TSV 1860 München:Die Suche nach den Schweigenden

Lesezeit: 3 min

"Erstens respektiere ich die Satzung. Zweitens fände ich es demokratischer, wenn nicht nur der oder der zugelassen würde, sondern alle." - Saki Stimoniaris. (Foto: Stephan Rumpf)

Saki Stimoniaris, Statthalter von 1860-Investor Ismaik, will beim anderen Gesellschafter, dem e.V., Präsident werden.

Von Markus Schäflein, Philipp Schneider

Am Freitagmorgen verschickte Saki Stimoniaris eine Pressemitteilung, dass er sich für das Präsidentenamt beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München bewirbt, und eine Neigung zum Geschwurbel kann man ihm nicht vorwerfen: Schon im dritten Satz kam er zum Knackpunkt. "Ich würde mir wünschen, dass der Verwaltungsrat meine Bewerbung gründlich und sorgfältig prüft", erklärte Stimoniaris. Das ist ein berechtigter Wunsch - es ist allerdings gut möglich, dass das Gremium, das den Präsidentschaftskandidaten nominiert, Stimoniaris nach gründlicher und sorgfältiger Prüfung ablehnt. Denn der MAN-Betriebsratschef und ehemalige 1860-Verwaltungsrat agiert ja mittlerweile als Statthalter des Investors Hasan Ismaik, also im Dauerzwist zwischen den Profifußball-Gesellschaftern auf der Investorenseite - und nun bewirbt er sich als Präsident der Gegenseite, nämlich des TSV 1860 e.V.

Für Stimoniaris ist das selbstredend kein Widerspruch, möchte er jenen Zwist doch beenden. Also schrieb er: "Sollte meine Position als Stellvertreter des Mehrheitsgesellschafters der KGaA in Verbindung mit dem Präsidentenamt des e.V. kritisch hinterfragt werden, so möchte ich diesbezüglich betonen: Unabhängig davon, dass auch der amtierende Präsident problemlos einem Lager zugeordnet werden könnte, sehe ich gerade in der Überwindung des Lagerdenkens bei 1860 meine größte Herausforderung." Überwindung das Lagerdenkens hieße auch, wieder Darlehen oder Genussscheine (und wohl auch Wünsche) von Ismaik anzunehmen, was der amtierende Präsident Robert Reisinger untersagt. Er hat dem Geschäftsführer der Profifußball-KGaA, Michael Scharold, per 50+1 eine entsprechende Weisung erteilt.

Im Fußball verkompliziert sich bekanntlich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft, und bei der Mitgliederversammlung des TSV 1860 verkompliziert sich nun auch einiges durch die Anwesenheit von Stimoniaris. In der Satzung heißt es unter III. 11.2.2: "Wird ein vom Verwaltungsrat vorgeschlagener Kandidat für das Präsidium von der Mitgliederversammlung nicht gewählt, so schlägt der Verwaltungsrat einen anderen Kandidaten vor, der sich in derselben beziehungsweise in der darauffolgenden (. . .) Mitgliederversammlung zur Wahl stellt." Als erstes wird der investorenkritische Verwaltungsrat aller Wahrscheinlichkeit nach den Amtsinhaber Reisinger vorschlagen, der den klaren Kurs vorgegeben hat, dass die KGaA sich ohne Gesellschaftermittel konsolidieren soll.

Und sollte Reisinger nicht gewählt werden, wäre es selbstredend auch nicht die Pflicht des Verwaltungsrats, als zweiten Kandidaten Stimoniaris zu nominieren - es könnte ja auch noch weitere, derzeit noch nicht bekannte Interessenten geben. Es ist eher nicht davon auszugehen, dass Verwaltungsräte einen Präsidentschaftskandidaten auswählen, der einen grundsätzlich anderen Kurs anstrebt als sie selbst. Sollte sich auf der Versammlung allerdings zeigen, dass eine Mehrheit der Anwesenden Stimoniaris gerne zum Präsidenten wählen würde, kämen die Räte allerdings kaum umhin, ihn zuzulassen - oder zurückzutreten oder sich gar abwählen zu lassen.

Das könnte spannend werden - allerdings nur, wenn die anwesenden Mitglieder nicht in so überwältigender Mehrheit den aktuellen Kurs unterstützen wie auf den vergangenen Versammlungen dieser Art. Für Stimoniaris gilt es also, in großer Zahl Mitglieder zu der Versammlung zu bringen, die seiner Meinung und bisher nicht erschienen sind. Die Suche nach der angeblich vorhandenen schweigenden Mehrheit", die zuletzt das "Team Profifußball" erfolglos betrieb, geht also weiter.

Erste Wahlkampfthemen lieferte Stimoniaris in seiner Mitteilung gleich mit. "Sollte der grundlegende Umbau des Grünwalder Stadions, den ich zu 100 Prozent befürworte, aufgrund der Machbarkeitsstudie nicht umsetzbar sein, muss sofort die Suche nach einem Grundstück im erweiterten Stadtgebiet erfolgen, indem ein Stadionbau mit mindestens 35 000 Zuschauern möglich ist", erklärte er. "Mein Netzwerk in die Wirtschaft und die Politik wird den Löwen sehr hilfreich sein." Und auch das Thema Nachwuchsleistungszentrum griff er auf. Es dürfe "eine weitere Verschlechterung nicht länger hingenommen" werden, es brauche "nicht nur mehr Geld für die Nachwuchsarbeit, sondern auch ein neues Konzept für die Förderung unserer Jugend".

Ein solches Konzept hat der e.V. bereits vorgelegt, allerdings eines, das Stimoniaris nicht gefallen dürfte - der e.V., in dem bereits alle anderen Jugendteams verortet sind, würde die U21 und die U19 von der KGaA übernehmen. "Die Übernahme von zwei so großen Kostenblöcken würde das aktuelle Defizit der KGaA natürlich reduzieren", sagt Geschäftsführer Michael Scharold. "Um das final zu beurteilen, müssen aber der Einfluss der sportlichen Leitung der KGaA und die Verfügungsrechte bei Spielern noch geklärt werden." Absolute Priorität müssten in einer solchen Konstruktion die Interessen der ersten Mannschaft haben.

Ein Modell, wie es mit dem Nachwuchs weitergehen soll, hat die Investorenseite in ihrer jüngsten öffentlichen Stellungnahme, ganz im Gegensatz zum e.V., noch nicht angestoßen. Und auch eine Rückmeldung auf Scharolds vier Modelle zur Zukunft der Profifußball-KGaA, die eine Finanzierung mit Genussscheinen vorsieht, wäre spannend - der Geschäftsführer erklärte auf Nachfrage jedenfalls nochmals, dass er sie für ein geeignetes Mittel hält: "Dazu spreche ich unter bestimmten Rahmenbedingungen ein klares Ja aus."

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: