TSV 1860 München:"Wir werden den Verein nicht verkaufen"

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Der neue Präsident Rainer Beeck über die Finanzen von 1860, Transfers, einen Börsengang, fordernde Investoren und Vorgänger Linde.

Moritz Kielbassa

Rainer Beeck, 45, ist der neue Präsident des TSV 1860. Der Prokurist der Flughafen München GmbH war seit Mai 2007 Aufsichtsrat der Löwen. Nach den Chaostagen mit der Entlassung von Geschäftsführer Stefan Ziffzer löste Beeck nun den umstrittenen Vereinschef Albrecht von Linde ab. Zur Seite stehen ihm die Vizepräsidenten Franz Maget (SPD-Landtagschef) und Michael Hasenstab (Investment-Banker).

Rainer Beeck ist der neue Präsident des TSV 1860 München. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Beeck, Ihr Mitstreiter Franz Maget sagt: Ein Amt bei 1860 sei zehnmal schwerer als Ministerpräsident von Bayern zu sein. Haben Sie eine Ahnung, worauf Sie sich eingelassen haben?

Beeck: Ich weiß, dass mein Amt kein leichtes ist, das ist auch nicht mein Anspruch. Der Verein verdient es, in eine andere Zukunft geführt zu werden. Allein aus den E-Mails und Glückwünschen der vergangenen Tage kann ich reflektieren, wie emotional es hier zugeht und welche Wertigkeit 1860 hat. Trotz aller Hochs und Tiefs haben wir enormes Potential und Rückhalt. Das ist das, was mich antreibt: 1860 mit dieser Emotionalität und Vergangenheit im Hintergrund in einen positiven Imagebereich zu führen.

SZ: Wie lief Ihre Präsidenten-Kür? Sie waren im Familienurlaub, als Geschäftsführer Ziffzer seine Brandrede hielt. Während andere Nachfolge-Kandidaten für Präsident Linde anschließend marktschreierisch gehandelt wurden, blieben Sie in der Presse lange ungenannt.

Beeck: Das war mir auch sehr wichtig. Als ich in Florida von den Ereignissen bei 1860 gehört habe, war ich einigermaßen erschüttert. Irgendwann nach einem Telefonat mit München habe ich zu meiner Frau gesagt: Folgendes könnte zu Hause passieren... Sie hat kurz geschluckt. Aber dann haben die Kinder mitgeredet, und es hat schnell gepasst.

SZ: Weil beide Löwen-Fans sind?

Beeck: Natürlich. Meine Kleine, Mariella (7, d. Red.) hat ein Trikot von Torben Hoffmann, glaube ich. Und Maxx (10) hat eins von Berkant Göktan.

SZ: Können Sie ihrem Sohn garantieren, dass sein Liebling auch nächste Saison noch bei 1860 spielt?

Beeck: Ich hoffe das doch sehr.

SZ: Das neue Präsidium, das fünfte in vier Jahren, will für einen Neuanfang stehen und hat spontan viel Zuspruch erhalten. Sind die Leute bei 1860 nach Jahren innerer Zerwürfnisse und Fan-Lagerkämpfe des Streitens müde?

Beeck: Ich denke, es gibt bei vielen die klare Tendenz zu sagen: Ohne Linie kein Erfolg! Jetzt gehen wir in eine Richtung.

SZ: Was man allerdings nicht per Dekret und sofort beschließen kann.

Beeck: Dafür ist zu viel passiert, ganz klar. Karsten Wettberg etwa (bis Montag Vizepräsident) habe ich hochengagiert erlebt, er hat ja fast Vollzeit für 1860 gearbeitet. Deshalb kann ich verstehen, dass bei manch einem die Enttäuschung noch groß ist. Aber ich bin sicher: Die Trendwende läuft. Wir reden ja hier nicht über einen Vorortverein mit 300 Mitgliedern. Wir stehen in der Öffentlichkeit, unser Anspruch muss professionell sein.

Auf der nächsten Seite: Der Konflikt zwischen Arge und Pro 1860 - und ob auf die Schnelle noch attraktive Neuverpflichtungen möglich sind.

SZ: Sie selbst wurden im Aufsichtsrat der Fangruppe Arge zugeordnet, nun jedoch unterstützt auch der Dachverband Pro1860 das neue Präsidium - während Arge-Chef Manfred Riedl zurücktrat.

Beeck: Meine Bedingung ist: Dieses Lagerdenken muss ein für allemal aufhören. Mein Erstkontakt war damals eben zur Arge, so wie der neue Vizepräsident Hasenstab einen Erstkontakt zu Pro 1860 hatte. Doch dieses Denken kann ich extern nicht mehr vermitteln. Vereinsintern kann man viele Themen diskutieren und historisch aufarbeiten, aber draußen versteht uns keiner, wenn wir in verschiedenen Facetten reden. Wir müssen einheitlich darstellen, wo 1860 hinwill.

SZ: Bitteschön, wohin?

Beeck: Wir haben alle ein gemeinsames sportliches Ziel: die Erstklassigkeit. Und wir sind der Klub mit der treuesten Anhängerschaft im Land. Die Kernbotschaft ist: Jetzt geht's auf! Für 1860, nicht für irgendeine Fraktion im Verein.

SZ: Das akuteste Sachthema ist das fehlende Eigenkapital in der Kasse. 1860 sucht dringend Investoren. Würden Sie als Geschäftsmann dem Verein bei seiner aktuellen Außendarstellung Geld geben?

Beeck: Die Frage ist in der Tat: Wie überzeugen wir Investoren, dass Ihre Anlage sicher ist, nachhaltig ist und Rendite verspricht? Ein Investor bei einem Fußballverein bewertet die Emotion im Hintergrund oft höher als die reine Rendite, trotzdem muss er wissen: Wo geht das Unternehmen hin? Wer ist der Kopf, der steuert? Und wo sind die sportlichen Perspektiven? Ohne all diese Basics wird keiner sagen: Da lege ich Geld ein.

SZ: Genau dieses Defizit hatte Stefan Ziffzer in der Konstellation mit dem alten Präsidium zigmal bemängelt.

Beeck: Vom neuen Präsidium muss Stabilität ausgehen, das Signal heißt: Wir planen langfristig. Investoren müssen wissen, dass ihr Geld nicht zum Schuldenabbau dient, sondern um in einem seriösen Zeitrahmen in die erste Liga aufzusteigen. Das Risiko eines Kapitalgebers ist in einem Sportverein ohnehin anders zu sehen als bei einem Börsenunternehmen. Wichtig ist, dass die sportliche Perspektive relativ kurzfristig eintrifft.

SZ: Was heißt relativ? Kann 1860 schon nächste Saison aufsteigen?

Beeck: Mit der aktuellen Vorgeschichte sehe ich das ehrlicher Weise noch nicht. Aber 2010, zu unserem Jubiläum, wäre das ein schöner Akt.

SZ: Sind auf die Schnelle noch attraktive Neuverpflichtungen möglich. Oder gilt: Kein Neuinvestor, keine Spieler?

Beeck: Nein, so sehe ich das nicht. Den einen oder anderen vielversprechenden Transfer werden wir noch hinkriegen.

Auf der nächsten Seite: Geht 1860 an die Börse? Und müssen die Angestellten um ihren Job fürchten?

SZ: Sind Genussscheine weiterhin das bevorzugte Investoren-Modell? Oder geht die Tendenz, wie zu hören war, nun mehr in Richtung Aktienausgabe?

Beeck: Wir müssen schnell Kapital zuführen. Genussscheine mit Wandlungsoption sind eine vorzugswürdige Variante, aber sie sind nicht so einfach zu handhaben und auch nicht so transparent zu kommunizieren wie Aktien.

SZ: Geht 1860 also an die Börse?

Beeck: Nein, wir reden von KgaA-Anteilen. Für die Zukunft kann man einen Börsengang nicht ausschließen, aber wir behandeln das nicht akut. Das Going Public kannst du nicht von heute auf morgen platzieren, und die Mehrheitsverhältnisse der KgaA sollen beim e.V. bleiben.

SZ: Es war bereits von mehreren Investoren-Konsortien zu lesen, die Konzepte vorgelegt haben. Sie betonten: Man suche "seriöse Partner, keine Heuschrecken oder Hasardeure". Gäbe es die?

Beeck: Es liegen auch plausible Konzepte vor, und jeder Investor darf Bedingungen stellen Aber ich werde nervös, wenn mir siebenstellige Summen angeboten werden, ohne die genaue Finanzstruktur des Vereins abzufragen - und wenn stattdessen ein Einstieg an Personen geknüpft wird. In meiner Branche wäre das kein seriöses Geschäftsverhalten.

SZ: Fordern Investoren Sitze im Aufsichtsrat oder der sportlichen Leitung?

Beeck: Letzteres nicht. Aber sie wollen Einfluss nehmen im Verein.

