TSV 1860 München:Kein Paket, nirgends

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Hasan Ismaik stundet Darlehen, um den Fortbestand der KGaA zu sichern. Über neues Geld wird bei der Aufsichtsratssitzung - im Gegensatz zu den Ankündigungen - aber nicht gesprochen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Im Büro von Saki Stimoniaris hängt ein Bild von Che Guevara an der Wand, dazu gibt es einen Konferenztisch und das Foto einer Mannschaft des TSV 1860 München, die selbstredend vor einem Bus posiert. Vor dem Büro gibt es einen Empfangsbereich mit Vorzimmerpflanze und Vorzimmerdame, und selbst wenn also nicht jedes Detail zum anderen passen mag in der Arbeitswelt des Betriebsratschefs des LKW- und Bus-Herstellers, beispielsweise die Vorzimmerdame und Comandante Guevara, so gibt es wahrlich ungemütlichere Orte, an denen einer warten kann, als das Büro von Saki Stimoniaris.

Und doch hat sich die Warterei jener Gäste, die sich am Mittwoch um 18.30 Uhr im Büro von Stimoniaris eingefunden hatten, etwas unangenehm gezogen. Die mit großer Spannung erwartete Aufsichtsratssitzung zwischen Vereins- und Investorenvertretern beim Fußball-Regionalligisten TSV 1860 begann mit 75-minütiger Verspätung. Weil sich die Investorenvertreter - darunter Yahya Ismaik, Stimoniaris, Peter Cassalette und Anthony Power - offenbar erst alleine beratschlagen mussten, was drin sein würde in jenem "überzeugenden Paket" zur Wahrung der "sportliche Entwicklung der Mannschaft", das sie eine Woche vorher in einer Pressemitteilung angekündigt hatten. Und das sie nun den e.V.-Vertretern - Präsident Robert Reisinger, Karl-Christian Bay und Anwalt Guido Kambli - vorstellen wollten.

Die Fortführungsprognose kostet wohl einen sechsstelligen Betrag

Oder aber, weil sie beratschlagen mussten, wie sich am besten kaschieren ließ, dass das überzeugende Paket nun doch nicht ausgepackt werden würde - warum auch immer. Womöglich müssen sich Ismaiks neue Vertreter noch daran gewöhnen, dass es manchmal lange dauern kann, bis Ismaik liefert, sofern er es denn tut. In jedem Fall wurden den Vereinsvertretern am Mittwoch weder ein Paket noch irgendwelche finanziellen Zusagen präsentiert, denen sie hätten zustimmen oder absagen können. Selbstredend wurden auch keine Bedingungen genannt, denn wer nichts anbietet, kann auch keine Bedingungen nennen. Und als dann zu bereits fortgeschrittener Stunde - die Runde tagte trotzdem bis 23 Uhr - einer der Vereinsvertreter wissen wollte, ob es nicht eine Farce sei, dass nun über den eigentlichen Anlass der Aufsichtsratssitzung (Präsentation des überzeugenden Pakets) gar nicht geredet würde, da soll die Stimmung am Konferenztisch sogar kurz etwas unrund geworden sein.

Dennoch gab es einige Punkte, auf die sich die Gesellschafter des TSV 1860 München am Mittwochabend einigen konnten, wenngleich sie nichts mit Trainer Daniel Bierofka oder der sportlichen Entwicklung zu tun hatten. So wurden die seit Jahren leidigen Themen "Sicherung der Gemeinnützigkeit" und "Implementierung der nach dem Gesellschaftsrecht allgemein üblichen Befugnisse des Aufsichtsrats" endlich einstimmig Richtung Ende geführt. Außerdem rang sich Investor Hasan Ismaik zur Stundung einiger Darlehen durch, womit er insolvenzrechtlich den Fortbestand seiner Fußballfirma sicherte.

Denn nun kann wieder eine so genannte Fortführungsprognose erstellt werden, wie sie im vergangenen Sommer der frühere Geschäftsführer Markus Fauser bastelte. Sein Nachfolger Michael Scharold kann im Wesentlichen darauf aufbauen. Und dennoch verursacht jene Prognose wieder Kosten - für den Wirtschaftsprüfer -, die im unteren sechsstelligen Bereich liegen dürften. Solange Ismaik seine Darlehen zwar stundet, aber nicht mit einem Rangrücktritt versieht, wird sich diese Prozedur regelmäßig wiederholen. Denn es muss jährlich nachgewiesen werden, dass dem Unternehmen trotz der massiven Überschuldung keine Insolvenz droht.

Es wurde dann noch lange darüber diskutiert, weshalb sich das von Scharold für die kommende Saison geplante Budget um einen niedrigen fünfstelligen Betrag verändert hatte und ob man das dem Geschäftsführer anzukreiden habe. Dann gingen alle Beteiligten durch die dunkle Nacht nach Hause - keiner hatte ein Paket unter dem Arm. Die Vorzimmerdame war schon längst gegangen. Aber Che Guevara war noch da.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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