TSV 1860 München:Die Wut des Unantastbaren

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1860-Trainer Daniel Bierofka ärgert sich beim 2:5 in Zwickau zum wiederholten Mal über die Schiedsrichterleistung, aber auch über viele Aussetzer seiner Spieler.

Von Markus Schäflein

Das Gute am Samstagnachmittag waren für den TSV 1860 München die Ergebnisse von anderswo: In Carl Zeiss Jena (3:4 gegen Würzburg), der SpVgg Unterhaching (0:4 in Kaiserslautern), den Sportfreunden Lotte und Großaspach verloren sämtliche Konkurrenten, die in der Tabelle der dritten Fußball-Liga hinter den Löwen stehen, ihre Spiele im Abstiegskampf. Das Schlimme am Samstagnachmittag war für Sechzig allerdings die eigene Partie: Am Ende stand ein 5:2 (2:1) für den FSV Zwickau auf der Anzeigetafel, und während dessen Fans im Hintergrund den gesicherten Klassenverbleib feierten, sah sich 1860-Trainer Daniel Bierofka am Spielfeldrand die Zeitlupen des Elfmeters zum zwischenzeitlichen Zwickauer 2:1 noch einmal an.

Und er sah: nichts. Jedenfalls kein Foul von Romuald Lacazette an Davy Frick, das Schiedsrichterin Riem Hussein geahndet hatte. "Da können wir aufhören", sagte Bierofka bei Magenta Sport, "er will den Körper dazwischen stellen, der lässt sich einfach hinfallen. Diesen Elfmeter kann man einfach nicht geben, das ist unmöglich." Am Dienstag vergangener Woche war 1860 bereits durch einen überaus zweifelhaften Handelfmeter in Aschaffenburg aus dem Toto-Pokal ausgeschieden, für Bierofka handelte sich nun um die "fünfte Fehlentscheidung im fünften Spiel" hintereinander: "Warum das immer bei uns passiert, weiß ich nicht." Es sei an der Zeit, dass der Deutsche Fußball-Bund mal einen erfahrenen Schiedsrichter für seine Mannschaft einteile.

Dass der richtungsweisende Elfmeter eine Fehlentscheidung war, war allerdings nur ein Teil der Wahrheit. "Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir es darauf reduzieren", sagte Bierofka, "wir müssen uns darauf konzentrieren, wieder weniger Fehler zu machen." Wie seine Mannschaft - auch schon zuvor - von den Zwickauern phasenweise eingeschnürt wurde, kann dem Trainer ebenso wenig gefallen haben wie die vielen Aussetzer, die den FSV im Schneeregen zum Toreschießen einluden. "Das 1:0 nach einem Einwurf darf nie passieren", meinte der Trainer - es passierte aber: Kein Löwe störte bei der Flanke von Nils Miatke, kein Löwe störte beim Kopfball von Ronny König (2.). "Wir bekommen hier Gegentore eingeschenkt wie eine Schülertruppe", wunderte sich auch 1860-Stürmer Sascha Mölders.

Nachdem Daniel Wein auf Vorlage von Benjamin Kindsvater ausgeglichen hatte (10.), beging den nächsten Fehler die Schiedsrichterin, Toni Wachsmuth verwandelte den Elfmeter (33.). Zwischendurch erzielten Frick (49.) und Mölders (55.) schöne Tore, und dann präsentierte 1860-Torwart Marco Hiller den nächsten schweren Patzer: Nach einer Ecke konnte er den Ball nicht festhalten und erzielte das 2:4 nahezu selbst (58.). Nach einem Konter fiel die Entscheidung durch Lion Lauberbach (78.), und in der Schlussphase sah zu allem Überfluss 1860-Kapitän Felix Weber Gelb-Rot; er fehlt nun im Heimspiel am Samstag gegen den direkten Konkurrenten Fortuna Köln. Bierofka, ohnehin schlecht auf Hussein zu sprechen, vermisste "Fingerspitzengefühl".

Fingerspitzengefühl - das war auch ein Thema, was den Auftritt der 1860-Anhängerschaft anging. Dass sie mit einem großen Wappen der Fußball-Abteilung gegen die Merchandising-GmbH von Investor Hasan Ismaik protestierte, die Fans für die Nutzung des Löwen-Logos abmahnen lässt, war die eine Sache. Ob dazu zwingend permanenter Einsatz von Pyrotechnik nötig war, die andere. Dass die Zwickauer auf Plakaten und in Gesängen übel beschimpft wurden und gar der Wiederaufbau der Mauer gefordert wurde, sorgte für Verwunderung.

Weniger verwunderlich war es, dass mal wieder das so genannte Scheichlied vorgetragen wurde, und ebenso wenig, dass sich der besungene Ismaik tags darauf auf Facebook zu Wort meldete. Er schloss sich der Schiedsrichterkritik an: "Es ist sehr auffällig, was in den letzten Wochen in unseren Spielen passiert. Immer wieder rauben uns fatale Fehlentscheidungen bessere Ergebnisse." Und er teilte mit: "Daniel Bierofka ist unser Trainer. All denjenigen, die ihn hinter vorgehaltener Hand und in Social Media kritisieren, will ich sagen: Er ist unantastbar."

Das Schlechte am Sonntagnachmittag waren dann übrigens die Ergebnisse von anderswo: Cottbus siegte in Uerdingen, Braunschweig in Aalen, der Abstand des TSV 1860 auf die Abstiegsplätze verringerte sich nun doch noch - auf vier Punkte bei noch zwei Partien. "Es bringt jetzt nichts, draufzuhauen", stellte Bierofka fest. "Wir haben jetzt zwei Endspiele, ich muss den Spielern jetzt Mut zusprechen."

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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