Vierschanzentournee:Oase im wüsten Marketing

Lesezeit: 1 min

Die Vierschanzentournee verknüpft Tradition und Moderne und ist ein wohltuender Kontrapunkt zu den aufgesetzten Wintersport-Kreationen von Event-Marketendern und PR-Eiferern.

Thomas Hahn

Die Qualität eines sportlichen Wettbewerbs bemisst sich übrigens nicht am Erfolg der teilnehmenden Landsleute. Daran muss man vielleicht jene Mitglieder des deutschen Sportpublikums erinnern, welche die 57. Vierschanzentournee nur deshalb spannend fanden, weil Martin Schmitt wieder auf höherem Niveau kreiste. Immerhin, der Mann hat mit seinem dritten Platz am Bergisel und den anderen wertvollen Sätzen das Tournee-Theater um eine hinreißende Geschichte bereichert. Die jugendliche Hauptfigur einer Massenbegeisterung kehrt nach Jahren der Krise als gestandener Athlet zurück in einem Zustand verloren geglaubter Hochform - dazu applaudiert selbst die neutrale Skisprung-Kritik.

(Foto: Foto: AP, Reuters)

Aber auch sonst: Die Tournee ist wieder ein bemerkenswertes Sportereignis gewesen, was einerseits an ihren Hauptdarstellern lag, einem Trio aus besonnenen Gegenspielern - am Schweizer Ammann und am ungleichen Austria-Duo Loitzl/Schlierenzauer. Andererseits auch am Wettbewerb selbst. Die Tournee steht für die kluge Verknüpfung von Tradition und Moderne. Sie hat sich über die Jahre aufgehübscht, aber die Identität ihres Sports nicht aufgegeben.

Sie ist nicht zu groß und nicht zu klein, sie ist getragen von einer natürlichen Logik, die jeder versteht. Sie zeigt gerade im Vergleich mit der jungen Langlauf-Serie Tour de Ski, dass Ereignisse, die auf dem Boden lokaler Kultur über Jahrzehnte gewachsen sind, den Sport glaubwürdiger ins Bild setzen als die aufgesetzten Kreationen von Event-Marketendern und PR-Eiferern.

So viel Lob für einen Showsport? Warum nicht, wenn man den Eindruck haben darf, dass die Show auf Niveau stattfindet und als Porträt sportlicher Inhalte. Außerdem heißt loben nicht, Schwächen zu übersehen. Diese Tournee fand bei ruhigem Wetter statt, trotzdem konnten kleinste Windbewegungen den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten. Das ist ein Problem, welches der moderne Ruf nach größeren Weiten gebracht hat. Und mit Blick aufs gesamte Skisprungjahr beklagt mancher Trainer zu hohe Belastungen durch eine aufgeblasene Weltcupserie. Fast wirkt die Tournee wie die Oase in einer Wüste eitlen Marketings, das die Natur des Besonderen der Beliebigkeit preisgibt.

© SZ vom 07.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sieger der Vierschanzentournee
:Popstars und Supermänner

Die früheren Sieger des traditionsreichen Skisprungvierkampfes waren allesamt wagemutig - manch einer auch abseits des Sports. Von Offizieren, Häftlingen und Maskenträgern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: