VfB Stuttgart:Ausgeh-Abend für den Nachwuchs

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Zufriedene Verlierer: Stuttgarts Nathaniel Phillips (re.) und Nicolas Gonzalez. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

Stuttgart verliert 1:2 in Leverkusen, sieht die Leistung aber als Bestätigung für den Weg, der zurück in die Bundesliga führen soll.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Von oben besehen konnte man meinen, dass Stuttgarts Spieler mit der Nummer 10 einer dieser jungen Fußballer wäre, die erhebliche Teile der Freizeit mit der Gestaltung ihrer Frisur verbringen. Seine kurzen, vielzähligen Dreadlocks hatte er über den rasierten Seitenflächen zu einer Art Scheiterhaufen getürmt. Darüber müsste nicht berichtet werden, wenn es sich bei dieser Betrachtung nicht um einen fürchterlichen Irrtum handelte. Der Mann, der beim Pokalspiel in Leverkusen die Nummer 10 auf dem VfB-Trikot tragen durfte, gehört ja mitnichten der Bubi-Generation Z an - er ist vielmehr einer der letzten verbliebenen Millennials im radikal verjüngten Stuttgarter Profikader. Mit seinen 29 Jahren führte Daniel Didavi an der Seite des nahezu greisenhaften Gonzalo Castro, 32, eine Mannschaft an, die gegen Ende der Partie einen Altersschnitt von 22,1 Jahren aufwies und den arrivierten Leverkusenern bis zum Schlusspfiff Angst und Schrecken bereitete. Der Favorit setzte sich 2:1 durch, aber es war eng, um nicht zu sagen: sehr eng.

Den letzten Angriff seines Teams verfolgte VfB-Torwart Fabian Bredlow mit flehenden Rufen: "Bitte mach ihn, bitte mach ihn", so habe er vor sich hingesprochen, als der durchaus brillante Angriff über Silas Wamangituka und Nicolas Gonzalez bei dem mitten im Strafraum frei gelassenen Mateo Klimowicz ankam. "Aber das Ding war schwer zu nehmen", räumte Bredlow ein, der Ball flog knapp über die Latte. Dem Torwart hätte der Ausgleich schon deshalb gut gefallen, weil er selbst es war, der den erstaunlich harmlosen Leverkusenern die Arbeit abgenommen und das 0:1 (72.) verursacht hatte, indem er einen Eckstoß ins eigene Tor boxte. Während in diesem Moment viel Pech im Spiel war, entschied das Glück die nächste eklatante Strafraumszene - allerdings wieder zu Bredlows Ungunsten: Der Ball, den er abgewehrt hatte, flog mehr oder weniger gegen das Knie von Bayer-Stürmer Lucas Alario und dann weiter ins Tor. Alario, als Mittelstürmer normalerweise stolz auf jeden noch so erstolperten Treffer, verzichtete diesmal aufs Jubeln, es genügte ihm, seinen Dusel zu belächeln.

Diese Bescheidenheit war angebracht, die Leverkusener spielten so desorganisiert, dass es aussah wie die Anwendung der Chaostheorie - ein Konzept, das Peter Bosz sicher nicht angeordnet hatte. Die Parole des niederländischen Trainers, der Pokal sei für Bayer 04 "der wichtigste Wettbewerb", fand am Spieltag keine Bestätigung: weder auf den halb leeren Rängen noch auf dem Spielfeld. Stattdessen war bei den Profis eine in diesem Klub nicht gänzlich unbekannte Lethargie und Wurscht-egal-Haltung auszumachen, obwohl erstmals der viel gerühmte Winterzugang Exequiel Palacios zum Einsatz kam. Der Mittelfeldspieler gehörte während der ersten Hälfte zu den besten, in der zweiten Hälfte aber zu den unscheinbarsten Leverkusenern. Immerhin führte seine Anwesenheit dazu, dass an diesem Abend zwischenzeitlich vier Argentinier auf einmal den Platz bevölkerten: Palacios, Alario, Gonzalez und der Fast-Schütze des Ausgleichs Klimowicz, Sohn des früheren Wolfsburgers und Dortmunders Diego Klimowicz.

So ergab es sich, dass am Ende die Sieger recht zerknirscht und die Verlierer recht zufrieden nach Hause fuhren. Der idealistisch gesinnte VfB-Sportdirektor Sven Mislintat, der die vielen Junioren ins Haus geholt hat, sah den Ausgeh-Abend der Nachwuchskräfte als Bestätigung seiner Linie: "Wir gewinnen immer mehr hochwertige Spieler für das, was wir vorhaben." Gleichwohl muss am Samstag um 13 Uhr beim Treffen mit Erzgebirge Aue erst mal am hochwertigen Aufstieg gearbeitet werden. Leverkusen bekommt es am selben Tag mit Borussia Dortmund zu tun. Der BVB sollte gewarnt sein: Nach diesem trüben Auftritt wäre gemäß der Vereinstradition ein herausragender Bayer-Auftritt logisch.

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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