U-21-EM:Wellness für die geplagte Seele

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Torschütze beim EM-Auftakt gegen Tschechien: U-21-Nationalspieler Max Meyer (M.). (Foto: AFP)
  • Max Meyer leitet mit seinem Treffer den 2:0-Sieg zum Auftakt der U-21-EM gegen Tschechien ein.
  • Bei Schalke 04 erlebte der 21-jährigen Offensivspieler eine unbefriedigende Saison.
  • Im DFB-Team spielte er besser - auch weil er "das Vertrauen des Trainers spüre".

Von Ulrich Hartmann, Tychy

Am Sonntagabend um 18.44 Uhr hat der Schalker Fußballprofi Max Meyer im Süden Polens einen Arzt konsultiert. Er rannte auf ihn zu, als bedürfe er dringend seiner Behandlung, aber statt sich dann Puls oder Blutdruck messen zu lassen, sprang er ihm einfach in die Arme und herzte ihn. So kam es, dass der Münchner Orthopäde Hanns-Christian Harzmann im Auftaktspiel gegen Tschechien plötzlich zum Hauptdarsteller der deutschen U 21 avancierte.

Als Mannschaftsarzt hatte er den Spielgestalter Meyer gerade noch rechtzeitig von Schmerzen in der Kniekehle erlöst, wodurch dieser wiederum die U 21 mit seinem Führungstor in der 44. Minute aus einem nervösen Zustand befreite. Serge Gnabry erzielte später noch das 2:0, und mit diesem Ergebnis wahrten die deutschen Junioren ihre Chance auf den ersehnten Titel. "Eine schöne Geste", nannte Harzmann Meyers Aktion, aber als er dann auch noch seine Behandlung verraten sollte, sagte er bloß: "Schweigepflicht."

Meyer hat eine unbefriedigende, geradezu schmerzhafte Saison bei Schalke 04 hinter sich. Sie gipfelte darin, dass er kürzlich die Verlängerung seines 2018 auslaufenden Vertrags verweigerte. Eine Spielzeit mit nur elf komplett durchgespielten Pflichtpartien ist ein Dilemma für einen 21-Jährigen, der als eines der größten deutschen Talente im offensiven Mittelfeld gilt.

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Als er nun mit der U 21 zur EM nach Polen gereist war und wegen Schmerzen sowie einer Sommergrippe gleich fürs erste Spiel auszufallen drohte, fürchtete er schon, das Schicksal hätte sich gegen ihn verschworen. Doch Harzmann befreite ihn dann ja vom vermeintlichen Fluch. "Ich bin dankbar und erleichtert", sagte Max Meyer nach Spielschluss mit heiserer Stimme. In der vergangenen Saison waren ihm für Schalke in 39 Einsätzen bloß zwei Treffer gelungen - und nun gleich einer im ersten EM-Spiel. Es war eine Streicheleinheit für die geplagte Seele.

Überhaupt: Seine glücklicheren Momente verlebte Max Meyer in den vergangenen zwölf Monaten im Nachwuchsteam des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Er steuerte vier Tore und drei Vorlagen zum Gewinn der olympischen Silbermedaille im vorigen August in Rio bei - und war gleichauf mit Brasiliens Neymar bester Scorer des Turniers. "Im Nationalteam fühle ich mich pudelwohl und spüre das Vertrauen des Trainers", sagt Meyer. Man darf daraus schließen, dass er das in Gelsenkirchen zuletzt eher nicht so empfand. Dass er in der U 21 viel effektiver spielt als im Klub, erklärt er auch damit, "dass wir hier mit einer guten Mannschaft sehr offensiv spielen - und dann treffe ich halt auch mal".

Am Sonntagabend in Tychy trug Meyer ein entsprechendes Lächeln im Gesicht, als er den Platz verließ. "Mein Tor war eine Befreiung", sagte er und ließ offen, ob das pauschal für die Mannschaft oder speziell für seine eigene Situation galt. Vermutlich beides. "Vor dem Tor müssen wir aber noch konsequenter werden", mahnt Meyer mit Blick auf die Verabredungen mit Dänemark am Mittwoch und vor allem mit Italien am Samstag, in der es vermutlich ultimativ um den Einzug ins Halbfinale geht. Es läuft darauf hinaus, dass die letzte Gruppenpartie ein gefühltes Viertelfinale wird - und dann muss sich die deutsche Mannschaft beim Herausspielen und der Verarbeitung von Chancen noch steigern.

Dass Meyers Zukunft auf Schalke offen ist, scheint ihn in Polen nicht zu belasten. Mit einem bis 2018 validen Vertrag könnte er in diesem Sommer gegen Bezahlung oder im kommenden Jahr ablösefrei wechseln. "Ich habe aber nie gesagt, dass ich Schalke verlasse", betonte er am Montag, "zumal ich die Hoffnung habe, dass es demnächst wieder besser läuft." Beim neuen Trainer Domenico Tedesco sieht er wieder bessere Chancen auf mehr Einsätze als unter dem entlassenen Markus Weinzierl.

Meyer wäre im Falle eines Wechsels nicht der Einzige in der U 21, dem eine Veränderung bevorsteht. Der Freiburger Maximilian Philipp wechselt für 20 Millionen Euro zu Borussia Dortmund, Gladbachs Mahmoud Dahoud für zehn Millionen ebenfalls zum BVB, Leipzigs Davie Selke für 8,5 Millionen zu Hertha BSC, und Werder Bremens Serge Gnabry für acht Millionen zum FC Bayern. Das sind respektable Summen für Nachwuchsspieler, aber Meyer könnte sie sogar noch toppen, sollte etwa ein Angebot aus England eintreffen.

So wird spannend zu sehen sein, ob er in diesem Sommer noch in der Rangliste der teuersten europäischen Nachwuchsspieler auftaucht. Tschechiens Stürmer Patrik Schick wird als Kandidat für Juventus Turin auf 30 Millionen Euro taxiert, genauso viel könnte Italiens Torwart Gianluigi Donnarumma wert sein, der seinen Vertrag beim AC Mailand über 2018 hinaus nicht verlängern wird. Englands Torwart Jordan Pickford wechselt für 28 Millionen Euro vom AFC Sunderland zum FC Everton.

"Wir kennen die Marktwerte der besten Spieler dieser EM", sagt Meyer, um zu verdeutlichen, dass man deshalb aber keine Furcht vor Mannschaften wie England, Italien oder Spanien spüre. "Wir trauen uns auch zu, Spanien zu schlagen", sagt Meyer und ist gedanklich damit bereits über die Gruppenphase hinaus. Spanien könnte ein Halbfinal-Gegner sein. Max Meyer wäre jedenfalls bereit.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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