Víctor Estrella Burgos im Davis Cup:Bobbele aus der Dom Rep

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Verlor bei den US Open in der ersten Runde: Víctor Estrella Burgos. (Foto: AP)

Jahrelang tingelte Víctor Estrella Burgos verarmt durch die Welt. Mit Mitte 30 ist er plötzlich Turniersieger und die Hoffnung der Dominikanischen Republik im Davis Cup. Der Gegner: Deutschland.

Von Lisa Sonnabend

Selbstverständlich glaubt Victor Estrella Burgos auch diesmal wieder an das Unmögliche. Der Tennisspieler aus der Dominikanischen Republik spielt am Wochenende in der Davis-Cup-Relegation gegen Deutschland. Sein Team ist krasser Außenseiter, fast alle gehen davon aus, dass die DTB-Spieler nur mit einem zu kämpfen haben: der Schwüle in Santo Domingo. Doch Estrella Burgos, der als Weltranglisten-57. das Team anführt, sagt: "Wir haben eine Chance. Nichts ist ausgeschlossen."

Die Anekdote zeigt einmal mehr: Der 35-Jährige ist einer der größten Optimisten auf der ATP-Tour. Sonst hätte er die vergangenen Jahre wahrscheinlich auch gar nicht durchgestanden.

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Seit 1998 versucht Estrella Burgos, sich als Tennisprofi zu etablieren - lange vergebens. Der 1,73 Meter kleine Spieler tingelte zu Future- und Challenger-Turnieren in Mittel- und Lateinamerika, für längere Flüge reichte das Geld nicht. Der Dominikaner bespannte seine Schläger stets mit weichen Saiten, damit diese nicht so schnell reißen. Einen Trainer engagieren oder an eine Tennisakademie im Ausland wechseln, konnte er nicht. Der Erfolg blieb aus, jahrelang. Estrella Burgos gab allerdings nicht auf. Wenn er pleite war, kehrte er eben zurück in die Heimat, um eine Zeit lang als Trainer zu arbeiten.

Mit 34 gewinnt er den ersten ATP-Titel

Doch seit einem Jahr ist alles anderes, inzwischen hat Estrella Burgos sogar ein bisschen Geld gespart. Als erster Tennisspieler der Dominikanischen Republik zog er in die Top 100 ein. Im Februar gewann er in Quito sogar ein ATP-Finale - nie zuvor war ein Spieler bei seinem ersten Turniersieg älter gewesen. Estrella Burgos musste es 17 Jahre lang immer wieder aufs Neue probieren, bis er mit 34 Jahren endlich einen Pokal in die Höhe recken durfte. Sein lässiger Kommentar zu seinem späten Erfolg: "Ich denke, mein Alter ist nur eine Zahl."

Bis auf Rang 43 der Weltrangliste arbeitete sich der Mittdreißiger mit der gefährlichen Rückhand vor. Mehr als 400 000 Euro Preisgeld erspielte er sich allein in dieser Saison - fast halb so viel wie in seiner gesamten Karriere zuvor. Estrella Burgos hat sogar einen Tennisboom in seiner Heimat ausgelöst - ähnlich wie einst Boris Becker in Deutschland. In den Zeitungen erscheinen fast täglich Berichte über ihn. Die Bewohner interessieren sich plötzlich für die Sportart Tennis, obwohl sie in dem Land keine Tradition hat, sie kennen die Regeln, die Klubs vermelden steigende Mitgliederzahlen. Sogar zum Sportler des Jahres wurde Estrella Burgos im Winter gekürt. "Dabei ist die Dominikanische Republik ein Land, das wegen seiner Baseball-Spieler berühmt ist", sagte der 35-Jährige vor wenigen Tagen bei den US Open in New York.

Zum Tennis kam Estrella Burgos durch einen Zufall. Weil er sich als Kind ständig mit seinen beiden Geschwistern stritt, kam dem Vater eine Idee. Er schickte seinen neunjährigen Sohn in den nahe gelegenen Tennisklub. Dort sollte er Bälle einsammeln, um sich abzureagieren. Es dauerte Monate, bis einer der Erwachsenen ihn endlich einmal selbst einen Schläger in die Hand nehmen ließ - und eine der ungewöhnlichsten Karrieren der ATP-Tour begann.

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Von Lisa Sonnabend

Außer Estrella Burgos gibt es jedoch bislang keinen weiteren Spitzenspieler aus dem Karibikstaat. Im Davis Cup treten neben ihm an: José Hernández Fernández, Nummer 200 der Welt, Roberto Cid, Weltranglisten 928., und José Olivares, der nicht einmal zu den besten tausend Spielern zählt. Die Hoffnungen liegen also alle auf den Schultern von Estrella Burgos. Der 25-jährige Hernández Fernández sagt über seinen Teamkollegen: "Die Bewohner sind ganz aufgeregt wegen dem, was Victor geleistet hat. Es ist schön, dass sie das wertschätzen."

Estrella Burgos genießt nun den späten Erfolg. Endlich muss er nicht mehr bei der Turnierplanung berücksichtigen: Für welche Reisen reicht mein Geld? Bei welchen Veranstaltungen habe ich Chancen, mich überhaupt für das Hauptfeld zu qualifizieren? Ein Ziel hat er allerdings bis heute nicht erreicht. Einmal will er gegen Roger Federer antreten, seinem Idol. Doch die Auslosung oder sein vorzeitiges Ausscheiden haben ein Duell bisher stets verwehrt. Solange Federer seine Karriere nicht beendet, spielt und hofft Estrella Burgos also weiter.

Auch für die Zeit nach der Karriere hat Estrella Burgos bereits Pläne: Er plant, eine Tennisakademi in seiner Heimat zu gründen. Damit der nächste Spieler aus der Dominikanischen Republik nicht erst mit 34 Jahren seinen ersten ATP-Titel feiert.

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