VfL Bochum:Oben an unten denken

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Costa-ricanische Sprinterqualitäten: Bochums Cristian Gamboa entwischt mal wieder den Düsseldorfern. (Foto: Dennis Ewert/RHR-Foto/Imago)

Mit einem 5:0 gegen Düsseldorf stürmt Zweitligist Bochum auf Tabellenplatz zwei. Doch der eigene Hang zur Wankelmütigkeit ermahnt den VfL zur Bodenhaftung.

Von Ulrich Hartmann

Wer wohnt schon in Düsseldorf?", schallte es am Montagabend im Ruhrstadion vorwurfsvoll aus den Lautsprechern. Das war allerdings keine bewusste Provokation der Gastmannschaft von Fortuna Düsseldorf. Herbert Grönemeyers berühmte Hymne "Bochum" wird hier bekanntlich vor jeder Heimpartie des VfL abgespielt. Aus diesem Lied erfuhren die Düsseldorfer zudem, dass der VfL "mit 'nem Doppelpass jeden Gegner nass" mache, und auch wenn diese Behauptung noch nie so richtig gestimmt hat, so traf sie diesmal in der Tat zu. Bochum machte Düsseldorf im Montagsspiel mit jedem Doppelpass nass - und zog mit einem 5:0 (1:0)-Sieg, vorbei am Hamburger SV, auf den zweiten Tabellenplatz der zweiten Liga. Durch eine rote Karte für Kristoffer Peterson (6. Minute, Notbremse) geriet Düsseldorf früh in Unterzahl. Danny Blum verwandelte den damit einhergehenden Elfmeter außerdem zum 1:0.

Ausgerechnet jetzt, da keine Fans dabei sein dürfen, blüht der seit vielen Jahren mediokre VfL Bochum auf. Eine Woche zuvor hatte die Elf von Trainer Thomas Reis bereits 3:1 beim HSV gewonnen. Irgendwas gefällt den VfL-Fußballern an der Geisteratmosphäre, denn seit der Spielbetrieb Mitte Mai emotionsarm wieder aufgenommen wurde, haben sie saisonübergreifend aus 18 Spiele 35 Punkte geholt. Das ist bemerkenswert für einen Klub, der die elfte Zweitliga-Saison in Serie spielt und sich in dieser Liga eingerichtet hat wie der Stammgast einer Bahnhofskneipe, der immer am selben Platz kauert, während um ihn herum alles in Bewegung ist.

Düsseldorf kassierte schon vier Platzverweise und sechs Elfmeter. In neun Spielen!

Vor zehneinhalb Jahren ist der VfL unter dem Trainer Heiko Herrlich zuletzt aus der Bundesliga abgestiegen. Ein Jahr später, im Frühjahr 2011, verpasste Bochum unter Friedhelm Funkel die Rückkehr per Relegation gegen Mönchengladbach nur knapp. Seither ist man mit den Trainern Peter Neururer, Gertjan Verbeek und Robin Dutt der Bundesliga nie mehr nahe gekommen.

Eine Notlösung im September 2019 entpuppt sich mittlerweile als Glücksfall: Thomas Reis, 47, früher selbst VfL-Spieler und danach Trainer von Bochumer Jugend-, Frauen- und Amateurteams, wurde zum Chefcoach befördert. Er macht seine Sache gut. Sein Ausbilder beim DFB, Frank Wormuth sagte damals über den Trainer-Lehrgang 2014/15: "Dieser Kurs war individuell stark und das Niveau sehr hoch." Davon muss Reis profitiert haben, drei seiner Kollegen damals hießen Marco Rose, Florian Kohfeldt und Steffen Baumgart.

Allen vier Trainern zu eigen sind das hohe Pressing ihrer Mannschaften, die stete Suche nach schnellem Umschalten und das Scannen von Lücken in der Abwehrkette des Gegners, durch die Torjäger gen Ziel geschickt werden. Dass das alles am Montag bei Bochum so gut geklappt hat, darf aber nicht überinterpretiert werden. Denn diese Düsseldorfer, die im Sommer aus der Bundesliga abgestiegen waren und relevante Fußballer behielten, sind bislang im Unterhaus noch nicht wiederzuerkennen. Die Abwehr zeigt Lücken, wie man sie auf Parkstreifen an der Königsallee niemals finden würde, und im Sturm zeigen Rouwen Hennings und Kenan Karaman mit erst je zwei Treffern eine Zurückhaltung, wie man sie von Kellnern in Düsseldorfer Brauhäusern niemals zu sehen bekäme. Vier Platzverweise und sechs Elfmeter gegen sich hat die Fortuna in neun Spielen bereits bekommen - schwierige Zeiten für den Trainer Uwe Rösler.

Als elf Bochumer die zehn Düsseldorfer filetiert hatten, war auffällig, dass die Gastgeber sich trotzdem nicht dem Überschwang hingaben. Sie trauen der Lage noch nicht. Bei der 0:2-Niederlage drei Wochen zuvor gegen den aktuellen Spitzenreiter Greuther Fürth zeigten die Bochumer noch eine Leistung, die Grönemeyers Zeilen allenfalls verspotteten. Sie schienen damit einmal mehr zu demonstrieren, dass VfL-Leistungen bei tabellarischen Verheißungen oft diametral abkühlen.

So ist auch zu erklären, dass alle Beteiligten das 5:0 unverzüglich relativierten: "Der zweite Platz ist eine Momentaufnahme, das kann in zwei Wochen schon wieder ganz anders aussehen", sagte der Bochumer Doppeltorschütze Robert Zulj, bereits mit Blick auf die nächsten vier Gegner binnen 14 Tagen: Holstein Kiel (A), SC Paderborn (H), Hannover (A) und Heidenheim. "Es ist jetzt wichtig, dass wir auf dem Teppich bleiben, weil wir wissen, wie schnell das wieder kippen kann", sagte dazu VfL-Chefcoach Reis. Danny Blum sprach: "Wir sammeln jene Punkte, die man braucht, um in der Tabelle gar nicht erst unten rein zu rutschen." So hatte man die zweite Liga bisher noch gar nicht betrachtet: Beim Spitzenreiter Fürth und bei Verfolger Bochum beginnt bereits die Abstiegszone.

© SZ vom 02.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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