Viertelfinale der Frauenfußball-WM:Reifer und besser dank Deutschland

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Laura Georges (links) will mit ihrer Erfahrung endlich für einen französischen Titelerfolg sorgen. Gegen Südkorea hat es schon geklappt. 3:0 gewannen die Französinnen. (Foto: dpa)

Ein großer Titel soll her, spätestens bei der WM 2019 im eigenen Land: Der deutsche Viertelfinalgegner Frankreich etabliert sich als die neue Kraft im Frauenfußball. Deutschland ist dafür mitverantwortlich.

Von Kathrin Steinbichler, Montréal

Manchmal denkt Laura Georges noch daran zurück, klar. An diese drei, vier Spiele, die für Frankreichs Fußballerinnen in den vergangenen Jahren anders hätten laufen können. Anders hätten laufen müssen, wie sie sagt. An die Momente, wo ein Ball versprungen, wo ein Tor nicht gefallen oder eben ein Fehler passiert ist. 2011, Weltmeisterschaft in Deutschland: Frankreich spielt sich furios bis ins Halbfinale - und scheitert dort an den USA. 2012, Olympische Spiele in London: Frankreich kämpft sich erneut bis ins Halbfinale - und zieht nicht nur dort, sondern auch im Spiel um Bronze den Kürzeren. 2013, Europameisterschaft in Schweden: Verlustpunktfrei und souverän marschiert Frankreich bis ins Viertelfinale - und unterliegt dort Dänemark im Elfmeterschießen. Wenn Frankreich nun also an diesem Freitag (22 Uhr/ZDF und Eurosport) bei der Weltmeisterschaft in Kanada auf Europameister Deutschland trifft, hat Laura Georges nur einen Gedanken: "Es ist jetzt anders. Wir als Mannschaft sind jetzt anders. Wir sind jetzt reif für solche Spiele."

Die Innenverteidigerin muss es wissen, schließlich hat die 30-Jährige vom Champions-League-Finalisten Paris Saint-Germain die Entwicklung mitgemacht, die Frankreichs Frauenfußball hinter sich hat. Das jahrelange Kämpfen um Finanzierung und Anschluss, den Ausbau des nationalen Leistungszentrums in Clairefontaine auch für die Frauen, den Aufstieg der Vereinsmannschaften aus Lyon und Paris in die europäische Elite, das spielerische Herantasten der Nationalelf an die großen Länder. Die Systematik, mit der etwa in den USA oder in Deutschland Fußballerinnen gefördert und ausgebildet werden, hat sich längst auch der französische Verband zugelegt und zunehmend ausgebaut. Und dafür ist Deutschland mitverantwortlich.

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Es gebe im französischen Frauenfußball "unzweifelhaft eine Zeit vor und nach 2011", schreibt Verbandspräsident Noël Le Graët im Begleitheft der Equipe zur WM. Seit dem einschneidenden Turnier-Erlebnis 2011 in Deutschland habe sein Verband "ein ambitioniertes Programm" aufgelegt, die Nationalelf befinde sich jetzt in der "Atmosphäre eines großen Versprechens": Ein Titel oder wenigstens eine große Finalteilnahme soll her, und zwar möglichst bald. Spätestens 2019, wenn Frankreich die nächste Frauenfußball-WM erstmals selbst ausrichtet.

Finanziert wird der verstärkte französische Ehrgeiz vor allem durch das Sponsoring des Sportartikelherstellers Nike. Der hatte bereits im Sommer 2010 mit dem französischen Verband einen millionenschweren Vertrag abgeschlossen, um nach der Ablehnung durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) endlich einen Fuß auf den europäischen Markt zu bekommen. Seitdem stehen im französischen Frauenfußball zwei Ziele auf dem Zettel: Mit dem Zuschlag zur WM 2019 ist das erste erreicht, das zweite allerdings ist weniger gut an Schreibtischen zu klären: Längst nämlich gehört die technisch hervorragend ausgebildete Frauen-Equipe zur Weltspitze, doch dieser Stellenwert, sagt Laura Georges, "ist ohne Triumphe nichts wert". Oder wie ihre Abwehr- und Vereinskollegin Jessica Houara D'Hommeaux es sagt: "Wir sind Weltranglisten-Dritter. Das ist gut, aber es ist nichts im Vergleich zu den deutschen Erfolgen." Frankreich käme zwar immer näher heran, aber die offensivstarke deutsche Elf, die in Kanada bislang beeindruckt, sei "eine Dampfwalze".

Es herrscht großer Respekt auf beiden Seiten vor dem Duell um den Halbfinal-Einzug, erst zum Ende der Saison hatte es wieder einmal ein deutsch-französisches Aufeinandertreffen auf höchstem Niveau gegeben: Diesmal war es der 1. FFC Frankfurt, der Paris Saint-Germain im Champions-League-Finale den Erfolg verwehrte. Vom Hauptstadtklub PSG gehören sieben Spielerinnen zum Kader der Equipe, daneben setzt Nationaltrainer Philippe Bergeroo wie schon sein entlassener Vorgänger auf eine zweite erfahrene Achse: Der französische Serienmeister Olympique Lyon stellt gleich zehn Nationalspielerinnen, darunter das komplette Mittelfeld der Französinnen.

Bundestrainerin Silvia Neid baut dagegen weiter auf ihre sehr flexible Mischung aus Spielerinnen verschiedener Klubs und Altersklassen, was dem Selbstbewusstsein der deutschen Elf keinen Abbruch tut: "Wir müssen von der ersten Minute an zeigen, wer der Chef im Ring ist", sagte Mittelfeldspielerin Simone Laudehr, der ihre Sprunggelenksverletzung aus dem Achtelfinale gegen Schweden offenbar keine Probleme mehr bereitet.

So wollen sie gegen Frankreich gewinnen: Die Aufstellung der deutschen Mannschaft. (Foto: sz)

Schwieriger empfinden beide Seiten eher das, was vor und bei dem Spiel im Kopf stattfindet. Im Zentrum von Montréal müssen die Kontrahentinnen gemäß Fifa-Vorgabe gemeinsam ein Hotel bewohnen, was die mitgereiste DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg in diesen Tagen stark kritisiert hat. Das sei im modernen Frauenfußball "einfach nicht mehr angemessen", meinte sie. Laudehr sieht das Ganze entspannt: "Man läuft sich ab und zu über den Weg, aber mei, was soll man da schon machen: Die Französinnen sind auch nur Menschen. Ich grüße die dann, und dann ist es auch wieder gut."

Wer abgeklärter mit der Situation umgeht, werde am Ende der Sieger sein, prognostiziert Philippe Bergeroo: "Dieses Viertelfinale wird im Kopf entschieden", glaubt der französische Trainer. "Es wird für beide Seiten ein schwieriges Spiel." Seine Mannschaft hat jedenfalls ein großes Versprechen einzulösen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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