US-Sport: Detroit Pistons:Pizza und Spiele

Lesezeit: 3 min

Der Milliardär Mike Ilitch will mit dem Kauf der Pistons helfen, seine Heimatstadt Detroit zu sanieren - doch er hat auch wirtschaftliche Interessen.

Jürgen Schmieder

Als Dave Bing noch Basketballprofi bei den Pistons war, da trug der Verein seine Heimspiele in der Cobo Arena aus, in der Innenstadt von Detroit. Ende der sechziger Jahre war das, der Automobilindustrie ging es blendend, dem Musiklabel Motown ebenfalls. Künstler wie Diana Ross oder Marvin Gaye kamen zu den Partien der Pistons und vergnügten sich danach im aufregenden Nachtleben. Ein Mann namens Mike Ilitch hatte ein paar Jahre zuvor seine gesamten Ersparnisse in einen Pizza-Lieferservice investiert.

Die Symbolfigur der Pistons: Ben Wallace gewann 2004 mit Detroit den NBA-Titel - und kehrte im vergangenen Jahr nach seiner Zeit in Chicago und Cleveland zurück zu seinem ersten Verein. (Foto: REUTERS)

40 Jahre später spielen die Pistons im Vorort Auburn Hills, das Nachtleben von Detroit ist vor allem für Wölfe interessant, die sich in den abbruchreifen Häusern einnisten. Bing ist mittlerweile Bürgermeister dieser Stadt, von der nicht wenige behaupten, die einzige Perspektive sei der Blick über den Detroit River auf die kanadische Stadt Windsor. Ilitch hat seine Pizzakette zum größten Lieferservice weltweit ausgebaut und gehört laut Forbes zu den 400 reichsten Menschen der USA.

Bing und Ilitch haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen aus Detroit wieder eine blühende Stadt machen, ihr Motto lautet vereinfacht ausgedrückt: Pizza und Spiele. Als Karen Davidson kürzlich verkündet hatte, die Detroit Pistons noch vor Saisonbeginn im Oktober verkaufen zu wollen, erklärte Ilitch sogleich, ein Angebot abgeben zu wollen. Ihm gehören bereits die Red Wings (Eishockey) und die Tigers (Baseball), würde er auch die Pistons kaufen, dann könnte er nicht nur die Innenstadt Detroits verändern, sondern wäre auch einer der mächtigsten Männer im amerikanischen Sport - nur Wayne Huizenga hat zuvor drei amerikanische Profiklubs gleichzeitig besessen.

Sichere Zufluchtsorte

"Meine Frau Marian und ich sind hier aufgewachsen, Detroit ist unser Zuhause", sagt Ilitch: "Als ich las, dass diese großartige Sportstadt einen ihrer Vereine verlieren könnte, musste ich aktiv werden." In den USA bestimmt der Eigentümer eines Vereins, in welcher Stadt der Klub spielen soll - und Bürgermeister locken die Besitzer nicht selten mit dem Bau eines neuen Stadions. Ilitch möchte die Pistons, laut Forbes 479 Millionen US-Dollar wert, aus Auburn Hills zurückholen nach Dowtown Detroit. "Ich will, dass die Pistons wieder die Detroit Pistons werden", sagt Ilitch. Er will eine Arena bauen, die nur wenige Meter entfernt vom Comerica Park, Heimstätte der Tigers, und dem Ford Field, Stadion des Footballvereins Detroit Lions, liegt. In dieser Halle sollen dann nicht nur die Pistons und die Red Wings spielen, sondern auch Künstler auftreten. "Es hört sich vielversprechend an", sagt Bing. "Ich freue mich über die Möglichkeit, die Pistons wieder nach Hause zu holen."

Das wären dann drei große Sport-Arenen mitten in der Stadt, eine komplett renovierte Konzerthalle (Fox Theatre) und ein neu erbautes Casino (MotorCityCasino) daneben sowie zahlreiche Restaurants, Bars und Kinos in Laufweite. Es sind schon heute sichere Zufluchtsorte inmitten einer Stadt, die als die gefährlichste der USA gilt und in der Stadtführer Touristen raten, Ringe abzunehmen, weil sonst bald die Finger fehlen könnten, an denen sie stecken. Detroits Bürger sind stolz auf ihre Sportvereine, und je schlimmer die finanzielle Lage der Stadt wurde, desto wichtiger wurden die Klubs. Bing weiß, dass er aktiv werden muss. Einer seiner Vorgänger, Kwame Kilpatrick, sitzt im Gefängnis, weil er öffentliche Gelder für Orgien im Rathaus ausgab. Was wäre also besser, als mit der Rückkehr der Pistons ein positives Zeichen zu setzen?

Die Statue "Spirit of Detroit" im Footballdress: Die Einwohner von Detroit lieben ihre Sportvereine. (Foto: REUTERS)

Ilitch ist einer der größten Gönner Detroits und gibt pro Jahr mehrere Millionen Dollar für Hilfsprojekte aus. Er lädt Kinder zum Essen ein, er kocht für die Kriegsveteranen der Stadt und fördert talentierte Sportler. Der Milliardär ist aber auch ein cleverer Geschäftsmann. Er gilt als Erfinder des Prinzips "buy one, get one free", bei dem man beim Kauf einer Pizza eine zweite gratis dazu bekommt. Warum also nicht ein Ticket für die Red Wings hinzu bekommen, wenn man eine Eintrittskarte für die Pistons kauft?

Ein weiterer Grund für Ilitchs Interesse an den Pistons: Eine lebendige und sichere Innenstadt steigert den Umsatz der umliegenden Einrichtungen, die meisten davon - wie das Fox Theater oder das MotorCityCasino - gehören der Ilitch-Familie. "Ilitch hat viel getan für diese Stadt, die Menschen müssen ihm dankbar sein", hieß es in einem Kommentar der Detroit Free Press. "Aber man muss darüber nachdenken, ob es gut ist, wenn einer einzelnen Familie die komplette Innenstadt gehört."

Den Bürgern von Detroit scheinen diese Bedenken egal zu sein, es gab Demonstrationen für einen Verkauf der Pistons an Ilitch. Der römische Dichter Juvenal schrieb bereits vor 2000 Jahren, dass sich ein verzweifeltes, verängstigtes und politikverdrossenes Volk nur zwei Dinge wünscht: Brot und Spiele. Ilitch gibt den Menschen von Detroit beides.

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: