Wladimir Klitschko:Bumm, bumm, k. o.

Wladimir Klitschko umklammerte seine Gegner, seine rechte Gerade war berüchtigt. Elf Jahre lang blieb der Boxer so unbesiegt. Nun hört er auf. Seine Karriere in Bildern.

Von Saskia Aleythe

Es hatte sich in den vergangenen Wochen angedeutet, nun ist es offiziell: Wladimir Klitschko tritt nicht mehr zum Rückkampf gegen Weltmeister Anthony Joshua an, der 41-Jährige beendet seine große Boxkarriere. Ein Blick auf seine Laufbahn.

1 / 18
(Foto: da)

Über die Existenz eines Box-Gottes wurde in der Geschichte des Sports nur selten philosophiert, aber wenn es jemals einen gab, hätte er sich den Parade-Boxer wohl genau so geschnitzt: zwei Meter groß, Muskeln aus Stahl und dann auch noch mit gewinnendem Charisma versehen. Die Geschichte von Wladimir Klitschko (li.) ist untrennbar mit der seines Bruder Vitali verwoben. Als das doppelte Lottchen des Boxens prägten sie das Schwergewichtsboxen. Und die Szene dankte es ihnen mit jeder Menge Aufmerksamkeit. Am Klitschko-Duo konnte sich manch einer kaum sattsehen, kaum ein Fotoshooting absolvierten sie solo. Leichtgewicht Artur Grigoran (Mi.) stellte sich bei dieser Aufnahme aus dem Jahr 1998 mutig dazwischen.

2 / 18
(Foto: da)

Am 25. März 1976 kam Wladimir zur Welt, als Sohn eines sowjetischen Offiziers und einer Lehrerin. Bruder Vitali war da bereits vier Jahre alt und sollte ihm den Weg in vielen Lebensphasen vorgeben. Die Familie lebte einige Jahre in der ehemaligen Tschechoslowakei, später in Kiew. Im Alter von 14 Jahren begann Wladimir mit dem Boxen, Vitali hatte da schon einige Erfolge eingeheimst, unter anderem als Kickboxer der sowjetischen Nationalmannschaft.

3 / 18
(Foto: imago/Horstmüller)

1996 sollte eigentlich das Jahr des großen Bruders Vitali werden: Er hatte sich auf die Olympischen Spiele in Atlanta vorbereitet und träumte von der Goldmedaille. Doch bei einer Dopingprobe im Vorfeld wurde ihm die Einnahme eines Steroids nachgewiesen, er wurde gesperrt. Immer gut, wenn man noch einen im Angebot hat: Wladimir Klitschko wurde nachnominiert, reiste in die USA und wurde mit 20 Jahren Olympiasieger im Superschwergewicht. Er war der erste weiße Boxer, dem das seit drei Jahrzehnten gelungen war.

4 / 18
(Foto: DPA)

Im Amateurbereich hatte Wladimir damit alles erreicht, nach 140 Kämpfen wechselte er ins Profilager. Wie sein Bruder unterschrieb er einen Vertrag beim Universum-Boxstall in Hamburg, sein Trainer wurde der mittlerweile verstorbene Fritz Sdunek (re.). In den ersten Jahren legte Klitschko ein wahnsinniges Tempo vor, kämpfte manchmal zwei Mal pro Monat. 24 Kämpfe hintereinander knockte er seine Gegner fast ausnahmslos vorzeitig aus, in seinem 25. Kampf wollte er seine Boxkünste in seiner Heimat Kiew vorführen. Doch das Vorhaben endete mit seiner ersten Pleite: Er verlor völlig überraschend gegen Ross Puritty. Zwar dominierte er den US-Amerikaner, aber Klitschko fiel am Ende des Kampfes in ein Konditions-Loch. Sdunek nahm ihn in der elften Runde aus dem Ring.

