Wettskandal:Brandheiße Infos in den Katakomben

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Wettfirmen meldeten, beim Zweitligaspiel zwischen Oberhausen und 1860 München werde womöglich betrogen. Der DFB beruhigt - die Klubs sind verärgert.

M. Kielbassa

Der Heimspielort des Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen ist ein anachronistisches Bauwerk. Das Stadion Niederrhein, in Sichtweite des Emscher-Schnellwegs (A42), hat mit multifunktionalen Fußballarenen nichts gemeinsam, es wurde 1926 erbaut und zuletzt vor elf Jahren renoviert, die Gegengerade teilt ein denkmalgeschützter Uhrenturm.

Marinko Miletic würde am liebsten im Erdboden versinken, nachdem sein Eigentor beim potentiell verschobenem Spiel zwischen RWO und 1860 die Partie entschieden hat. (Foto: Foto: dpa)

Am Sonntagmittag, kurz nach eins, erreichte diesen Ort ein Fluch der Fußballmoderne - als der frühere Fifa-Schiedsrichter Hellmut Krug in die Katakomben eilte und beiden Mannschaften, RWO und 1860 München, eröffnete, ihr Spiel stehe unter Manipulationsverdacht.

Dieser Tage ist der Vorfall besonders pikant, ständig kommen neue Details im Wettskandal ans Licht, aus der Ermittlungsakte "Flankengott" der Bochumer Staatsanwälte. Und nun auch das noch: eine weitere mysteriöse Partie aus Liga zwei. Angeblich wurden am internationalen Wettmarkt hohe Beträge auf eine Oberhausener Niederlage gesetzt. Inzwischen gilt der Fall jedoch als mutmaßlich gegenstandlos.

1:0 hat 1860 München das Verdachtsspiel gewonnen, durch - es musste wohl so kommen - ein Eigentor von Marinko Miletic (63.). "Stinksauer" sei er nun über das böse Gerede, sagte der Verteidiger dem Internetportal reviersport.de: "Dass mein Name genannt wurde, ist richtig mies. Ich habe nichts gemacht. Ich habe zu hundert Prozent nichts zu verbergen, von mir aus kann jeder mein Telefon abhören." So weit ist es gekommen im Nebel von Mutmaßungen und Verdächtigungen, dabei genügte bei Miletic als Entlastung der Augenschein. Falls sein Abfälschen des Balles ins eigene Tor eine geplante Aktion war, dann ist er ein Zauberkünstler.

Hunderte Menschen beobachten nur Wettbewegungen

Auch in der Frankfurter Verbandszentrale kam man am Montag zur Erkenntnis, dass auf dem Rasen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Die vom DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) eingesetzte Taskforce "Spielmanipulation" erkannte "bei der Analyse des Spielverlaufs vor Ort, der TV-Bilder sowie der Auswertung des Schiedsrichterberichts keine Auffälligkeiten".

Am Spieltag hatten die Warnsysteme des DFB-Partners Sportradar "gravierende Ausschläge auf dem internationalen Wettmarkt" gemeldet, wie DFB-Vizepräsident Rainer Koch bekanntgab.

Es folgte das in solchen Fällen übliche Procedere. Der Schiedsrichter-Beobachter im Stadion, Hellmut Krug, setzte beide Teams und die Unparteiischen in Kenntnis. Ein weiterer Fifa-Schiedsrichter, Thorsten Kinhöfer, nahm das Spiel auf der Tribüne genau unter die Lupe.

Seit dem Hoyzer-Skandal 2005 handelt der DFB nach diesem Regiebuch. Die Firma Sportradar (ehemals: Betradar), eine Art Geheimdienst der internationalen Zockerbörsen, untersucht Quotenveränderungen bei Wettanbietern in aller Welt, in Zwei-Minuten-Intervallen. Bei Auffälligkeiten werden automatisch Warnungen verschickt, per E-Mail oder SMS. Das in Norwegen entwickelte System gibt es seit 2001, hunderte Mitarbeiter beobachten Wettvorgänge.

Die Frühwarnmechanismen der Verbände haben jedoch ein signifikantes Problem: Sie sind wirkungslos gegen jene neue Form von Live-Wetten, die im Zentrum der in Bochum untersuchten Fälle stehen. Hierbei werden erst während des Spiels Einsätze abgegeben, dann kann der Verband nicht mehr (wie am Sonntag) intervenieren. "Manipulatoren wetten heute erst, wenn die Spiele schon laufen", weiß der Uefa-Experte für Wettbetrug, Peter Limbacher, "manchmal wird sogar versucht, uns zu täuschen, indem vor dem Spiel hohe Wetten eingehen, die kurz vor Beginn abgezogen und auf die andere Mannschaft gesetzt werden."

Vereine befürchten "Generalverdacht"

Im aktuellen Wettskandal gab es bisher keine DFB-Verdachtsspiele nach Hinweisen von Sportradar. In den Vorjahren meldete die Firma der Uefa zahlreiche auffällige Partien aus internationalen Wettbewerben, fast alle aus Osteuropa. Das Vorgehen des DFB in Oberhausen - gedacht als Abschreckung für Spieler mit möglichen betrügerischen Absichten - wurde von beiden Vereinen kritisiert.

Rot-Weiß Oberhausen wehrte sich gegen einen "Generalverdacht ohne Beweise" und forderte gegen "weiteren Schaden" eine "schnellstmögliche Aufklärung" durch den DFB. Dieser machte keine Angaben, in welche Richtung unredlich gewettet worden sein soll. In Oberhausen reagierte man besonders sensibel, weil es schon 2005 unbewiesene Gerüchte über RWO-Spiele gab. "Ich finde es ungeheuerlich, auf Verdacht einen Verein so an die Wand zu nageln", grollte Sportdirektor Hans-Günther Bruns.

Auch 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers ärgerte sich nach dem Sieg über den "üblen Beigeschmack durch leichtfertige Spekulationen". Immerhin hatte 1860 schon vor dem Spiel inoffiziell erfahren, dass es - wenn überhaupt - um eine gesteuerte Niederlage des Gegners gehe, also keine 1860-Spieler möglicher Manipulationen verdächtig seien.

Dass der georgische Verteidiger der Löwen, Mate Ghvinianidze, kurz vor dem Anpfiff vom Aufstellungsbogen verschwand, hatte nichts mit dem Wettvorfall zu tun. Er hatte 1860-Trainer Ewald Lienen massiv verärgert, weil er seine Stollenschuhe in München vergessen hatte.

© SZ vom 08.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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