TSV 1860 München:Ertrag der Schönheit

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Trainer Vitor Pereira hält im Abstiegskampf an seinen Ideen fest - und wird beim 2:1-Auswärtssieg in Dresden erstmals belohnt. Gegen Bochum wollen die Löwen den Ligaverbleib nun zu Hause sicherstellen.

Von Markus Schäflein

Vitor Pereira hat nie über Kratzen und Beißen gesprochen, nie über Rasenumpflügen und Grasfressen. Stattdessen hat er über Spielidee, Taktik und Organisation referiert. Das ist ungewöhnlich gewesen für den Abstiegskampf in der zweiten Liga, in Sandhausen oder Bielefeld hätte es wohl auch kaum funktioniert, aber Pereira hatte als Trainer des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München einige Vorteile: Erstens genoss er die Rückendeckung des allmächtigen Investors Hasan Ismaik, als dessen Wunschtrainer er geholt wurde; zweitens hat er in Portugal, Griechenland und in der Türkei gearbeitet und ist mithin immun gegen deutsche Abstiegskampf-Reflexe; und drittens, das ist das Wichtigste, kann er auf einen Spielerkader zurückgreifen, von dem die kratzende, beißende und grasfressende Konkurrenz nur träumen kann: Stefan Aigner aus der ersten Liga, Winterzugänge aus Portugal, und wenn Not am Mann ist, kann man sich bei Sechzig eben am für Zweitligaverhältnisse herausragenden Nachwuchs bedienen und mal schnell einen mit 19 Jahren schon erstaunlich kompletten Innenverteidiger wie Marin Pongracic aus der Regionalliga-Mannschaft nach oben ziehen.

Die Spiele sahen schön aus, trotzdem verlor Pereira, immer wieder, oder er spielte Unentschieden, unglücklich. Und es kamen schon leise Gedanken auf, ob es wirklich, so absurd es klang, nichts werden würde mit dem Klassenverbleib jenes TSV 1860, der in der kommenden Saison in die erste Liga aufsteigen will. Ob eventuell die Primärtugenden fehlen, über die Pereira nicht spricht, weil sie ihm als Selbstverständlichkeit erscheinen. Am Freitagabend ist den Sechzigern mit dem 2:1-Auswärtssieg in Dresden aber ein wichtiger Schritt gelungen, nicht trotz, sondern dank Pereiras Festhalten am schönen Fußball im 3-4-3-System. Der Trainer sprach von einem "fast perfekten Spiel" und meinte: "Endlich konnten wir uns mal für unsere Leistungen der letzten Spiele belohnen."

So durfte man das sehen, nach den kaum zu fassenden 0:1-Niederlagen in Kaiserslautern und gegen Braunschweig, die jeweils vornehmlich der mangelnden Verwertung der Torchancen zuzuschreiben waren. Auch diesmal gingen die Münchner in der ersten Hälfte fahrlässig mit ihren Möglichkeiten um, bis Winterzugang Christian Gytkjaer zur Führung traf (43.) und die in ihn gesetzten großen Hoffnungen endlich mal erfüllen konnte. "Für mich persönlich ist der Treffer natürlich eine enorme Erleichterung", sagte der dänische Stürmer, der zuletzt nur mit seinem Eigentor in Kaiserslautern aufgefallen war. Mitspieler Michael Liendl meinte: "Es freut mich immens für ihn, weil er doch ein Stürmer ist, der mit einigen Vorschusslorbeeren gekommen ist und dann nicht getroffen hat."

Das zweite Tor legte dann Levent Aycicek nach (46.), für den man sich auch freuen durfte: In den vergangenen Partien war der von Werder Bremen geliehene Flügelspieler kaum zum Einsatz gekommen, diesmal durfte er anstelle von Amilton von Beginn an spielen. In Unterzahl nach Gelb-Rot gegen Marnon Busch (69.) brachte Sechzig den Sieg über die Zeit.

Neben der Qualität der Mannschaft und der Konsequenz Pereiras ist es auch das Restprogramm, dass im Kampf um den Klassenverbleib für 1860 spricht. Dresden war der erste von den drei finalen Gegnern, für die es um nichts mehr geht. "Momentan sind die Köpfe leer und die Beine schwer", stellte Dynamo-Trainer Uwe Neuhaus fest; das dürfte auch für die Bochumer gelten, die am Sonntag mit einem 1:1 gegen Bielefeld letzte Zweifel am Klassenverbleib ausräumten, und für die Heidenheimer, die am letzten Spieltag auch gerettet sein werden. Am liebsten würden die Münchner natürlich schon am Sonntag (15.30 Uhr), mit einem Heimsieg in der Fröttmaninger Arena, den Klassenverbleib sichern. Daher meldete sich Investor Ismaik über Facebook, dem mal wieder Großes vorschwebt: "Mein Traum wäre eine volle Arena mit über 60 000 Zuschauern", teilte er mit. "Kauft bitte eine Karte." Zu sehen gibt es: schönen Fußball, im 3-4-3-System, eventuell mit Happy End.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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