5 / 18
(Foto: da)

Wladimir Klitschko gegen Axel Schulz, das klingt aus heutiger Perspektive schmerzhaft, und so war es auch damals, im September 1999 in Köln. Schwer getroffen kletterte Schulz aus dem Ring, die Augen zugeschwollen, in der achten Runde lag der Deutsche final auf dem Ringboden. Es ging nur um den EM-Titel, aber für Schulz war es gleichbedeutend mit dem Karriereende. Und für Klitschko? Dem stand die Boxwelt offen. Im Laufe der Jahre entwickelte er seinen linken Jab zur Zermürbungswaffe, meist war das in Kombination mit der rechten Geraden schon in den ersten Runden so wirkungsvoll, dass Klitschko nur kurze Arbeitseinsätze zu leisten hatte. Er wurde auch für seine Turbo-Siege berühmt.

6 / 18
(Foto: da)

Getrieben von den Plänen ihres Promoters gingen die Klitschkos nach Amerika, dem Land des Schwergewichtsboxens. Im November 1999 besiegte Wladimir in Las Vegas Phil Jackson mit einem Niederschlag in der zweiten Runde. Sein Bruder Vitali hatte bereits im Vorjahr seine Künste gegen den Jamaikaner Ricardo Kennedy in Miami gezeigt. Die amerikanische Presse feierte die Brüder, aber das sollte sich bald wieder ändern. Im April 2000 verlor Vitali Klitschko gegen den US-Amerikaner Chris Byrd, doch Wladimir rächte ihn: Im Oktober 2000 bezwang er eben jenen Byrd (re.) in Köln einstimmig nach Punkten - und schnappte sich damit auch seinen ersten WM-Titel (der WBO). Noch im Ring verlautbarte Waldimir Klitschko: "Erstens: Wir sind keine Weicheier. Zweitens: Ich bin Weltmeister. Drittens: Ich liebe meinen Bruder." Damit war alles gesagt.

7 / 18
(Foto: imago sportfotodienst)

Die Marketing-Maschine der Klitschkos war damals längst angelaufen. Zwei Brüder, die ihre Gegner zumeist nach wenigen Runden K.o. schlagen und Weltmeister im Schwergewichts-Boxen sind, das lässt sich auch dem sport-unaffinsten Menschen des Planeten verkaufen. Vitali und Wladimir tigerten durch Fernsehshows von Stefan Raab über Harald Schmidt bis hin zu Wetten, dass..?. Immer stilbewusst, versteht sich. Dass beide mehr als gerade Sätze herausbringen konnten und sich nie zum Bad-Boy-Gehabe ihrer Szene verleiten ließen, sollte sie auch im Fortgang ihrer Karriere von den meisten anderen Boxern unterscheiden. Und ihnen einen Werbespot für Süßigkeit bescheren.

8 / 18
(Foto: Marianne Müller/imago)

In Amerika sammelte Klitschko wieder Beliebtheitspunkte, vor allem seine Titelverteidigungen gegen Ray Mercer und den schlagkräftigen Jameel McCline im Jahr 2002 sorgten für Aufsehen. Selbst George Foreman war beeindruckt. Und Mike Tyson meinte: "Klitschko ist definitiv der Champion der Zukunft." Zu dieser Zeit kam er auch zu seinem Spitznamen Dr. Steelhammer. Doch der Stahlhammer funktionierte im März 2003 zunächst nicht so gut: In Hannover stieg Klitschko gegen den 37-jährigen Südafrikaner Corrie Sanders in den Ring - und fand sich dann insgesamt vier Mal am Ringboden wieder. Der Niederschlag gleich in der ersten Runde schien ihn völlig aus dem Konzept gebracht zu haben. "Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren kann", sagte Klitschko und arbeitete die Niederlage auch mithilfe eines Mentaltrainers auf.

9 / 18
(Foto: Brendan Mcdermid/dpa)

Mit Kämpfen um den WBA-Interkontinental-Titel holte sich Wladimir Klitschko Selbstbewusstsein zurück, im April 2004 wollte er dann in Las Vegas das große Comeback mit der Zurückeroberung des WBO-WM-Gürtels besiegeln. Doch er hielt sich nur fünf Runden gegen den Amerikaner Lamon Brewster und musste dann schwer geschlagen das technische K.o. hinnehmen. "Er ist psychisch zusammengebrochen", befand Fritz Sdunek, der Klitschko zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr trainierte, die Brüder hatten sich Anfang des Jahres vom Universum-Boxstall getrennt.

10 / 18
(Foto: Frank May/dpa)

So mancher hatte ihn da schon am Ende seiner Karriere gesehen, doch Wladimir hatte noch lange keine Lust, mit dem Boxen aufzuhören. Er berappelte sich langsam wieder, konnte aber in den drei Siegen nach dem Desaster gegen Brewster boxerisch nicht wirklich überzeugen. Gegen den Nigerianer Samuel Peter zeigte er eine spezielle Qualität: Obwohl er gleich dreimal umgehauen wurde, trotzte Klitschko seinem Glaskinn und gewann einstimmig nach Punkten. Im April 2006 kletterte Wladimir wieder auf den Boxthron, diesmal mit einer vielversprechenden Leistung: Er bezwang eben jenen Chris Byrd erneut, gegen den er schon sechs Jahre zuvor seinen ersten Titel gewonnen hatte. Nun gab es sogar noch einen dazu: Klitschko war mit dem technischen K.o. in der siebten Runde IBF- und IBO-Weltmeister. "Meine besten Kämpfe werden erst noch kommen", versprach er.

11 / 18
(Foto: da)

Und mit dieser Ankündigung sollte Klitschko Recht behalten. Er verteidigte seine WM-Titel in den folgenden neun (!) Jahren stets erfolgreich, unter anderem gegen jenen Lamon Brewster, der ihm den WBO-Gürtel abgeknöpft hatte. Im Juli 2007 traten die beiden in Köln wieder gegeneinander an, selbst das goldene Höschen nützte dem Amerikaner nichts. Klitschko besiegte ihn trotz gebrochener linker Hand, Brewster gab in der sechsten Runde angeschlagen auf.

12 / 18
(Foto: Martin Rose/Getty Images)

In der Folgezeit versuchte es Klitschko noch einmal in Amerika, doch trotz erfolgreicher Titelverteidigung konnte sich das Publikum nicht mehr mit ihm anfreunden, als zu unspektakulär empfand es seinen Boxstil. Zusammen mit seinem Bruder hatte Wladimir mittlerweile eine eigene Vermarktungsagentur gegründet, die sich in Zukunft rentieren sollte: Der Kampf gegen David Haye im Juli 2011 in Hamburg sprengte alle, nun ja, Aufmerksamkeitsdimensionen. Haye hatte Klitschko bereits zwei Jahre zuvor herausgefordert und war zur Pressekonferenz mit einem T-Shirt erschienen, das die abgetrennten Klitschko-Köpfe zeigte. Das Duell fand wegen einer Verletzung Hayes zwar nicht statt, aber die Basis für eine wunderbare Feindschaft war geschaffen.

13 / 18
(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Als das Duell dann tatsächlich stattfand, saßen 15,5 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen, so viele wie noch nie in Deutschland bei einer Boxübertragung. Und sie wurden nicht enttäuscht: Der Kampf ging über die volle Distanz, mit spannenden Manövern auf beiden Seiten. Am Ende siegte Klitschko einstimmig nach Punkten und hatte nun mit dem WBA-Gürtel die vier wichtigsten WM-Titel gleichzeitig inne. Die WBA ernannte ihn zum Superchampion. Sein Trainer Emanuel Steward konnte das noch miterleben, verstarb im Folgejahr aber an Darmkrebs. Klitschko machte seinen Sparringspartner Jonathon Banks zum Trainer.

