TSV 1860 München:Ansteckende Ungeduld

1860 Spieler auf dem Zaun vor ihren Fans nach Spielende Fussball TSV 1860 Muenchen 1860 VfR

Am Ende versöhnt: Die Mannschaft und die Anhängerschaft des TSV 1860 nach dem 2:1-Sieg gegen den VfR Aalen.

(Foto: Oryk Haist/imago)

Trainer Daniel Bierofka vermisst bei 1860 München Ruhe und Ballbesitz.

Von Markus Schäflein

Die Erleichterung wandelte sich in Überschwang, erst auf den Rängen des Grünwalder Stadions, dann auch im Inneren der Haupttribüne. "In der Kabine ist eine sehr schöne Stimmung, um es mal harmlos zu sagen", berichtete Prince Osei Owusu, der Siegtorschütze beim Last-Minute-2:1 gegen den VfR Aalen, der den TSV 1860 München sieben Punkte weit weg von den Abstiegsrängen gebracht hatte. Die Löwen hatten im Jahre 2019 ja noch keinen einzigen Sieg verbucht und wären bei einem Misserfolg auf Rang 14 abgerutscht.

Aus der Umkleide drang der Partylärm, natürlich hallte auch der wilde Jubel des Publikums nach Owusus Treffer noch nach. Aber es klangen eben auch noch diese Pfiffe in den Ohren der Spieler, die Pfiffe der eigenen Anhänger, die offenbar ein Torfestival gegen den Tabellenletzten erwartet hatten. Im engen, vollen Grünwalder Stadion sind eben nicht nur Anfeuerungsrufe und Klatschen, sondern auch Gemeckere und Pfiffe viel näher an den Spielern als in anderen Arenen. Das Grünwalder, das im Ruf steht, Spiele alleine zu gewinnen, kann so an schlechten Tagen auch zum Heimnachteil werden. Stürmer Sascha Mölders hatte sich nach dem Schlusspfiff mit dem Megafon an die Fans gewandt und eindringlich um mehr Geduld gebeten, und Mittelfeldspieler Daniel Wein, Schütze des Ausgleichs, meinte zu den Unmutsbekundungen: "Normalerweise muss man das ausblenden als Profi, aber das ist halt nicht immer so einfach. Wir sind eine junge Mannschaft, da gibt es vielleicht ein paar Spieler, die sich davon verunsichern lassen."

Der VfR Aalen ist ein anerkannter Spezialist für späte Gegentore

Trainer Daniel Bierofka hatte Verunsicherung vor allem in der Spieleröffnung von Felix Weber, 24, und Simon Lorenz, 21, ausgemacht. "Wir haben zwei sehr junge Innenverteidiger, die sich ein bisschen beeinflussen haben lassen davon, dass das Publikum unruhig geworden ist", stellte Bierofka fest. Als es nach druckvollen und dominanten 20 Minuten in der Mitte der ersten Hälfte immer noch 0:0 stand, wurden die Anhänger ungeduldig - und auch im Spiel der Löwen ging "die Ruhe verloren", meinte der Trainer: "Da musst du einfach normal weitermachen. Du darfst nicht jeden Ball nach vorne spielen, sondern musst auch mal in Ballbesitz bleiben, den Gegner mal ins Laufen bringen", forderte er. Seine Mannschaft habe "oft zu schnell in die Spitze" und "dem Gegner in die Karten" gespielt.

Auch Wein fand den Auftritt des TSV 1860 "ungeduldig" und hatte "viele einfache Fehler" beobachtet: "Wir haben alles versucht, aber es hat nicht wirklich viel geklappt." Dass Sechzig doch noch gewann, lag daran, dass der nun schon abgeschlagene Letzte VfR Aalen ein anerkannter Spezialist für späte Gegentore ist - diesmal war es mal wieder ein Patzer von Torwart Daniel Bernhardt, der Wein das 1:1 mit einer Faustabwehr auflegte (84.). "Ich habe erst überlegt, ob ich den Ball noch mal annehmen soll, dann dachte ich: nee", berichtete Wein, "das war natürlich ein bisschen glücklich dann, dass er noch abgefälscht wurde." Und ein bisschen unglücklich aus Sicht der insgesamt äußerst unglücklichen Aalener. Das 2:1 durfte der aus Bielefeld geliehene Owusu, für Wein "ein brutaler Spieler, ein Super-Stürmer", nach Vorlage von Mölders gänzlich ungedeckt erzielen (88.).

Verklungen waren die Pfiffe, aber nicht vergessen. Man musste sie auch als Beleg dafür nehmen, wie eminent wichtig der spät gesicherte Sieg war. Wein sagte mit einigem Recht: "Ich will mir nicht vorstellen, was los gewesen wäre, wenn wir verloren hätten."

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