Volleyball:Königlich nur im Vorprogramm

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Was macht er denn? Ferdinand Tille beobachtet, wie Jori Mantha (rechts) in der Partie gegen Friedrichshafen einmal mehr eine Annahme verrutscht. (Foto: Oryk Haist/imago)

Friedrichshafen zeigt Herrschings Volleyballern in deren zweitem Spiel in München mit einem 3:0-Erfolg die Grenzen auf. Dem Klub vom Ammersee fehlt vor allem seine angestammte Annahmeachse.

Von Sebastian Winter

Der König vom Ammersee ist seit vielen Jahren Teil des Inventars bei den WWK Volleys Herrsching, und seine Aufgabe ist klar umrissen: Vor Heimspielen des Erstligisten wärmt der Mann mit der roten Robe und der goldenen Krone das Publikum auf - ein bisschen Schabernack immer inklusive. Unvergessen seine Begrüßung der Berlin Recycling Volleys in der heimischen Nikolaushalle aus einer auf das Spielfeld geschobenen Mülltonne heraus - der deutsche Dauermeister wird ja vom städtischen Abfallentsorger alimentiert. Dieses Mal veräppelte der König aber keinen Gegner, auch wenn der VfB Friedrichshafen dazu durchaus Anlass geboten hätte. Immerhin spielt der früher so dominierende Klub mangels eigener Halle in dieser Saison in Neu-Ulm, die Ergebnisse ließen zum Saisonstart ebenfalls sehr zu wünschen übrig.

Der König beschränkte sich dann im Audi Dome, beim zweiten Herrschinger Auftritt in seiner neuen Heimspielstätte, auf ein wildes Tänzchen mit einem aus dem Sarg entstiegenen Skelett. Passend zu Halloween, zu den Klängen von Time Warp aus der Rocky Horror Picture Show - und womöglich sollte das Skelett dann ja doch andeuten, dass Friedrichshafen zuletzt nur noch als Schatten seiner selbst durch die Lande zog. Es gab nur ein Problem: Die schaurige Einlage hatte Herrschings Volleyballer am Sonntag offensichtlich wesentlich mehr erschreckt als ihren Gegner, der so souverän wie in alten Zeiten spielte und die Umzügler vom Ammersee mit 3:0 (25:22, 25:12, 25:17) fast schon deklassierte.

75 Minuten dauerte das einseitige Schauspiel vor 1200 Zuschauern nur, vier Minuten kürzer als Friedrichshafens ebenso souveräner 3:0-Erfolg tags zuvor beim TSV Haching München. Herrschings Trainer Max Hauser fühlte sich nach dem Schlusspfiff gar dazu veranlasst, das Mikrofon selbst in die Hand zu nehmen: "Entschuldigung für ein nicht so gutes Spiel, wir haben unsere Verletzungen nicht ganz kompensieren können. Aber es geht um etwas ganz anderes: Wir brauchen euch, die gute alte Mund-zu-Mund-Propaganda ist besser als jede Facebook-Werbung. Helft, dass wir bald doppelt so viele sind wie heute." Die Kulisse muss wachsen, dessen sind sich auch die Herrschinger bewusst, für die der Umzug in die Großstadt allein durch Hallenmiete und weitere Kosten ein finanzielles Wagnis ist.

Trainer Hauser entschuldigt sich nach dem Schlusspfiff bei den Fans im Audi Dome

Allerdings sollten sie dafür nicht nur beim Rahmenprogramm überzeugen, sondern auch in sportlicher Hinsicht. Das klappte bei der gewonnenen Premiere gegen Lüneburg ganz gut, gegen Friedrichshafen aber nicht wirklich. Bitter waren die beiden Ausfälle von Tim Peter, der sich im Lüneburg-Spiel mehrere kleine Muskelfaserrisse zugezogen hatte, und vom neuen Spanier Jordi Ramon Ferragut (Fingerverletzung). Die so wichtige Annahme-Außenangriff-Achse war den Herrschingern damit weggebrochen und auch nicht zu kompensieren. Jori Mantha und dem jungen Laurenz Welsch unterliefen alleine sechs direkte Annahmefehler, auch im Aufschlag, Angriff und Block war Friedrichshafen deutlich überlegen. Nur im ersten Satz waren die Herrschinger ebenbürtig, bis aus ihrem 20:18-Vorsprung ein 20:21-Rückstand wurde - und zwei Fehler Manthas den Satzverlust einleiteten. Alleine Herrschings späterer MVP Samuel Jeanlys und Luuc van der Ent konnten überzeugen - Jeanlys im Angriff, van der Ent im Block.

"Wir haben dieses Jahr eigentlich eine der besten Annahmen der Liga, und ich hatte geplant, hier etwas zu reißen. Aber die Wunder, die Riesenetats der Liga zu schlagen, kann man nicht mit zwei verletzten Spielern vollbringen", sagte Hauser: "Ich kann da nur bis zu einem gewissen Grad böse sein, wenn wir gegen so einen Krösus verlieren." Am Ende forderten Friedrichshafens Fans die Abdankung des Königs. Doch er wird wiederkommen, bereits am Mittwoch. Dann treffen Herrschings Volleyballer auf Königs Wusterhausen, in gänzlich anderer Atmosphäre. Schauplatz der nächsten Heimpartie ist ihre alte Heimat, die Nikolaushalle. Es wird das erste Spiel dort vor Zuschauern sein seit dem 29. Februar 2020.

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