14 / 18
(Foto: Maxim Shipenkov/dpa)

Es gibt eine Taktik, die viele Boxfans Wladimir Klitschko übel nehmen: Seine Neigung zum Klammern und "Auf-den-Gegner-stützen" finden Ästheten des Sports nicht gerade attraktiv. Manch einer behauptet gar, ohne seine Größe von 1,98 Metern wäre seine Karriere weit weniger erfolgreich verlaufen. Tatsächlich ragte nur selten einer seiner Gegner auf Augenhöhe an ihn heran. Trotz der zehn Zentimeter Höhenunterschied war der Russe Alexander Powetkin (Mi.) im Oktober 2013 eine harte Nuss für Klitschko. Er bezwang er ihn trotzdem einstimmig nach Punkten.

15 / 18
(Foto: Weißfuß/imago)

Privat ging es bei Wladimir Klitschko mitunter turbulent zu. Noch vor seinem 20. Geburtstag heiratete er seine Jugendliebe, doch schon zwei Jahre später ließ sich das Paar wieder scheiden. Es folgten Sportler-typische Beziehungen zu Models und Schauspielerinnen, mittlerweile ist Wladimir Familienvater: Mit Freudin Hayden Panettiere bekam er im Dezember 2014 eine Tochter.

16 / 18
(Foto: Dennis Grombkowski)

Während sein Bruder längst in die ukrainische Politik gewechselt war, kämpfte Wladimir immer weiter. In seinem 68. Profikampf traf er auf den Briten Tyson Fury, der sich im Vorfeld recht speziell Aufmerksamkeit verschaffte. Frauen- und schwulenfeindliche Ansichten, gepaart mit Albernheiten bei jedem öffentlichen Auftritt - Fury war der merkwürdigste Herausforderer seit langem.

17 / 18
(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Doch am 28. November 2015 gelang Fury dann das, was vor ihm elf Jahre lang niemandem geglückt war: Er besiegte Wladimir Klitschko. Mit 2,06 Meter hatte er einen Größenvorteil, eine ungewohnte Situation für Klitschko, der mit dem unorthodoxen Stil von Fury nichts anfangen konnte. Er verlor einstimmig nach Punkten. Klitschko war so geschockt von der Niederlage, dass er sich zunächst nicht mal richtig ärgern konnte. Mit 39 Jahren und dem Verlust aller WM-Gürtel war ein Rücktritt plötzlich ein recht wahrscheinliches Szenario.

18 / 18
(Foto: Sascha Steinbach/Getty Images)

Doch auf diese Art und Weise seine große Karriere beenden? Das wollte Klitschko nicht. Stattdessen vereinbarte er einen Rückkampf gegen Fury, der allerdings zweimal wegen angeblicher Verletzungen des neuen Weltmeisters abgesagt wurde. Im Herbst 2016 bezeichnete sich Fury selber als drogenabhängig, äußerte Suizidgedanken und wurde in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Er verlor seine Boxlizenz und die WM-Gürtel. Auch Klitschko machte eine schwierige Phase in seiner Karriere durch: Er konnte über ein Jahr lang nicht boxen. Zwischendurch trat er an der Universität St. Gallen als Dozent in einem Management-Studiengang auf.

Im November 2016 machte er doch weiter: Der nächste Kampf und damit die Chance, doch wieder Weltmeister zu werden, wurde vereinbart. Anthony Joshua (li.) war einst sein Sparringspartner, mittlerweile ist er zum IBF-Weltmeister avanciert. Klitschko, mittlerweile 41 Jahre, sagte vor dem Kampf: "Mein Ego ist angekratzt, und nun werde ich alles tun, um wieder aufzustehen." Doch Klitschko verlor im April im Wembley-Stadion vor 90 000 Zuschauern nach technischem K.o. Es war ein denkwürdiger Kampf - es war Klitschkos letzter Kampf. In den Wochen danach wurde spekuliert, ob es zu einem Rückkampf kommen werde oder ob Klitschko die Boxhandschuhe für immer auszieht. Wladimir Klitschko entschied sich für das Karriereende.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: