Volleyball-EM:Der Unersetzliche ist zurück und will Gold

Lesezeit: 3 min

Wieder dabei: Georg Grozer (hier bei der EM 2017). (Foto: dpa/Marcin Bielecki)
  • Nach seiner Pause ist Georg Grozer wieder im Team der deutschen Volleyball. Mit ihrer Schlüsselfigur streben sie bei der EM eine Medaille an.
  • Die Mannschaft ist zugleich nicht mehr nur abhängig von ihm, sondern hat einen sehr erfahrenen Kern, der sich auf seinen Zenit zubewegt.
  • Noch bedeutender als die EM ist für das Team die Olympiaqualifikation.

Von Sebastian Winter, München

Am Mittwoch hat die deutschen Volleyballer beim Flug nach Brüssel vor allem eine überwölbende Frage begleitet: Hält Georg Grozers Rücken? Grozer, 34, seit zwölf Jahren Teil des Teams, er ist nach wie vor eine Art Lebensversicherung für die deutsche Auswahl. Auch bei dieser Europameisterschaft, die für Andrea Gianis Mannschaft am Freitag (15 Uhr) in ihrer Gruppe B gleich das extrem herausfordernde Auftaktspiel gegen Serbien bereithält und am Samstag das kaum leichtere Duell gegen Mitfavorit und Co-Gastgeber Belgien. Der Rücken also, der machte dem Diagonalangreifer, der als schillerndster und bester deutscher Export seit vielen Jahren in Polen, Südkorea und Russland - zuletzt bei Zenit St. Petersburg - in der Weltspitze agiert und dort für Volleyballverhältnisse ein sehr ansehnliches Jahressalär bezieht, in den vergangenen Monaten Probleme.

Im Sommer pausierte Grozer daher, und weil er Zeit mit seinen beiden Töchtern verbringen wollte, die er im Winter kaum sieht. Sie leben in Moers bei ihrer Mutter, von der sich Grozer schon vor längerer Zeit getrennt hat. Ohne ihr Aufschlags- und Angriffsherz rumpelte Gianis Mannschaft unterdessen durch die Nations League, den Nachfolger der World League, wo sich die besten Nationalmannschaften der Welt über Monate hinweg duellieren. Die Endrunde verpasste sie überdeutlich. Bei der EM ist die deutsche Auswahl trotzdem Mitfavorit, auch wegen Grozer: "Georg ist einer der wenigen Spieler auf der Welt, der die Möglichkeit hat, ein Spiel, die Einstellung, das Gesicht einer Mannschaft zu verändern, selbst wenn er so wie jetzt noch nicht bei seinem Maximum ist. Er ist fast unersetzlich für uns." Schwärmerischer kann ein Loblied des Bundestrainers Giani kaum klingen.

Auch wegen dieser Attribute hat der Italiener Grozer das Vertrauen geschenkt, obwohl dieser ihm vor dem Trainingslager in Kienbaum mitgeteilt hatte, nicht in Form zu sein. Im letzten Vorbereitungsspiel gegen Frankreich überzeugte Grozer dann am vergangenen Samstag als weitaus bester Scorer mit 21 Punkten. Grozer ist der charismatische Dreh- und Angelpunkt im Team des EM-Zweiten von 2017. Und er strebt bei seinen siebten kontinentalen Titelkämpfen die zweite Medaille an - und das erste Gold.

Die Mannschaft ist zugleich nicht mehr nur abhängig von ihm, sondern hat einen sehr erfahrenen Kern, der sich auf seinen Zenit zubewegt: Grozer, 34, dann der Kapitän und Zuspieler Lukas Kampa, 32,dazu die Außenangreifer Denis Kaliberda und Christian Fromm, beide 29, sowie Blocker Marcus Böhme, 34 haben zusammen fast 1000 Länderspiele hinter sich. Das Quintett spielt ausnahmslos bei europäischen Spitzenklubs in Italien, Polen und Russland, es hat auf dem Parkett so ziemlich alle Höhen und Tiefen erlebt. Nur zwei Spieler aus Gianis 14er-Kader waren 2017 nicht dabei, als die Deutschen im EM-Finale Russland hauchdünn 2:3 unterlagen. Silber war damals übrigens die erste EM-Medaille überhaupt für die DVV-Männer, die von der Arbeit des ehemaligen Weltklassespielers Giani, der seit 2017 im Amt ist und im Winter den italienischen Klub Modena trainiert, sehr profitieren.

Kritik am aufgeblähten Turnier

Die bis dato größte EM stellt die deutschen Männer zugleich vor enorme Hürden. 24 Nationen spielen zunächst in vier Sechsergruppen, verteilt über die Länder Belgien, Frankreich, Niederlande und Slowenien hinweg. Die vier Gruppenersten kommen ins Achtelfinale, und wer das Endspiel in Paris erreicht, hat bereits acht Spiele in den Knochen. Ein seltsamer Randaspekt des aufgeblähten Spielplans: Sollten die vier Gastgeberländer jeweils die Gruppenphase überstehen, dürfen sie im Achtelfinale nicht aufeinandertreffen und müssen dem Regelwerk entsprechend ihre erste K.-o.-Partie auch noch vor heimischem Publikum spielen.

Giani hat diese Besonderheit im Modus bereits kritisiert: "Es gefällt mir nicht, dass die eigenen Ergebnisse nicht den Weg durch die EM ebnen. Man hat den Weg nicht selber in der Hand." Sein Kapitän Kampa ist generell wenig angetan von einem solchen Mammut-Wettbewerb und dem ohnehin immer enger getakteten Terminplan für Nationalteams und Vereine: "Ich bin der Meinung, dass es zu viel ist und zu einem Risiko für die Gesundheit wird. Das ganze System hat zu viele Einzelinteressen, man muss sich da besser abstimmen." Wie beim Fußball solle es im Winter Unterbrechungen in den Ligen für Länderspiele geben, "dann könnte man auch den Sommer mit der Nationalmannschaft entzerren", sagt Kampa. Im Juli war kurz vor der Frauen-EM die langjährige deutsche Libera Lenka Dürr auch aus Überlastungsgründen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten.

Für Grozer ist dieses Kapitel auch bald abgeschlossen, spätestens nach Olympia 2020 in Tokio möchte er sich aus der DVV-Auswahl zurückziehen. Nach WM-Bronze 2014 und den verpassten Spielen 2016 in Rio ist die EM daher, bei allen Medaillenträumen, auch für ihn nur ein kleiner Zwischenschritt in Richtung des größeren Ziels. Doch der Weg nach Japan dürfte mindestens genauso schwer werden wie jener zu einer EM-Medaille: Grozer und Co. müssen das Achter-Qualifikationsturnier im Januar in Berlin gewinnen, um sich das letzte europäische Ticket zu sichern.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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