Volleyball:Bis zur Sperrstunde

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Am Ziel: Dresdens Volleyballerinnen nach dem Matchball. (Foto: Matthias Rietschel/dpa)

Dresdens Frauen drehen die schon verloren geglaubte Finalserie gegen den MTV Stuttgart und gewinnen ihren sechsten Meistertitel. Die Schwäbinnen müssen mit dem Makel leben, wieder einmal nur Zweite zu sein.

Von Sebastian Winter, Dresden/München

Es gibt noch Konstanten in dieser so herausfordernden Saison, im Volleyball war das am Samstagnachmittag ein Klassiker unter den Siegerehrungs-Requisiten: der Lamettaregen. Blaue Schnipsel rieselten nach dem entscheidenden Playoff-Finalspiel auf Stuttgarts unterlegene Volleyballerinnen herab, in der Farbe eines Ligasponsors, der passenderweise auch der Sponsor der Schwäbinnen ist, was sie aber in diesem tränenreichen Moment kaum trösten konnte.

Danach verschwanden die Frauen des Dresdner SC in einer glitzernden und bestimmt völlig virenfreien Wolke aus Gold. Durch den vergleichsweise locker herausgespielten 3:0 (25:20, 25:23, 26:24)-Heimsieg über Allianz MTV Stuttgart hatten sie den sechsten Meistertitel der Vereinsgeschichte gewonnen - und ihren ersten nach vier Jahren Pause, in denen Stuttgart und Schwerin die Frauen-Bundesliga dominierten, sie selbst aber immerhin zweimal im DVV-Pokal erfolgreich waren, 2018 und 2020.

Dresdens neuerlicher Erfolg fühle sich "nach wie vor unbegreiflich an", wie SC-Geschäftsführerin Sandra Zimmermann tags darauf angemessen pathetisch sagte. Auch weil eine geradezu klassische, eindrucksvolle Comeback-Geschichte zu ihm führte, nachdem die Meisterschaft fast schon entschieden war - zu Ungunsten Dresdens. Jedenfalls hatte der Titelverteidiger Stuttgart in der Best-of-five-Serie bereits mit 2:0 Siegen geführt, die beiden folgenden Spiele gingen jeweils in den entscheidenden fünften Satz. Vom vierten Duell an fehlte Stuttgart dann die erkrankte Kapitänin und Hauptangreiferin Krystal Rivers, die sich zuvor einen bewundernswerten Schlagabtausch mit Dresdens Maja Storck geliefert hatte. In Spiel zwei und drei der Serie hatten sie jeweils fast 40 Punkte erzielt - ein überragender Wert. Rivers war Anfang vergangener Woche mit Fieber ins Krankenhaus eingeliefert worden, ist aber dort inzwischen laut Sportdirektorin Kim Renkema wieder entlassen worden.

Weitzel, Strubbe, Cyris, Straube: Den 19- und 20-Jährigen gehört in Dresden die Zukunft

Das Blatt wendete sich, weil Rivers kaum zu ersetzen ist. Auch wenn Stuttgart in seiner Arena ohne die Amerikanerin und ohne die zweite Stammspielerin Juliët Lohuis im vierten Duell nochmals eine Willensleistung bot - am Ende fehlten zwei Punkte zum Titel. Am Samstag in Dresden schließlich merkte man der Mannschaft schnell an, dass ihr ohne Rivers die Kraft für neuerliches Spektakel fehlte. Wie schon 2016 setzte sich Dresden mit 3:2 Siegen durch, die Mannschaft von Alexander Waibl, der sie seit zwölf Jahren trainiert, hat nun auch die Champions-League-Qualifikation sicher.

Libera im Klammergriff: Lenka Dürr (rotes Trikot), die den Dresdner SC verlassen wird, freut sich mit ihren Kolleginnen über die sechste deutsche Meisterschaft. (Foto: Matthias Rietschel/dpa)

Damit war zu Beginn der Saison nicht zu rechnen gewesen. Denn Dresden hatte zum einen mit strukturellen Problemen zu kämpfen, im Kader fehlte in den vergangenen Jahren auch jene schlaggewaltige Angreiferin, die in dieser Saison die 22 Jahre alte Maja Storck verkörpert, die als wertvollste Spielerin der Liga ausgezeichnet wurde. Zum anderen hatte der Traditionsklub aus Sachsen, der seit 24 Jahren in der Bundesliga spielt, keinen schönen Herbst. Nach dem ersten Testspiel in Polen mussten die Dresdnerinnen wegen einer beim Gegner festgestellten Corona-Infektion als erstes Bundesliga-Team in Quarantäne. Quasi ohne Training spielten sie direkt im Anschluss den Supercup gegen Schwerin, den Tabellenersten, als die Saison 2019/20 wegen der aufflammenden Corona-Pandemie abgebrochen wurde - und verloren 0:3.

Danach fanden sie langsam ihre Form, wurden Hauptrunden-Erster, bezwangen Aachen und Potsdam in den Playoffs - und nun auch Stuttgart. Nationalspielerin Camilla Weitzel war es am Samstag vorbehalten, den letzten Angriff von Dora Grozer, der jüngeren Schwester von Nationalspieler Georg Grozer, zum Titelgewinn zu blocken.

Stuttgart muss nach seiner Meisterpremiere aus dem Jahr 2019 nun wieder mit dem Makel leben, zu viele Chancen auf goldenes Lametta zu vergeben: 2015, 2016, 2017, 2018 und nun 2021 wurde der Klub Liga-Zweiter. Immerhin haben Rivers und auch die Libera Roosa Koskelo ihre Verträge bereits verlängert, einen Umbruch wird es dennoch geben.

Dresden baut auch weiterhin auf viele, vornehmlich junge, deutsche Spielerinnen, die das Gros des Kaders ausmachen. Wie die Blockerinnnen Weitzel, 20, und Monique Strubbe, 19, Zuspielerin Sarah Straube, 19, und Außenangreiferin Emma Cyris, 20, die alle Nationalspielerinnen sind. Libera Lenka Dürr, die das DVV-Dress bis zu ihrem Rücktritt vor zwei Jahren 217 Mal trug, wird den Klub dagegen dem Vernehmen nach verlassen.

Dürr blieb mit ihren Mitspielerinnen am Samstag noch lange in der Halle, sie stießen an und tanzten "bis 21.30 Uhr", wie Geschäftsführerin Zimmermann berichtete. Danach mussten alle los nach Hause - die Ausgangssperre beendete jäh die Meisterfeier.

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