TV-Ereignis Olympia (7):Die Victoria-Falle

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Wer einfach nur Olympia sehen will, der wählt Eurosport. Doch plötzlich räkelt sich "Expertin" Victoria Silvstedt, erklärt Curling - und die Münder öffnen sich.

Rebecca Schäfer

Am Anfang ist der Stern. Transparent, in 3D-Optik und auf blauem Grund dreht sich das Eurosport-Logo auf meinem Fernsehbildschirm - und mir ist schon langweilig. Geschafft habe ich von meinem geplanten Olympiaabend bei Eurosport in diesem Moment ganze 2:16 Minuten.

Victoria Silvstedt. (Foto: Foto: dpa)

Das kann ja heiter werden. Es gab sowieso schon spannendere Wettkampftage als diesen heute. Keine wirklichen deutschen Medaillenchancen und gerade verkündet mir die Programmvorschau, dass schon ab 23.00 Uhr Curling droht. Live. Und das auf Eurosport! Ich will mich gerade panisch zur ARD retten, da zeigt Eurosport WATTS Zap.

WATTS Zap, das ist eine Mischung aus 80er/90er-Jahre-Jukebox trifft lustig-kuriose Olympiamomente. Zu MC Hammers "U Can't Touch This" und "I'm So Excited" von den Pointer Sisters sehe ich also zwei Eishockey-Spieler statt des Pucks ins Tor fliegen, einen Bauchklatscher in der Snowboard-Halfpipe und eine Eisschnellläuferin, die sehr anschaulich überprüft, ob nach einem Sturz noch alle Zähne an ihrem Platz sind. Nach drei Minuten stelle ich fest: Das war lustig. Und mir war auch gar nicht langweilig. Habe ich Eurosport etwa unterschätzt?

So wie es aussieht, nein. Von Live-Sport immer noch nichts zu sehen, folgt der Olympia Countdown. Countdown klingt zwar gut, dauert aber leider 30 Minuten. Doch auch hier direkt die nächste Überraschung: Die Stimme, die ich höre, ist nicht Sigi Heinrich. Der kommentiert ansonsten bei Eurosport ja sogar die Sendepausen.

"Hast du gesehen, wann das kommt?!"

Noch überraschender: Viele kleine spannende Berichte über große europäische Sportler und ich merke: bei Olympia nehmen ja nicht nur Deutsche teil! Okay, als die polnische Athletin Justyna Kowalczyk einen Langlaufschwank aus ihrer Jugend erzählt, hört auch bei mir der Wunsch nach sportlicher Völkerverständigung auf. Aber dieser kleine Hänger im Programm lässt sich mit einem Ausflug ins Bad leicht überbrücken.

Auf das, was mich erwartet, als ich zurückkomme, bin ich allerdings nicht vorbereitet: Werbung. Aber nicht irgendeine Werbung. Eurosport bewirbt gerade sein Olympiamagazin Sport by Victoria. Mehr bekomme ich nicht mit. Übrigens auch nicht mein Mitbewohner, der mit offenem Mund auf den Bildschirm starrt. Eine Blondine mit zwei unfassbar großen...Augen, also Typ Pamela Anderson halt, räkelt sich vor dem Eurosport-Logo. Sekunden später ist der Clip vorbei und mein Mitbewohner stammelt kleinlaut: "Hast du gesehen, wann das kommt?!" Wir einigen uns, dass wir beide so gebannt waren von den...Augen der Blondine, dass es keiner mitbekommen hat.

Während ich mich noch frage, ob Eurosport die Dame für die Olympiazeit wohl von den DSF-Sexy-Sport-Clips transferiert hat, ist der Ehrgeiz meines ansonsten sehr sportmuffeligen Mitbewohners geweckt: "Victoria" und "Eurosport" wird gegoogelt. Eine Wikipedia-Seite später lernen wir: Victoria Silvstedt. Schwedisches Fotomodell, Schauspielerin und Sängerin. Hat sich für den Playboy ausgezogen. Und für Maxim. Und für FHM. Nach ihr hat man eine eigene Puppe entworfen. Kostet 50 Euro. Und ist nur für Erwachsene erhältlich. Äh, ja.

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Größter Kinoerfolg: "Die Sportskanonen". Endlich! Da haben wir doch den Sportbezug. Das qualifiziert sie definitiv zur Olympia-Reporterin. Doch es kommt noch sportlicher: Ehemalige Skirennläuferin. Ins schwedische Ski-Team aufgenommen. Die Olympiaträume platzen wegen einer Schulterverletzung. Oh!

Parallel läuft übrigens die Qualifikation im Skispringen von der Großschanze. Und das seit rund 15 Minuten. Ob Eurosport diesen Victoria-Effekt so geplant hatte? Uns egal, wir gucken Google-Bildersuche. "Von der Couch aus sieht sie auf allen Bildern gleich aus", argumentiere ich. Mein Mitbewohner korrigiert mich: "Das eine sind die Aufnahmen für den Playboy, das andere die für Maxim und das hier die für FHM." Ach so! Na ja, er sitzt aber auch näher dran.

Drei Kussmünder

Nebenbei ist im Übrigen immer noch Eurosport. Die Quali im Skispringen - inzwischen fast vorbei. Wir freuen uns. Vielleicht kommt dann noch mal Werbung. Auf jeden Fall aber der Super-G der Herren.

Die beiden mir unbekannten Stimmen, die nicht Sigi Heinreich sind, geben um 20.21 Uhr nach einer kurzen Pause ab zum Super-G, wie sie sagen. Die kurze Pause, das ist die neueste Folge Sport by Victoria - das Vorprogramm zum Hauptprogramm. Oder war es anders herum? Uns egal, Victoria erklärt hier jedenfalls jeden Tag eine Sportart (Das haben wir inzwischen bei Youtube gesehen. Die Quali der Skispringer war einfach zu langweilig.).

Heute: Curling. Wir lernen, während wir ganz tief in Victorias, na ja, Augen schauen: Victoria hat nie Curling gemacht, weil sie keine gute Putzfrau ist. Aber, wie Victoria an sich selbst unheimlich anschaulich demonstriert: Beim Curling werden Beine, Rücken, Bizeps und Trizeps trainiert. Victorias abschließendes Drei-Punkte-Zeugnis für Curling: Drei Kussmünder, die Höchstpunktzahl, für Fitness. Zwei für Intensität. Und nur einen für Glamour. Oh!

Die zwei Minuten Sport by Victoria sind um. Mein Mitbewohner schleicht sich wieder hinter seinen PC. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass es ab jetzt bei Eurosport nur noch abwärts gehen wird.

Da kann Frank Wörndl noch so fachkundig den sportlich sicher sehr spannenden Super-G der Herren ko-kommentieren. Oder Moderator Stephane Franke beim Zieleinlauf der Langlauf-Doppelverfolgung noch so laut "Unglaublich!" ins Mikrofon schreien. Es hilft nichts.

Drangeblieben sind ich und mein Mitbewohner allerdings trotzdem bis zum Curling. Und darüber hinaus. Genauer gesagt bis nach Mitternacht. Denn Victoria hat gesagt, dass sie "jeden Tag" auf Eurosport läuft. Und der neue jede Tag beginnt um 0 Uhr.

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