Vierschanzentournee:Aufbruch statt Aversion

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Ohne Frauen: Bislang dürfen bei der Tournee nur Männer wie Daniel Andre Tande springen. (Foto: imago/Eibner)

Die Verantwortlichen diskutieren offiziell über einen Frauenwettbewerb.

Von Volker Kreisl, Bischofshofen

Das Thema ist hartnäckig. Die 68. Vierschanzentournee zog ihre Bahn von Oberstdorf aus durch die Alpen und endete wie immer am Dreikönigs-abend in Bischofshofen mit einem rauschenden Fest. Und bis auf kleinere Irritationen lief alles wie am Schnürchen. Nur diese eine Frage blieb, und immer mehr Zuschauer stellen sie sich: Warum eigentlich springen da keine Frauen mit?

Die Gleichberechtigung der Geschlechter im Sport hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Auch wenn die meisten strategischen Entscheidungen in Komitees und Präsidien immer noch von Männern getroffen werden, so sind Frauen mittlerweile in fast allen Großereignissen des Sports zu gleichen Anteilen dabei, bei Olympia, bei Welt- und Europameisterschaften. Bei der Tournee, die ja auch ein Weltereignis sein möchte, deren Finale 2019 6,78 Millionen Zuschauer im ZDF sahen, was 27 Prozent Marktanteil bedeutete, dagegen nicht. Seit Jahren wird darüber diskutiert, unter Zuschauern, in den Büros der Offiziellen und diesmal auch ganz offiziell.

Johann Pichler, der Präsident der Vierschanzentournee, erklärte, dass seitens des Veranstalters der Wille für eine Öffnung da sei. "Die Frauen springen auf hohem Niveau", sagte er am Sonntag in Bischofshofen, und alles in allem gab er zu verstehen, dass sämtliche Tournee-Beteiligte - Weltverband, Nationalföderationen, Skiklubs, die Tournee selbst - dem Projekt Frauen zur Tournee "positiv gegenüber eingestellt sind". Nur, die Umsetzung ist nicht so einfach.

Dass der Frauen-Skisprung-Tross bei der besonders traditionsbehafteten Tournee noch draußen bleiben muss, hatte anfangs vielleicht noch Gefühlsgründe, heute stehen dem in erster Linie technische Probleme entgegen. Die Tournee hat einen festen Zeitrahmen, zwischen mindestens 27. Dezember bis höchstens 6. Januar. Diese stille Ferienzeit ist Teil des Erfolgsgeheimnisses, und kann verständlicherweise nicht angetastet werden. Eine Frauentournee müsste also irgendwie in diesen Rahmen hineingepackt werden, was wegen des unberechenbaren Winterwetters bei Verschiebungen zu Terminchaos führen könnte.

Weitere Hindernisse wären die begrenzten Unterkünfte. Für eine gendergerechte Tournee brauchte es plötzlich fast doppelt so viele Sportlerbetten in den vier Orten. Es sei denn, man beschließe, wie Fis-Renndirektor Walter Hofer vorschlägt, "dass man sich entgegenkommt": Die Männer starten in Oberstdorf, die Frauen in Bischofshofen. Vermutlich will aber niemand so eine getrennt-gemeinsame Tournee, weshalb nun für die gesamte Logistik Herausforderungen zu bewältigen sind. Allein der Platz in den Materialcontainern an der Schanze etwa, der sei schon jetzt ausgeschöpft, sagt Pichler.

Aber sind das wirklich schwerwiegende Einwände? Oder steckt nicht etwas von der alten inneren Aversion gegen Veränderungen dahinter, wie einst beim Aufbegehren von Frauentennis, Frauenfußball und auch in vielen Wintersportarten? Biathletinnen wurden anfangs teils als Flintenweiber betitelt, das war erst Anfang der Neunziger, schon zehn Jahre später waren ihre Wettkämpfe so attraktiv wie die der Männer. Jahre brauchte es auch beim Skispringen, bis alle Vorurteile (kein Wettkampfniveau, Verletzungsanfälligkeit, kurz auch: schlecht für die Gebärmutter) vom Tisch waren. Grob anderthalb Jahrzehnte später debütierten Skispringerinnen 2014 bei Olympia, sie hatten diverse Topleute, dann eine deutsche Premierensiegerin, Carina Vogt, und einen Superstar in Japan, Sara Takanashi, der auch ein bisschen in die Welt strahlte.

Es war stets eine Frage des Willens, und das dürfte auch für die Frauentournee gelten. Andreas Bauer, der Trainer der deutschen Springerinnen, sagt seit Langem, dass diese fällig sei, und er schlug schon vor einem Jahr vor, "die Wettkämpfe am Tag der Qualifikation der Männer austragen zu lassen." Denn da stehe die Schanze zur Verfügung, und es sei noch genügend Zeit, um bei schlechtem Wetter ein Springen nach hinten zu verlegen. Auch gibt er zu verstehen, dass man für ein Debüt manche weite Fahrt in Kauf nehmen würde. An der Unterbringung in Bischofshofen solle es zum Beispiel nicht scheitern. Und Pichler berichtete nun, dass Bauer und die deutschen Springerinnen zur Not auch in Salzburg logierten, eine Stunde Fahrzeit sei verkraftbar.

Wann also ist es so weit? "Mitte April treffen sich Verbands- und OK-Vertreter zur Nachlese", sagt Chef Pichler. Da soll dann ein Workshop zur Eingliederung einer Frauentournee stattfinden, der hoffentlich Lösungen hervorbringt, statt weitere Vertagungen. Der nächste wichtige Termin wäre dann im Herbst, wenn die Daten für die übernächste Tournee fixiert werden. Für die Eingliederung der Frauen müssten die Verbände ÖSV und DSV als Mitveranstalter einen Antrag stellen, was bisher noch nicht geschah. Im Grunde ist es nicht so schwer, glaubt auch Pichler. Wenn alle mitziehen und tatsächliche und vermeintliche Hindernisse beseitigen, dann sei es "gut möglich, dass die Damen in zwei oder drei Jahren mitspringen."

Vor zwei Jahren gründete Norwegens Skiverband eine neue Serie. Die "Raw Air" dauert gut eine Woche und wie bei der traditionellen Alpenversion geht es von Schanze zu Schanze. Die Frauen sind natürlich dabei. Was man so hört, klappt's tadellos.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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