Volleyball-WM:Raus aus dem Hexenkessel, rein in den Hexenkessel

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Als Trainer und Mutmacher gefragt: Nationaltrainer Michal Winiarski (im schwarzen Shirt) während einer Auszeit im Vorrundenspiel gegen Slowenien. (Foto: Jure Makovec/AFP)

Bei der Vorrunden-Niederlage gegen Slowenien offenbart das Nationalteam einen erheblichen Mangel an Stressresistenz. Nun gibt es Gelegenheit zur Revanche: Der Achtelfinal-Gegner ist erneut Slowenien.

Von Felix Meininghaus, Ljubljana

Als zum Ende des dritten Satzes auch die letzte Hoffnung verloren gegangen war, machte sich bei Tobias Krick, 23, die Verzweiflung Luft. Der baumlange Mittelblocker, der seinen Lebensunterhalt in der italienischen Profiliga bei Modena Volley verdient, schlug nach einer misslungenen Abwehraktion mit den Händen immer wieder brachial auf den Hallenboden ein. Der Frust musste raus. Es lief wenig zusammen, und diese Niederlage fiel drastisch aus. Hätten Krick und seine Mitstreiter im Nationalteam so viel Energie und Aggressivität in ihr Spiel gegen Slowenien investiert, die Geschicke wären womöglich anders verlaufen.

So stand bei der Volleyball-Weltmeisterschaft gegen die Gastgebermannschaft ein deutliches 0:3 zu Buche. Nun ist gegen den EM-Zweiten Slowenien, der vor 12 000 tobenden Zuschauern in heimischer Halle in Ljubljana auftritt, als seien ihm Flügel gewachsen, durchaus mal eine Niederlage möglich. Doch die Art und Weise des Untergangs entsprach ganz und gar nicht dem, was Deutschlands Volleyballer für sich proklamieren.

Dabei hatte Mannschaftskapitän Lukas Kampa, 35, vor dem letzten Gruppenspiel noch selbstbewusst verkündet, Ziel sei es, den zu erwartenden Hexenkessel zum Schweigen zu bringen. Auch dieses Vorhaben wurde verfehlt. Während die Fans einen solch ohrenbetäubenden Lärm verbreiteten, dass sich die Trainer bei ihren Spielern kaum Gehör verschaffen konnten, sackten die Hünen der DVV-Auswahl in sich zusammen. "Diese Kulisse hilft uns unheimlich", befand denn auch Sloweniens Angreifer Jan Kozamernik nach dem Matchball. Im Vergleich dazu wirkten die Unterlegenen schwer beeindruckt, ja geradezu eingeschüchtert.

"Wir sind halt nicht diese abgezockten Hunde", sagt Kapitän Kampa

Das war ein Umstand, der Kampa ratlos stimmte. Die Mannschaft müsse sich ernsthaft fragen, "warum wir es nicht schaffen, in Drucksituationen unsere Leistung abzurufen", konstatierte der Spielmacher: "Das haben wir schon gegen Frankreich gesehen, und auch heute konnten wir unser Spiel nicht aufs Feld bringen." Was auch am an Mangel einer gewissen Abgebrühtheit liege: "Wir sind halt nicht diese abgezockten Hunde, die du in anderen Mannschaften findest." Auch Christian Dünnes, Sportdirektor im Volleyball-Verband, hat in den bisherigen Begegnungen kein Qualitäts-, sondern eher ein Mentalitätsproblem festgestellt: "Wir brauchen Spieler, die auch in schwierigen Situationen vorneweg gehen."

Die Nationalmannschaft hat ihre Klasse bisher bei der WM in Polen und Slowenien noch nicht nachweisen können und ein schmerzhaftes Ausscheiden nach der Vorrunde nur mit Ach und Krach abgewendet. Zugegebenermaßen hätte die Gruppe mit Olympiasieger Frankreich als Gegner (ebenfalls 0:3) und den starken Slowenen anspruchsvoller nicht sein können. Zwischendurch gelang noch ein Pflichtsieg gegen Kamerun (3:0). Dennoch wähnten sich das junge Team und sein neuer Trainer Michal Winiarski wesentlich weiter. Doch der Ist-Zustand verdeutlicht, dass der Abstand zu den Besten beträchtlich ist. Das ist kein gutes Zeichen, schließlich lautet das Ziel, sich für Olympia 2024 in Paris zu qualifizieren.

Kampa benannte als eines der augenscheinlichen Defizite die mentale Unpässlichkeit einer Mannschaft, die sich unter Druck bislang nicht in der Lage zeigte, einen klaren Kopf zu behalten. Es sei "schwierig, diplomatische Worte zu finden", sagte der erfahrene Kapitän: "Die ehrliche Antwort ist, dass wir nicht in der Lage sind, in einem gewissen Stresszustand unseren Volleyball zu spielen."

Beim zweiten Versuch soll es keine Ausreden mehr geben

Nun hofft er, "dass wir die Chance bekommen, hier noch ein bisschen weiter zu machen". Unter dem Eindruck der deftigen Niederlage gegen Slowenien fügte er allerdings hinzu: "Wenn nicht, haben wir es auch nicht verdient."

Das schlimmste Szenario ist den Deutschen trotz der beiden Gruppenspiel-Niederlagen erspart geblieben. Weil die Konkurrenz in den übrigen Gruppen die passenden Resultate lieferte, ist das deutsche Team noch haarscharf ins Achtelfinale gerutscht. Es geht also weiter, wobei die Aufgabe nicht leichter wird. Denn am Samstag (17.30 Uhr, sportdeutschland.tv) steht auf der anderen Seite des Netzes kurioserweise erneut Slowenien. Ein fragwürdiger Modus, der selbst für Experten kaum zu durchschauen ist, macht das möglich. Wieder also ziehen Kampa und Kollegen in den Hexenkessel ein. Daraus erwächst die Gefahr, erneut einzuknicken - oder die Chance, an der Herausforderung zu wachsen und es im zweiten Anlauf besser zu machen.

Sportdirektor Christian Dünnes hat eher Letzteres im Sinn. Die Kulisse sei zwar beeindruckend, sagt der ehemalige Nationalspieler. Aber "die Ausrede, dass wir die Halle nicht kennen", die zähle nicht mehr.

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