Wintersport:2000 Höhenmeter auf Zahnstochern

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"Ich finde es schön, dass man draußen in der Natur in unpräpariertem Gelände trainiert": David Sambale (im roten Anzug), hier beim Weltcup-Finale der Skibergsteiger Ende März im italienischen Madonna di Campiglio. (Foto: Nils Lang/oh)

David Sambale ist einer der talentiertesten deutschen Skibergsteiger - in einem Sport, der kaum bekannt ist, aber 2026 olympisch wird. Am Sonntag startet der 21-jährige Immenstädter zum Weltcup-Auftakt in seiner Paradedisziplin.

Von Nadine Regel

Wolkenloser Himmel, strahlender Sonnenschein, Temperaturen um null Grad und damit moderat: Die Wettkampfbedingungen könnten in Ponte di Legno nicht besser sein. "Genug Schnee hat es für den Wettkampf auch", sagt David Sambale nach seiner Ankunft am Telefon. Der Immenstädter ist einer von vier deutschen Athleten, die beim Saisonauftakt der Skibergsteiger in dem kleinen Ort in der norditalienischen Provinz Brescia an den Start gehen. Diese Saison steht unter einem besonderen Stern, weil seit dem vergangenen Juli feststeht, dass Skibergsteigen 2026 sein Olympia-Debüt feiern wird. David Sambale gilt als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf einen der maximal vier deutschen Startplätze.

Die Mischung aus ausdauerndem Hochsteigen, technischen Anforderungen und anspruchsvollen Abfahrten, das mache den Sport für den 21-Jährigen so faszinierend. "Ich finde es schön, dass man draußen in der Natur in unpräpariertem Gelände trainiert", sagt Sambale. Schon mit vier Jahren machte er seine erste Skitour. Er stieg mit seinen Alpinski, einfachen Skischuhen und besonderen Einsätzen für die Bindung mit seinem Vater das Riedberger Horn hinauf. Sogenannte Felle unter den Ski sicherten ihm Halt, sodass er sich schon in jungen Jahren gezielt nach oben arbeiten konnte. Die Begeisterung für den Sport ist geblieben, das Material ist besser, aber auch deutlich minimalistischer geworden.

Heute ist David Sambale quasi auf Zahnstochern in den unterschiedlichsten Schneebedingungen unterwegs. 65 Millimeter messen seine Ski unter der Bindung. Im Vergleich: Freeride-Ski, die eigentlich für das Gelände gedacht sind, sind fast doppelt so breit und meistens länger als die eigene Körpergröße. Der 178 Zentimeter große und 58 Kilogramm schwere Sambale jagt auf 161 Zentimeter langen Ski durch den Schnee - der Auftrieb ist entsprechend gering. Auch der Rest der Ausstattung ist aufs Minimum reduziert: ein enger Laufanzug, ein schmales Stirnband, dünne Lederhandschuhe, schlanke, aufstiegsorientierte Skischuhe, ein Helm und die Lawinensicherheitsausrüstung.

Das Skibergsteigen als Wettkampfdisziplin gibt es schon seit etwa 20 Jahren in Deutschland. Aber die Strukturen sind neu. "Erst seit drei Jahren gibt es das Skimo-Team inklusive Kaderaufstellung, so wie wir es jetzt haben", sagt Thomas Bösl, der ebenso lange Bundestrainer der Skibergsteiger ist. Obwohl das Skibergsteigen, das im Englischen Skimountaineering (kurz Skimo) heißt, als die Urform des Skifahrens gilt. Die ersten Skifahrer tourten durch die Alpen, um sich auch im Winter im Gebirge fortbewegen zu können. "Dass wir jetzt olympisch werden, ist natürlich sehr gut für den Sport", sagt Bösl. Auch für den Bekanntheitsgrad nach außen. "Die Leistung unserer Athleten und Athletinnen ist absolut gleichzustellen mit der beim Biathlon", sagt der 47-Jährige.

Junge Olympiahoffnung: Sambale ist eines der Talente, die gute Chancen haben, 2026 bei den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo erstmals um Medaillen im Skibergsteigen zu kämpfen. (Foto: Nils Lang/oh)

Zumal auch das Skibergsteigen sehr technisch ist. Es gibt insgesamt drei Disziplinen. Beim "Vertical" geht es darum, so schnell wie möglich Höhenmeter zu machen und den Berg hinaufzulaufen. Das "Individual" kombiniert Auf- und Abstieg, wobei die Herren bis zu 2000 Höhenmeter im Aufstieg und der Abfahrt überwinden müssen. Zudem gibt es technische Details: Zwischendrin müssen sie ihre Ski an- und abfellen und Trage- und Gehpassagen überwinden. Die dritte Disziplin, der Sprint, ist eine komprimierte Form des Individual und läuft auf speziell präparierten Strecken ab. Für Olympia sind insgesamt fünf Medaillensätze im Gespräch. Dabei vertretene Disziplinen sind das Individual, der Sprint und eine Mixed-Staffel mit doppelter Sprintlänge.

Seine bisher erfolgreichste Saison hatte David Sambale vergangene Saison, als er das erste Mal in der Altersklasse U23 an den Start ging. Bei der Weltmeisterschaft in Andorra errang er beim Individual eine Silbermedaille. Hinzu kamen einige Top-fünf-Platzierungen im Weltcup. "Über Motivation denke ich nie nach", sagt Sambale. Im Gegenteil: Ihm falle eher auf, wenn er mal nicht trainiere. Der Sport sei ein fester Bestandteil seines Lebens. Durch die Sportförderung der Bundeswehr hat er genügend Freiraum, zweimal täglich zu trainieren und Jura in München zu studieren. "Das ist aber im Moment zweitrangig", sagt Sambale. Obwohl er es schon schätze, in den trainingsfreien Zeiten am Tag noch etwas anderes zu tun zu haben.

Woher er die Sportbegeisterung hat? "Da bin ich familiär vorbelastet", sagt Sambale. Sein Vater, der ihn auch trainiere, sei in der Berglauf-Nationalmannschaft gewesen, seine Mutter habe auch Berg- und Langlauf als Leistungssport betrieben. Seine zwei jüngeren Geschwister seien sportlich, aber nicht auf Leistungsniveau unterwegs. "Das Training mit meinem Vater läuft sehr harmonisch ab", sagt der Allgäuer. Wenn es mal Unstimmigkeiten gebe, dann nur auf Sachebene.

Am Freitag lief es für Sambale in Ponte di Legno sehr ordentlich, im Vertical am Berg Adamello kam er knapp zwei Minuten nach dem Sieger Paul Verbnjak ins Ziel und wurde in der Altersklasse U23 Achter. Am Sonntag wird sich dann zeigen, ob sich das Sommertraining aus Rennradfahren, Skirollern und Berglaufen von 25 Wochenstunden ausgezahlt hat. Dann geht der junge Mann mit den Zahnstochern in seiner Paradedisziplin Individual an den Start.

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