Union Berlin:Mit Masken im Mannschaftsbus

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Weißt Du noch, damals im Oktober 2019? Die alten Rivalen Neven Subotic und Robert Lewandowski beim Hinspiel in München. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Das erste Heimspiel gegen die Bayern - und dann ohne Zuschauer. Der Aufsteiger sehnt sich nach Normalität

Von Javier Cáceres, Berlin

Irgendwas ist immer, wenn der 1. FC Union Berlin nach Höherem strebt. Frotzelte jedenfalls Union-Präsident Dirk Zingler, als die Bundesliga Mitte März in die Corona-Pause ging.

Eine kleine Revue der Vereinsgeschichte gefällig? Voilà! 1968 holte Union den FDGB-Pokal, durfte aber im Europapokal der Pokalsieger nicht antreten. Wegen der Niederschlagung des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" durch die Truppen des Warschauer Pakts trennte Europas Fußballverband Uefa die Teilnehmer an den Kontinentalwettbewerben in Ost- und Westeuropäer; die DDR zog aus Protest ihre Mannschaften zurück. Lange nach dem Ende der DDR, im Jahr 2001, rutschte Union als DFB-Pokalfinalist in den Uefa-Cup. Weil am 11. September jenes Jahres zwei Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center geflogen waren, wurde die Erstrunden-Partie Unions bei Haka Valkeakoski in Finnland verschoben. Nun, im Jahr der ersten Bundesligazugehörigkeit Unions in der Geschichte: Corona. Ein letztlich neunwöchiger Stopp, Ungewissheit, erst seit Mittwoch: Licht am Ende des Tunnels. Am Donnerstag trat Zingler wieder vor die Presse, in persona übrigens und nicht virtuell, und sagte: "Natürlich bin ich dankbar, dass wir die Möglichkeit bekommen, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen." Diese Chance zu nutzen wog schwerer als der Wunsch von Trainer Urs Fischer, 54, noch "einen maximalen Vorbereitungszeitraum" herauszuschlagen.

Noch ehe Zingler im VIP-Raum des Stadions An der Alten Försterei vor die Medien trat, trainierten die Spieler Unions auf dem Rasen. Und es war zu erahnen, dass der Weg zurück noch Kurven birgt: Es waren nur Übungen unter Wahrung von - im Lichte früher geltender Gewohnheiten absurd anmutenden - Abständen erlaubt. Die Behörden hatten den Antrag auf Teamtraining noch nicht bearbeitet; am Morgen kam gar eine Abordnung des Ordnungsamts vorbei, um die Einhaltung der Auflagen zu kontrollieren. Die Vorbereitung in Mannschaftsstärke für das erste Heim-Pflichtspiel gegen Bayern München überhaupt musste also noch warten. Die Partie soll am Sonntag, den 17. Mai, um 18 Uhr steigen. Genauso wie die Exerzitien vom Donnerstag: vor leeren Rängen.

Diese Leere ist die größte Herausforderung, die Union, die der Fußball überhaupt jetzt zu bewältigen hat, sagte Zingler: "Der Fußball ist über den Menschen mit der Gesellschaft verankert." Dass "diese Verankerung jetzt und auch in den nächsten Wochen nicht möglich ist", hält er im Grunde für ein Drama. Auch wenn er es anders ausdrückte: "Wir werden die Stadionatmosphäre vermissen." Oder: "Wir müssen uns alle darum bemühen, die Zeit, in der wir nur Fernsehspiele haben, so gering wie möglich zu halten." Das heißt: die logistischen und hygienischen Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu erfüllen.

Die meiste Arbeit, so erzählen sie es im Klub, hat in den vergangenen Tagen Manager Oliver Ruhnert gehabt. Er musste verschiedene Szenarien durchspielen und daraus verschiedene Planungen entwickeln, ehe sich die DFL für den 16. Mai als Starttermin entschied. Schon am Mittwochabend stand fest, dass Union in ein Sporthotel im 300 Kilometer entfernten Barsinghausen in Niedersachsen reisen wird. Die Profis werden sich zur Einhaltung der Sicherheitsabstände auf zwei vereinseigene Mannschaftsreisebusse aufteilen, natürlich Gesichtsmasken tragen. Der Staff reist in gesonderten Fahrzeugen hinterher. Die im Hotel vorhandenen Fitness- und Krafträume, die Sauna, die Whirlpools, die Bars dürfen nicht genutzt werden. Dafür gibt einen Outdoor-Fitness-Parcours, fünf Rasenplätze, einen Torwarttrainingsplatz. Und auf den Zimmern sind alle Annehmlichkeiten des Alltags vorhanden - Telefon, Pay-TV und W-Lan -, um einem Lagerkoller entgegenzuwirken. Wobei: Es wird kein langer Aufenthalt. Am Vorabend der Partie gegen die Bayern soll es ja schon wieder zurück ins übliche Mannschaftshotel nach Berlin gehen.

Als unwahrscheinlich gilt, dass Yunus Malli dabei sein kann. Der Grund: unklare Corona-Befunde beim Leihspieler vom VfL Wolfsburg. Malli, 28, ist zwar "gesund und nicht infektiös", wie Union-Manager Ruhnert erklärte, und er stehe auch nicht mehr unter Quarantäne. Aber die Erlaubnis, mit dem Team zu trainieren, fehlt. Malli hatte sich Anfang April in häusliche Quarantäne begeben müssen, eine Person aus seinem Hausstand war positiv getestet worden. Malli selbst steckte sich wenig später an, es folgte ein Mix aus negativen, positiven und unklaren Befunden. Doch auch für Malli gilt ein Satz, den Präsident Zingler grundsätzlich meinte, als er ihn aussprach, und für den es Beispiele aus der Union-Historie gibt: "Es wird auch einen Tag nach der Krise geben."

© SZ vom 08.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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