neuntägige Promotour, damit sich möglichst viele Boxfans den 75 Dollar teuren Showtime-Kampf im Fernsehen sicherten. Der Sender war zuversichtlich, den Umsatzrekord mit über 2,5 Millionen Verkäufen zu brechen.

Nun: Der Kampf wurde den Ankündigungen gerecht. Álvarez war ein mehr als würdiger Gegner, doch Mayweather zeigte, wofür er berühmt ist: Seine Defensivkünste, seine blitzschnellen Konter, seine Fähigkeit, den Gegner zu lesen. Und sein Talent für Unterhaltung. Beim Einlaufen ließ er sich auf der einen Seite von Kreisch-Auslöser Justin Bieber begleiten, auf der anderen Seite von Lil Wayne. Álvarez verzichtete auf prominente Unterstützer.

In den Kampf starteten beide mit einem fokussierten Herantasten, bei dem schon klar wurde, dass es ein intensiver Abend werden würde. Sie bewegten sich viel im Ring, Álvarez versuchte es mit Körpertreffern, Mayweather mit Jabs. Zu aggressiv wollte keiner in den Gegner gehen. Ende der dritten Runde konnte Álvarez dem Amerikaner im Konter einen Haken versetzen - einer seiner gefürchteten Wirkungstreffer war das aber nicht.

In der vierten Runde fand Mayweather dann große Lücken in Álvarez' Deckung. Was den Mexikaner aber am meisten nervte: Er kam nicht heran an den hastig zurückschnellenden Gegner. Álvarez boxte etliche Löcher in die Lufte und musste manchmal aufpassen, nicht vornüber zu fallen. Der Kampf hatte zeitweise eher den Charakter eines Fangspiels als den einer Vollkontaktsportart. Álvarez lähmte das bisweilen, in der siebten Runde drängte ihn der Amerikaner in eine Ecke und Álvarez verharrte, etwa 30 Sekunden lang, ließ sich Aufwärtshaken und Körpertreffer verpassen.

Ab und zu konnte Álvarez seinen Gegner auch in die Seile drängen, und dann bekam sogar Mayweather etwas ab. Allerdings nichts, was ihn ins Wanken gebracht hätte. In der elften Runde schoss die linke Faust von Álvarez an Mayweather vorbei in die Seile, der Amerikaner nutzte die Gelegenheit, sich danach in die Mitte des Rings zu stellen und zu gucken, ob außerhalb jemand getroffen worden war. Diese Demütigung gönnte er sich dann doch.

Auch wenn Álvarez als Verlierer den Ring verlassen musste, hat er durch den Kampf gegen Mayweather viel gewonnen. Die USA Today hatte zuvor geschrieben: "Ob Canelo gewinnt, ist irrelevant. Sein Versuch allein wird schon ein Spektakel sein." Das hat ihn mindestens sechs Millionen Dollar reicher gemacht, Mayweather mindestes 41,5. Eines hat Álvarez Mayweather trotzdem voraus: "Ich bin erst 23 Jahre alt und nehme das als Erfahrung mit, aus der ich lernen werde. In meinem nächsten Kampf werde ich ein besserer Boxer sein." Mit 23 Jahren liegt die Zukunft im Boxsport noch vor ihm.

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