VfB Stuttgart:Zehn gegen elf

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„Schockiert“: Mario Gomez (rechts) kann seinen Platzverweis gegen Freiburg nicht fassen. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Der VfB macht auch den Schiedsrichter für das Remis gegen Freiburg verantwortlich. Beim 2:2 zeigen sich aber vor allem die Defizite der VfB-Elf.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

So erzürnt, wie Mario Gomez nach dem Spiel durch die Flure der Stuttgarter Arena eilte, hätte es niemanden mehr gewundert, wenn er Deniz Aytekin noch weiter provoziert hätte. Der Stürmer des VfB Stuttgart hätte den Schiedsrichter zum Beispiel noch explizit nach dessen Speiseplan vom Vortag fragen können. Aber Gomez, 33, verzichtete dann doch auf diese Provokation, er ist viel zu gut erzogen, um eine eskalierende Konfrontation auf offener Bühne auszuleben. Es waren ja auch ohnehin schon recht gravierende Vorwürfe, die er gegen Aytekin vorbrachte - und die in dieser Offen- und Direktheit ansonsten eher selten sind in der Bundesliga.

Unmittelbar nach der irren Schlussphase im Derby gegen den SC Freiburg (2:2), als die Stuttgarter den schon sicher geglaubten Sieg durch ein Gegentor von Florian Niederlechner in der 95. Minute noch verspielten, hatte Gomez schon Schiedsrichter Aytekin aufgesucht. Dieser hatte zuvor zwei eher übliche Kopfballduelle von Gomez streng mit zwei gelben Karten innerhalb von nur vier Minuten geahndet, was regelkonform einen Platzverweis mittels gelb-roter Karte zur Folge hat.

"Schockiert" sei er darüber gewesen, sagte Gomez später, und er fragte sich: "Wie soll ich sonst hochgehen zum Kopfball? Natürlich holt man aus. Ich habe in meiner Karriere drei Millionen solcher Zweikämpfe geführt." Aber deswegen kein einziges Mal vorzeitig gehen müssen.

Es war in der Tat das erste Mal in seiner schon 548 Pflichtspiele umfassenden Karriere als Berufskicker, dass ihn ein Schiedsrichter hinausgeschickt hatte. Man spürte, wie Mario Gomez das alles berührte. "Das muss man schon wollen", sagte er zunächst noch vorsichtig und etwas umständlich, um dann seine Verdachtsmomente nicht länger zu verbergen. Er bezichtigte Aytekin sozusagen der Rache für ein Interview vom Hinspiel in Freiburg, wo sich Gomez beim 3:3 ungerecht behandelt fühlte, was er anschließend auch recht deutlich vor der Fernsehkamera artikuliert hatte.

"Ich habe ihm gesagt, er hat sich das Hinspiel gut gemerkt", erzählte Gomez nun und erinnerte noch mal an ihre Unterredung von damals. "Während ich in die Kabine gelaufen bin, ist er auf mich zugestürmt und hat gesagt: 'Wenn das die Art ist, wie man miteinander redet, dann gute Nacht'". Für Gomez ließ das nur einen Schluss zu: Vielleicht habe Aytekin "nur darauf gewartet", Vergeltung zu üben. Ein Revanchefoul des Schiedsrichters sozusagen.

Diesen Vorwurf habe er auch so direkt gegenüber Aytekin geäußert, sagte Gomez. Die Antwort fiel allerdings nicht so aus, wie er sich das womöglich erhofft hatte. Aytekin habe geantwortet, er wisse nicht mal mehr, was er gestern gegessen habe, erzählte Gomez. "Es scheint, dass es keine Rache war. So habe ich das interpretiert, dann lag ich halt falsch damit."

Gomez' Sätze über die Darbietung des Schiedsrichters nahm Trainer Markus Weinzierl dankend auf. "Elf gegen elf hätten wir das Spiel definitiv gewonnen", befand der VfB-Coach; tatsächlich hatten Emiliano Insua (75.) und Daniel Didavi (83.) den Rückstand durch Janik Haberer (4.) ja in eine Führung verwandelt - bevor der VfB in der Schlussphase unter Druck geriet und dabei sicher auch den Kopfballspieler Gomez vermisste. So lenkten die Diskussionen um die gelb-rote Karte ja auch hübsch von den Defiziten ab, die das Spiel des VfB auch an diesem Tag prägten. In der Defensive ist fast jeder Spieler für einen folgenschweren Sekundenschlaf anfällig, in der Offensive fehlt es an Geschwindigkeit, Präzision und Einfallsreichtum.

Es gibt keine klare Struktur in dieser Elf, keine Achse aus Spielern, die den Laden auf und neben dem Rasen kraft ihrer Autorität zusammenhalten und an denen sich die Teamkollegen in schwierigen Momenten aufrichten könnten. Kapitän Christian Gentner hat mit sich und seiner Leistung derzeit genug zu tun, Gomez legt sich lieber mit dem Schiedsrichter an und bekommt ansonsten kaum verwertbare Bälle, und in der Abwehr war Weltmeister Benjamin Pavard zuletzt zu lange verletzt, um sich stilbildend einbringen zu können. Ein anderer Profi, der das Team prägen könnte, war zuletzt notorisch krankgeschrieben, und wie wichtig dieser Daniel Didavi fürs Team ist, zeigte er nach seiner Einwechslung und seinem Führungstor in der 83. Minute. Weinzierls These, wonach sein Team die Partie ohne Platzverweis siegreich beendet hätte, ließ sich natürlich nicht widerlegen. "Ich finde schon, dass das dem Gegner noch mal einen Push gibt, allein schon, weil du auf die erste Reihe dann nicht mehr so viel Druck ausüben kannst." Druck von Gomez beispielsweise.

Mit einem Sieg hätten die Stuttgarter Anschluss an das hintere Mittelfeld finden und sich von den direkten Abstiegsplätzen deutlich absetzen können; nun aber fehlen weiterhin schon sieben Punkte auf Fortuna Düsseldorf, den nächsten Gegner.

Mario Gomez muss sich diese Partie im Fernsehen anschauen. Mit dem Schiedsrichter zu diskutieren, das möchte er sich künftig abgewöhnen, bringt ja eh' nichts, wie er findet: "Der Schiedsrichter ist der Stärkere, ich muss machen, was er sagt."

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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