US-Sport:Triple statt Bohnen

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Boston könnte die erste Stadt in Nord-Amerika mit drei großen Titeln werden - sogar vier Meisterschaftserfolge waren möglich, doch die Basketballer der Celtics verloren.

Von Jürgen Schmieder, Boston/Los Angeles

Die St. Louis Blues haben mit einem 5:1-Sieg am Dienstagabend das Stanley-Cup-Finale erreicht, sie werden in der Best-of-seven-Serie der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL von Montag an gegen die Boston Bruins antreten. Das klingt nicht besonders spektakulär, allerdings: Die Blues verhinderten durch den Erfolg gegen die San José Sharks das dritte Finalduell zwischen Boston und Kalifornien innerhalb von sieben Monaten. Die Boston Red Sox hatten im Oktober die World Series im Baseball gegen die Los Angeles Dodgers gewonnen, vier Monate später siegte die Football-Franchise New England Patriots im Super Bowl gegen die Los Angeles Rams.

Es gibt in den Vereinigten Staaten diese absurde und gerade deshalb so spannende Debatte über die tollste Sportstadt des Landes, und dabei spielt der Sport-Chauvinismus in diesem Land eine nicht unbedeutende Rolle. Los Angeles zum Beispiel hatte im Jahr 2002 vier Titelträger beheimatet, jedoch nur zwei aus den vier großen US-Männersportarten. Die Lakers (Basketball) und die Angels (Baseball) sind deshalb in der Debatte über die grandioseste Sportstadt im Lande akzeptiert worden, über die Meisterschaft der Sparks hieß es allerdings: Ach, Frauen-Basketball. Und über die von Los Angeles Galaxy: Ach, Fußball.

Sogar vier Meister waren möglich, doch die Basketballer verloren

Es zählen in dieser natürlich völlig subjektiv geführten Debatte (jeder wählt die Fakten, die seiner Stadt argumentativ helfen könnten) nur Titel in den Sportarten Basketball, Baseball, Eishockey und American Football - und es zählen nur die Meisterschaften von Männerteams. So ist Detroit die bislang einzige Stadt, die gleichzeitig drei Titelträger beheimaten konnte: 1936 besaßen die Tigers (Baseball), Red Wings (Eishockey) und Lions (Football) die Trophäen ihrer Disziplinen - allerdings gab es damals einen Haken: Die Lions gewannen ihre Meisterschaft 31 Jahre vor dem Zusammenschluss der rivalisierenden Footballligen - und damit vor der Ära der Super-Bowl-Finalspiele.

Es hat in den vergangenen 50 Jahren (ein allein wegen der runden Zahl 50 gewählter Zeitraum) nur fünf Städte mit zwei Titelträgern gleichzeitig gegeben: New York im Jahr 1969 (Mets und Jets), Baltimore 1970 (Orioles und Colts), Los Angeles 1988 (Dodgers und Lakers), Pittsburgh 2009 (Steelers und Penguins) sowie Boston 2004 (Patriots, Red Sox) und 2008 (Celtics, Red Sox). Wer geografisch nicht pingelig ist, der akzeptiert bei Metropolregionen wie New York das Jahr 2000 (Yankees und New Jersey Devils), bei Los Angeles das Jahr 2002 (Lakers und Anaheim Angels) und bei der Bay Area im Norden Kaliforniens die Jahre 1989 (San Francisco 49ers und Oakland A's) und 2015 (San Francisco Giants und Golden State Warriors).

Boston könnte nun also die erste Stadt werden, die drei Titelträger gleichzeitig beherbergt - sollten nach den Red Sox und Patriots auch die Bruins Meister werden. Die Bostoner Sport-Unternehmen haben in diesem Jahrtausend bereits zwölf Titel in den vier bedeutsamen Männersportarten gewonnen, und dies führt zu jener Eigenschaft der Bostonians, die sie überhaupt nicht leiden können im Rest der Vereinigten Staaten: eine Bescheidenheit, die nur Leute besitzen, die wissen, dass sie sich diese Bescheidenheit leisten können.

Okay, aufgrund der vielen Meisterschaften nennen sie sich mittlerweile "Titletown" oder "City of Champions" in Boston, grundsätzlich gehen sie mit ihren Erfolgen aber zurückhaltender um. William Tudor, Bostonian und Absolvent der Harvard University, änderte im Jahr 1819 den Spitznamen der Stadt. Boston war damals bekannt als Beantown, weil es nach Ansicht der Besucher nur gebackene Bohnen zu essen gab - den Einwohnern der Stadt gefiel diese Bezeichnung natürlich nicht. Los Angeles ist die Stadt der Engel und damit ein scheinbar transzendenter Ort. New York hält sich für die "The Greatest City on Earth", die großartigste Stadt der Welt. Tudor nannte Boston schlicht: "The Athens of America", das Athen Amerikas.

Sie würden sich wohl neue Spitznamen ausdenken, sollten die Bruins wirklich den Stanley Cup gewinnen und der Stadt einen dritten Titelträger schenken: Triple-Titletown zum Beispiel oder Triple Crown in Beantown. Das allerdings würde die Leute weniger ärgern als diese ewige, demonstrative Bescheidenheit. Es hätte bekanntlich noch ein Duell geben können zwischen Boston und Kalifornien, im Basketball. Doch die hoch gehandelten Boston Celtics scheiterten im Viertelfinale gegen die Milwaukee Bucks und verpassten die NBA-Finalserie gegen die Golden State Warriors.

Ein Anrufer beim führenden Sportradiosender der Stadt (98,5 - The Sportshub) sprach deshalb nicht über diese aktuelle, historische Chance, drei Titelträger gleichzeitig zu beheimaten. Er beschwerte sich stattdessen: "Die Celtics haben uns die Chance auf den Grand Slam vermasselt." Ach, Boston.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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