U21:Kaltstart in Szekesfehervar

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Aufstieg oder Enttäuschung? Bei der EM der Senioren wäre Ridle Baku Ersatzspieler gewesen. Bei der U21 ist er Stammspieler. (Foto: Kevin Voigt/imago)

Ridle Baku war in der abgelaufenen Saison der sprintfreudigste Spieler der Bundesliga. Er hatte gehofft, für Joachim Löw zur EM zu rasen, und sei es als Ergänzungsspieler. Das hat nicht geklappt. Stattdessen reist er nun als Führungsspieler zur U21-EM-Endrunde nach Ungarn - und danach zu den Olympischen Spielen.

Von Ulrich Hartmann

Ridle Baku hätte natürlich auch gern bei der großen Europameisterschaft mitgespielt. "Ich hatte schon ein bisschen Hoffnung darauf", verrät der junge Flügelspieler vom VfL Wolfsburg. "Ich akzeptiere aber, dass es nicht gereicht hat, und versuche nun umso mehr, dann eben mit der U21 den EM-Titel zu holen."

In Joachim Löws Nationalmannschaft hätte sich der 23-Jährige hinten anstellen müssen. Im Nachwuchsteam beim Trainer Stefan Kuntz hingegen ist Baku Stamm- und Führungsspieler. Am kommenden Montag steht in Ungarn das Viertelfinale gegen Dänemark an. Seit Montag bereitet sich die U21 darauf in Südtirol vor. "Ich bin bereit voranzugehen", sagt ganz entschlossen der in Mainz geborene Sohn kongolesischer Eltern. Außerdem freue er sich schon auf Olympia im Juli.

Eine traumhafte Saison hat für Baku im vergangenen September kurioserweise mit zwei Niederlagen im Trikot des Abstiegskandidaten Mainz 05 begonnen. Offenbar hätte ihn Anfang Oktober dann gerne der FC Bayern verpflichtet, nachdem sich der Münchner Wunschkandidat für den Rechtsverteidiger-Posten, der junge Niederländer Sergino Dest, für den FC Barcelona entschieden hatte. Doch Baku stand offenbar schon in Wolfsburg im Wort und wechselte vor dem dritten Spieltag zum VfL. Sechs Tore und acht Vorlagen hat er dort zum unerwarteten Erreichen der Champions League beigesteuert. Im November hatte er zwischenzeitlich bei Löw sogar sein Debüt in der Nationalmannschaft gefeiert.

Bakus imposante Saisonbilanz: 1061 Sprints, 2829 intensive Läufe, 14 Scorerpunkte

Wer nun findet, dies sei eine bemerkenswert rasante Karriere, der weiß über Baku bereits etwas Bezeichnendes: In der abgelaufenen Saison war er mit 1061 Sprints und 2829 sogenannten "intensiven Läufen" nämlich auch der sprintfreudigste Spieler der gesamten Bundesliga. Die goldene Speedy-Gonzalez-Statue der Deutschen Fußball-Liga hat er nur deshalb nicht bekommen, weil es diese Auszeichnung gar nicht gibt.

Am Montag ist Baku nun zur EM-Vorbereitung der U21 im Südtiroler Örtchen Natz-Schabs angereist. "Die Beine sind schon ein bisschen schwer", sagt er, "aber mein Tank ist trotzdem voll." Als sich die U21 bei dieser wegen Corona zweigeteilten EM Ende März mit einem Sieg (3:0 gegen Ungarn) und zwei Unentschieden (1:1 gegen die Niederlande und 0:0 gegen Rumänien) für die nun anstehende K.o.-Phase qualifizierte, steuerte Baku zwei Treffer und eine Vorlage bei. Hinter dem Torwart Finn Dahmen (Mainz), den Abwehrspielern Josh Vagnoman (HSV), Amos Pieper (Bielefeld) und Nico Schlotterbeck (Union Berlin) sowie dem Stürmer Lukas Nmecha (Anderlecht), die jeweils sämtliche 270 Vorrunden-Minuten mitgespielt haben, kam Baku trotz seiner kraftraubenden Sprints auf der rechten Außenbahn mit 261 Einsatzminuten auf Rang sechs. "Die Art und Weise, wie ich Fußball spiele, erfordert viel Erholung", sagt er, "aber das bekomme ich immer ganz gut hin."

Man kann sicher sein, dass Baku auch am Montag in Szekesfehervar auf dem Platz steht, wenn um 21 Uhr (live bei Pro 7) das K.o.-Spiel gegen Dänemark angepfiffen wird. Die bereits erwähnten Stammspieler sowie in der Abwehr David Raum (Fürth), im Mittelfeld Arne Maier (Bielefeld) und im Sturm Mergim Berisha (Salzburg) haben dann gute Startelf-Chancen. Der vielleicht wichtigste Zentrumsspieler der Vorrunde hingegen, Niklas Dorsch (Gent), ist für das Spiel gelb-gesperrt. Da trifft es sich gut, dass Kuntz auch den Leverkusener Jungstar Florian Wirtz für die U21 nominieren konnte.

Der gerade erst volljährige Florian Wirtz wertet den deutschen Kader auf

Während Baku im vergangenen Jahr am 11.11. (gewiss ein Zugeständnis an seine Heimatstadt Mainz) beim 1:0 gegen Tschechien durchgängig im A-Team mitspielen durfte, gehörte Wirtz jüngst im März zwar in drei Spielen zu Löws Kader, konnte sich im Falle der 1:2-Blamage gegen Nordmazedonien aber fast schon glücklich schätzen, dass er nicht sein Debüt im Nationalteam geben musste.

Gegen Dänemark nun kann der soeben 18 Jahre alt gewordene Rheinländer umso wichtiger werden. Der Kieler Stürmer Janni Serra wäre das auch, allerdings spielt er am Samstagabend mit Holstein Kiel noch das Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Köln und kann erst am Sonntag nachreisen. Dann ist die U21 schon nicht mehr in Südtirol, sondern bereits in Ungarn. Dorthin reist Serra womöglich gemeinsam mit den Kölnern Salih Özcan und Ismail Jakobs, denn auch sie hat Kuntz, wie schon zur Vorrunde Ende März, in die U21 berufen.

Noch in der Nacht nach der gelungenen Viertelfinal-Qualifikation am 30. März war die U21 wieder heimgeflogen. Zunächst einmal musste der Liga-Alltag weitergehen. Ihren EM-Teamgeist mussten die jungen Fußballer folglich zwei Monate lang einfrieren - und jetzt schnell wieder auftauen. "Es hat direkt wieder viel Spaß gemacht, mit den Jungs zusammen zu sein", sagt fröhlich der Bielefelder Pieper. "Wir tun in Südtirol viel für den Teamgeist und kommen schnell wieder in dieses Gefühl", bestätigt Trainer Kuntz.

Am nächsten Donnerstag wäre das Halbfinale gegen Frankreich oder die Niederlande. Am Sonntag darauf ist das Endspiel angesetzt - mögliche Gegner: Spanien, Kroatien, Portugal oder Italien. "Wir können viel erreichen", sagt Baku. Zumindest das Finale als Minimaltrost für die ihm entgangene große EM sollte es werden. Am liebsten aber der Titel.

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