Union Berlin:Beseelt unterm Baum

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Ruppig in der besinnlich Zeit: Hoffenheims Benjamin Hübner stoppt Unions Angreifer Sebastian Andersson. (Foto: Bernd König/imago)

Trotz der 0:2-Niederlage gegen Hoffenheim feiert der Aufsteiger ein 20-Punkte-Polster - und gelangt zu der Erkenntnis: "Wenn wir nicht sehr gut sind, wird's schwierig."

Von Javier Cáceres, Berlin

Das traditionelle "Weihnachtssingen", zu dem sich seit einigen Jahren die Unioner im Stadion An der Alten Försterei, treffen, steht noch aus. Doch Sehnsucht nach tröstenden, selbstversichernden Chören hatten die Fans des 1. FC Union schon Dienstagabend -, aus aktuellem Anlass, nicht etwa zur Feier tiefreligiöser Feste. Gemeinsames Singen verbindet, heißt es, sogar eh schon synchron schlagende Herzen ticken dann noch genauer im gleichen Takt. Die Notwendigkeit, die Stimmung zu heben, sie ergab sich aus dem Resultat des vorletzten Hinrunden-Spieltags. Die TSG 1899 Hoffenheim siegte in Köpenick mit 2:0 - und zerstörte so in der Alten Försterei den Nimbus von der uneinnehmbaren Festung. Es war Unions erste Niederlage nach vier Heimtriumphen.

Die drei Punkte nahmen die Hoffenheimer gerne mit; dass Trainer Alfred Schreuder dennoch krittelte, hatte ausschließlich damit zu tun, dass er aus den Niederlanden und damit aus einer Fußballkultur stammt, die bei Siegen und Niederlagen nicht erst nach dem "Ob" fragt, sondern vor allem nach dem "Warum".

"Letzte Woche (gegen den FC Augsburg) hatten wir viel mehr verdient zu gewinnen, weil wir viel besser gespielt haben", sagte also Schreuder und rief damit das in vieler Augen ungerechtfertigte 2:4 gegen die Schwaben in Erinnerung, das die Serie der sieglosen Spiele seines Teams auf vier hatte anwachsen lassen. Gegen Augsburg, räsonierte Schreuder, habe man strukturell gut verteidigt, aber punktuell Fehler begangen, die bestraft wurden. In Berlin wiederum hatte er "ein klares Unentschiedenspiel" gesehen -, mit einem Sieg, den sein Union-Kollege Urs Fischer "schlussendlich" als verdient interpretierte.

In Fischers Analyse hieß es, dass Union in vielen Belangen ein paar Prozentpunkte gefehlt hätten, er nannte ausdrücklich die Effizienz, die Entschlossenheit, "die Hartnäckigkeit in dem ein oder anderen Duell" - aber auch das so genannte Wettkampfglück. Dieses war den Hoffenheimern vor allem beim Führungstreffer hold, denn Christian Lenz fälschte einen Distanzschuss von Ihlas Bebou so ab, dass er sich über Unions Keeper Rafal Gikiewicz hinweg unerreichbar ins Tor senkte (56.). "Ich denke nicht, dass der sonst reingegangen wäre", gestand Bebou. Das 2:0 wiederum erzielte Einwechselspieler Christoph Baumgartner in der 90. Minute. Und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem Fischer längst ein Urteil gefällt hatte, das nach bereits 20 und damit überraschend vielen Punkten als eine Art Warnung vor allzu viel vorweihnachtlicher Bequemlichkeit gelten musste: "Gut reicht nicht. Wenn wir nicht sehr gut sind, wird's schwierig", sagte Fischer.

Exemplarisch sichtbar war das bei den vielen guten und vorzüglich herausgespielten Chancen: Anthony Ujah (13.) und Sebastian Andersson (83.) tauchten allein vor Hoffenheims Torwart Oliver Baumann auf, scheiterten aber. Umgekehrt kamen die Hoffenheimer mit jeder Sekunde besser ins Spiel -, und dass das aus dem Willen zum Kampf erwuchs, registrierte Schreuder mit Enthusiasmus. Dieser trug auch dazu bei, dass er sich nach Abpfiff auf die Spielertraube an der Eckfahne stürzte, die sich nach dem 2:0 gebildet hatte.

Beide Teams werden das Kalenderjahr im Mittelfeld der Tabelle beschließen. Das sorgt für beseelte Adventsstimmung. Im Fall der Hoffenheimer, weil sie im Sommer Leistungsträger wie Joelinton, Demirbay und Amiri sowie ihren Trainer Julian Nagelsmann hatten ziehen lassen. Im Fall der Köpenicker, weil sie in der Liga neu sind und schon 20 Punkte haben. Auch deshalb ist Unions Kapitän Christopher Trimmel sicher, dass man Montag mit einem Lächeln zum Weihnachtssingen gehen und später ebenso unterm Weihnachtsbaum liegen werde: "Das kann ich versprechen, dass wir mit keinem unguten Gefühl in den Urlaub gehen."

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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