Vermarktung:Ungebrochenes Interesse

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Auch für das Publikum in den USA interessant: Topspieler wie Cristiano Ronaldo erhöhen in Nordamerika das Interesse am europäischen Fußball, sagt Daniel Sillman von der Vermarktungs-Agentur Relevent Sports Group. (Foto: Jennifer Lorenzini/Reuters)

"Die Fußballindustrie wird einen Balanceakt vornehmen müssen": Wenn der europäische Fußball weiter wachsen will, muss er sich für Investoren öffnen und bereit sein, stärker zu expandieren, sagt der Vermarktungsexperte Daniel Sillman. Er ist sich sicher, dass die Relevanz von Spielen europäischer Mannschaften im Ausland steigen wird.

Von Javier Cáceres, Berlin

Trotz der Corona-Krise und einbrechenden Einnahmen der europäischen Profiklubs sieht einer der wichtigsten Fußball-Promoter der USA ein ungebrochenes Interesse internationaler Investoren am europäischen Profifußball. "Das Interesse war und bleibt massiv", sagte Daniel Sillman, Vorsitzender der Geschäftsführung von Relevent, der Süddeutschen Zeitung. Sillman zeigte sich davon überzeugt, dass die Krise die europäischen Klubs - auch die deutschen - verstärkt dazu zwinge, neue Wege zu gehen, um an frische Finanzmittel zu kommen.

Zuvor hatte der Chef der Deutschen Fußball-Liga DFL, Christian Seifert, am Rande der Tagung zur Verteilung der Fernsehgelder über den Einstieg "internationaler Investoren" im Bereich der internationalen Medienrechte in Aussicht gestellt. Im Februar würden Gespräche beginnen, sagte Seifert.

Der US-Konzern Relevent vermarktet unter anderem das Sommerturnier "International Champions Cup" in den USA und in Asien. Das Turnier wurde 2013 erstmals ausgetragen. Die großen Klubs des europäischen Fußballs sind dort regelmäßig zu Gast, aus Deutschland waren der FC Bayern München und Borussia Dortmund oft dabei. In Spanien ist Relevent aber auch deshalb ein Begriff, weil der Vermarkter zusammen mit der Liga de Fútbol Profesional (LFP), dem spanischen Pendant zur DFL, vor über einem Jahr den Versuch unternahm, ein offizielles Ligaspiel auszutragen. Seinerzeit scheiterte der Plan am Widerstand von Fans, aber auch des US-Verbandes und des Weltverbandes Fifa.

Beim Fußball ist der kulturelle Unterschied zwischen den USA und Europa groß

Sillman betont, das letzte Wort über die Austragung von Punktspielen europäischer Klubs auf US-amerikanischem Boden sei nicht gesprochen. "Wir sind dankbar, dass das US-Justizministerium klargestellt hat, dass ein Verbot offizieller Ligaspiele auf US-Boden durch den US-Verband und die Fifa gegen Kartellrecht verstoßen würde", sagt er. Sobald der Rechtsstreit zu seinen Gunsten entschieden sei, würden die Türen für Ligaspiele anderer Länder auf US-Boden geöffnet. Auch für die Bundesliga? "Es ist unser Traum. Aber so weit sind wir noch nicht", sagt Sillman.

Die Widerstände gegen spanische Ligaspiele in den USA überraschen Sillman nicht. Er sei sich bewusst, dass es einen großen Unterschied zu Europa gebe: "In den USA erkennen wir stärker an, dass Profisport eine Unterhaltungsindustrie ist", während der Fußball in Europa "Teil der Kultur, der Gemeinschaft ist. Wir müssen damit sehr respektvoll umgehen."

Gleichwohl unterstreicht er, dass es angebracht sei, sich die internationale Expansion der Basketball-Liga NBA bis nach China, oder der American-Football-Profiliga NFL nach Mexiko und Europa anzuschauen. "American Football ist ein historischer, in den USA tief verwurzelter Sport, ein integraler Bestandteil der Fabrik der amerikanischen Kultur. Auch hier gab es Widerstände gegen Spiele in Europa oder in Mexiko", sagt Sillman. "Wenn man aber jetzt mit Spielern, Trainern und Klubbesitzern spricht, stellt man fest: Sie lieben es, im Ausland zu spielen. Und sie verstehen, dass es wichtig für das Wachstum des Spiels ist."

"Wenn die Fußballindustrie wachsen will, muss sie international expandieren", sagt Daniel Sillman, Vorsitzender der Geschäftsführung des US-Konzerns Relevent. Die Agentur vermarktet unter anderem das Sommerturnier "International Champions Cup", bei dem regelmäßig die großen Klubs des europäischen Fußballs zu Gast sind. (Foto: Javier Rojas/ZUMA Press/imago)

Jenseits davon scheint das Interesse internationaler Investoren tatsächlich ungebrochen zu sein. Vor wenigen Wochen stieg die Private-Equity-Firma CVC in die Serie A ein; für satte 1,7 Milliarden US-Dollar sicherte sie sich zehn Prozent an den TV-Rechten der Serie A bis 2030. "Das war erst die erste richtig große Transaktion", unterstreicht Sillman. "Die Investoren werden den Ligen, die aufgrund von Covid wirtschaftliche Probleme bewältigen müssen, ihre Unterstützung anbieten", prognostiziert er.

Vor allem in den besten fünf Ligen gehe es um massive Verpflichtungen, vor allem bei den Spielergehältern. Und das zu einer Zeit, in der Klubs bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen verlieren würden, weil keine Fans mehr in die Stadien kommen und Medienrechte-Einnahmen zurückgehen: "Die Fußballindustrie wird einen Balanceakt vornehmen müssen - zwischen der Notwendigkeit, die nötige Unterstützung anzunehmen, und dem Verlust der Kontrolle über das Spiel", sagt Sillman.

In den USA ist für Sillman der wettbewerbsstärkste Medienmarkt der Welt beheimatet

Er ist davon überzeugt, dass die Relevanz von Fußballspielen europäischer Mannschaften im außereuropäischen Ausland steigen wird, besonders in den USA. Dort sei der wettbewerbsstärkste Medienmarkt der Welt beheimatet, "aber die Medienverträge für Fußball sind die kleinsten aller Länder". Der Profifußball habe "einen großartigen Job gemacht, um in Europa zu wachsen", nun sei man an Grenzen gestoßen, sei der Angebotsmarkt "konsolidiert", die Wachstumsraten hätten sich verringert: "Wenn die Fußballindustrie wachsen will, also mehr Geld für Spieler und Fanerfahrungen haben will, muss sie international expandieren", sagt Sillman. "Der beste Weg, das zu erreichen, besteht darin, ihre Spieler international spielen zu lassen."

Nur die Nähe der Stars wie Neymar, Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Robert Lewandowski würde das Interesse am Sport in den USA erhöhen: "Ein TV-Anbieter wie ESPN würde definitiv mehr Geld zahlen, wenn er mehr Promotion-Werkzeuge an die Hand bekäme." Alle paar Jahre ein Spiel von Bayern München oder Dortmund oder anderen großen Klubs würde die Erlöse durch internationale Rechte enorm steigern, vermutet Daniel Sillman - "für den FC Bayern und Dortmund, mittelbar aber auch die anderen Klubs der Bundesliga".

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