Wintersport: Biathlon:Aufhören, wenn man am schnellsten ist

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Biathletin Simone Hauswald läuft allen davon und will ihre Karriere beenden - der Entschluss wirkt wie die logische Folge ihrer Laufbahn.

Volker Kreisl

Manche Sportler können machen, was sie wollen - sie fallen nicht auf, zumindest nicht der Masse der Zuschauer. Sie können Weltcups gewinnen, oder über Monate beweisen, dass sie zur Weltspitze gehören, sie können die Phase des Talentes hinter sich lassen und gehaltvolle Dinge sagen über das Sportlerleben, und sie können schließlich WM- und Olympiamedaillen erringen - im Rampenlicht bleiben die anderen. Für Simone Hauswald, die 30-Jährige, die am Freitag verkündete, dass ihre Karriere am nächsten Sonntag enden wird, war es das Thema ihrer der Laufbahn.

Bei den Olympischen Spielen in Vancouver hatte sie eine Bronzemedaille im Massenstart geholt. Danach entstand wie immer dichter Andrang am Pressezelt, wo die erfolgreichen Deutschen Auskunft gaben, mehr als 30 Reporter versammelten sich um die Hauptdarstellerin, aber von Simone Hauswald war zunächst keine Spur. Die Hauptdarstellerin hieß Magdalena Neuner, Hauswald war abgedrängt worden, und irgendwann stand sie dann doch ganz vorne. Der Pressesprecher hatte ihr den Weg frei gemacht.

Als Simone Hauswald Olympiabronze holte, gewann Neuner Gold. Als sie Silber im Sprint bei der WM 2009 in Südkorea - in der Heimat ihrer Mutter - holte, gewann Kati Wilhelm Gold. Als sie im Alter von 29 Jahren ihre ersten Weltcups gewann und den Makel der ewigen Viertplatzierten ablegte, da war die Saison entweder zu jung oder zu alt, und es waren kaum Reporter da. Simone Hauswald schrieb trotz ihrer immer besseren Leistungen stets nur Nebengeschichten des immer größeren Biathlonsports, und viel mehr Resonanz wird es wohl auch jetzt nicht geben, nachdem sie alle drei Einzelrennen auf derselben Weltcup-Station gewonnen hat.

Hauswald ist in Oslo Sprint-, Verfolgungs- und Massenstartsiegerin geworden, aber sie hatte am Freitag ihren Rücktritt erklärt, nur bis zum Saisonende am nächsten Sonntag in Chanty-Mansijsk/Sibirien will sie noch laufen. Hauswald hat in Oslo im neugebauten Skistadion am Holmenkollen - jenem Ort, in dem der nordische Wintersport angeblich zu Hause ist - ihre Überlegenheit bewiesen. Am Schießstand und in der Loipe ist zurzeit niemand besser. Auch ihre Nervenstärke ist beeindruckend. Hauswald trifft längst auch unter Druck wie im letzten Stehendschießen des Massenstarts, in dem sie Tempo und Präzision erhöhte und schneller und sicherer schoss als alle anderen. Macht sie nächste Woche so weiter, dann könnte sie sogar Magdalena Neuner noch gefährden bei ihrem Plan, den Gesamtweltcup zu gewinnen. Neuner wurde im Massenstart zwar Dritte, aber ihr Vorsprung beträgt nun nur noch 42 Punkte auf Hauswald.

Die stand in Oslo also an der Spitze der deutschen Delegation, zumal die Männer - abgesehen vom überraschenden zweiten Verfolgungsplatz Simon Schempps - nichts mit dem Kampf um den Sieg zu tun hatten. Es war wie bei der WM in Südkorea, wie bei Olympia in Vancouver ein persönlicher Triumph für die Sportlerin aus Gosheim. Ein Beweis dafür, dass ihre spät entdeckte Methode, mehr mit innerer Balance als mit übergroßem Ehrgeiz ihre Ziele anzugehen, die richtige war. Doch wieder wird Simone Hauswalds Erfolg von einer noch dringenderen Nachricht überlagert, diesmal ist es nicht das Gold der anderen, sondern der eigene Rücktritt und die Frage, warum sie ausgerechnet jetzt aufhören muss, wo sie am schnellsten ist.

Die Antwort dürfte in ihrer Karriere liegen. Hauswald hat sich über ihre Erfolge übermäßig gefreut, sie wirkte glücklicher als viele Sieger, aber sie musste doch immer erkennen, dass Erfolg relativ ist. Nun hat sie Prioritäten gesetzt, die berufliche Zukunft und die Familie, man könnte sagen - das ist eine logische Konsequenz. Nach dem dritten Sieg in Oslo sagte sie, ihr Entschluss stehe fest. Sie wolle aufhören, wenn es am schönsten ist: "Jetzt ist es noch schöner, also gilt das umso mehr."

© SZ vom 22.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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