SZ: Eine Anfrage nach einem Aufsichtsrats-Mandat hat allerdings auch Hauptsponsor Trenkwalder gestellt.

Beeck: Das ist ja auch berechtigt. Ein Gremiumssitz, der das Engagement eines Sponsor absichern soll, ist aber etwas völlig anderes, als wenn jemand die Mehrheit der Anteile erwerben oder die Vereinsführung übernehmen will. Das ist kritisch. Wir werden unseren Verein ganz sicher nicht verkaufen.

SZ: Sie wollen am "Erlös-Rad drehen". Ihr Vorgänger Linde sagt das Gegenteil: Es gebe genug Einsparpotential bei den 24 Millionen Euro Ausgaben im Gesamtetat (Einnahmen: 21 Millionen).

Beeck: Ich muss ihm widersprechen. Wir saßen beide im Finanzausschuss des Vereins , der festgestellt hat, dass kaum Kostenreduktions-Potential da ist, vor allem bei den großen Positionen: Bei der Stadionmiete sind die Verträge eindeutig; und Sparen am Profikader? Genau in die andere Richtung muss es gehen!

SZ: Linde sagt: In der Geschäftsstelle arbeiten viel zu viele Leute. Müssen Angestellten, etwa beim Vermarktungspartner IMG, um ihren Job fürchten?

Beeck: Dazu habe ich eine diametral andere Meinung, das wäre ein völlig falsches Signal an der falschen Stelle. Ich habe noch niemanden bei 1860 getroffen, der Langeweile hat. Und wenn wir mit der tollen Marke Sechzig noch mehr Erlös-Ressourcen erschließen wollen, dann brauchen wir jede Hand, die mithilft, keine Rationalisierungsprozesse. Der IMG-Vertrag ist zudem völlig unabhängig von deren Personalbestand. Im Zweifelsfall könnten die ihr Personal verdoppeln - ihre Provision bleibt immer die gleiche.

SZ: Thema Arena: Sehen Sie nach den jüngsten Aussagen von FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß die Option, dass 1860 aus der Stadion-Allianz aussteigt?

Beeck: Nein, für unsere Zukunftsausrichtung ist dieses Stadion wichtig. Wir stehen zur 1860-Tradition, das Grünwalder Stadion wird immer unsere Heimat sein. Aber für die Bundesliga - und vielleicht ja auch mal: für internationale Geschäfte - brauchen wir die Arena.

SZ: Überraschend tauchte der Investmentbanker Michael Hasenstab als neuer Vizepräsident auf. Wie kam es dazu?

Beeck: Er hatte bereits als Dienstleister für unsere Geschäftsführung überzeugende Kapitalbeschaffungs-Modelle entworfen, er arbeitet sachlich und kreativ. Und er ist Löwe aus Idealismus. Die wichtigsten Leute im Verein kannten ihn alle.

SZ: Das neue Präsidium zeigt auch demonstrative Nähe zu Sportmanager Stefan Reuter. Bisher hatte die KgaA-Geschäftsführung stets ihre Handlungsautonomie gegenüber der e.V.-Spitze betont.

Beeck: Das bleibt auch so. Wir werden uns nie in die Transferpolitik von Reuter oder in die Aufstellung von Trainer Kurz einmischen. Aber bei der Geldbeschaffung will das Präsidium seine Kontakte nutzen. Und die Vergangenheit hat gezeigt: Wenn nach außen nur die KgaA auftritt, ohne Schulterschluss mit dem e.V., dann ist das unglaubwürdig.

SZ: Wie stehen Sie zu Reuters Geduldskonzept, auf viele hauseigener Talente zu setzen? Die schwache Rückrunde weckte den Ruf nach mehr Routine im Team.

Beeck: Wir hatten einfach Pech, dass im Winter viele Leistungsträger ausgefallen sind. Wir haben einen hoffnungsvollen Kader und werden den kontinuierlichen Jugendaufbau weiter forcieren.

SZ: Wäre die Neuausrichtung von 1860 in der jetzigen Form auch ohne Ziffzers kalkulierten Rede-Eklat am Pfingstsonntag möglich gewesen?

Beeck: In der Konstellation Linde-Wettberg-Ziffzer ganz klar: nein. Alles andere ist hypothetisch.

SZ: Fürchten Sie einen Arbeitsprozess mit Ziffzer, der gegen seine Kündigung Widerspruch eingelegt hat?

Beeck: Ich bin überzeugt, dass wir die Sache anders regeln können. Herr Ziffzer hat für 1860 gute Arbeit geleistet.

© SZ vom 31.05.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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