TSV 1860 München:Sehnsucht nach Typen

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Eine junge Mannschaft, der die Routine in der zweiten Liga fehlt - und am Ende steht immer wieder Vitus Eicher frustriert in seinem Tor. (Foto: buthmann/imago)

Nach dem 1:3 gegen Heidenheim steckt die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz fest. Sportdirektor Kreuzer wünscht sich Neuzugänge.

Von Markus Schäflein

Singen durften die Fußballspieler des Zweitligisten TSV 1860 München, schließlich stand am Samstagabend das traditionelle Adventssingen mit den Fans im Stadion an der Grünwalder Straße auf dem Programm. Reden hingegen sollen sie derzeit nicht, jedenfalls nicht mit den Medien: "nicht Fernsehen, nicht gar nichts. Nichts", wie ein Sprecher des Vereins nach dem 1:3 am Freitagabend betonte. Dafür redete Sportdirektor Oliver Kreuzer und fasste die Gefühlslage beim Zweitliga-Vorletzten nach der zweiten Heimniederlage hintereinander treffend zusammen. "Wir hatten uns ja schon für Frankfurt viel vorgenommen, es war eigentlich so eine Chance, das Tabellenende zu verlassen", sagte Kreuzer. "Jetzt haben wir es letzte Woche nicht geschafft und heute auch nicht, das ist natürlich unglaublich enttäuschend."

Bei der Ursachenforschung stieß Kreuzer auf eine Erkenntnis, die Trainer Benno Möhlmann in den vergangenen Wochen erst vorsichtig angedeutet, dann klar angesprochen und schließlich vehement wiederholt hatte: Den jungen Spielern der Löwen geht die Zweitliga-Routine ab. Wieder einmal spielten gegen Heidenheim viele Talente mit. "Wir sind halt in einer Situation, wo wir nicht anders können", sagte Kreuzer, "Benno kann ja gar nicht anders aufstellen. Wir hatten da wirklich eine Jugendabwehr, auch heute wieder, mit Wittek auf der linken Seite, Yegenoglu daneben, Richi Neudecker eins davor. Das sind gute Jungs, aber die mangelnde Reife und Erfahrung merkt man."

Zum Beispiel merkte man sie beim 1:2, das den Löwen kurz nach der Pause die durch Rubin Okoties Ausgleich frisch gewonnene Hoffnung gleich wieder raubte: Bei Linksverteidiger Maxi Wittek, 20, und Innenverteidiger Sertan Yegenoglu, 20, passte die Abstimmung nicht. "Wenn da ein erfahrener Spieler ist, muss er nur ein Kommando geben, dass er sich absetzt", meinte Kreuzer. "Dann ist die Situation geklärt. Aber die zwei Jungs meinen es gut und gehen beide zum Ball. So ein individueller Fehler, das ist einfach mangelnde Erfahrung." Dieser zweite Rückstand war wohl zu viel für die Mannschaft, vermutete Kreuzer: "Da nimmst du dir so viel vor - und was passiert? Wieder ein individueller Patzer, wieder in Rücklage. Das ist mühsam. Du kommst da unten nur raus, wenn du wenig Eigenfehler machst hinten."

Was blieb, war eine so bittere wie wahre Erkenntnis: "Heidenheim ist keine Übermannschaft, aber mit einfachen Mitteln können die uns besiegen." Kreuzer gab ganz offen zu, dass die guten Leistungen und Ergebnisse in Möhlmanns ersten Spielen vielleicht eine zu optimistische Einschätzung verursacht hatten. "In den letzten beiden Spielen hat man gesehen, dass die Mannschaft doch nicht so stabil ist", sagte er. "In der Anfangsphase unter Benno hat sie es gut gemacht, es war auch eine Portion Glück dabei, aber wir haben gedacht, dass das doch etwas stabiler ist. Wir bringen den Gegner immer in Vorteil, wir bringen immer uns in Schieflage." Und das betrifft bei weitem nicht nur die Abwehr: "Wir verlieren unsere Linie durch viel zu viele ungenaue Abspiele, viel zu viele Fehler im Aufbau", meinte Kreuzer.

Erfahrene Verstärkung für den Kader in der Winterpause wäre eine naheliegende Maßnahme, nachdem Trainer und Sportchef dasselbe Problem ausgemacht zu haben glauben. Ob es dazu allerdings kommen wird, ist offen. Nach dem vergangenen München-Besuch hatte Investor Hasan Ismaik ja in einer Pressemitteilung des Klubs erklärt: "Wir haben vereinbart, den Weg, auf unsere Talente zu setzen, konsequent weiterzugehen." Kreuzer erklärte nun, dass er durchaus an die Verpflichtung des einen oder anderen Routiniers denkt: "Man muss schauen, inwieweit und in welcher Größenordnung Mittel dafür vorhanden sind." Es ergebe derzeit "keinen Sinn, über irgendwelche Zahlen zu reden", sagte Kreuzer. Es ergäbe allerdings auch wenig Sinn, wenn der Sportdirektor diese Zahlen nicht kennen würde.

"Ich habe das Gefühl, dass die Entscheidungsträger eine Linie verfolgen", sagt Möhlmann

Am Mittwoch (20.30 Uhr) spielt 1860 im DFB-Pokal gegen den VfL Bochum um den Einzug ins Viertelfinale; aus Kreuzers Sicht ist es "für uns auch ein eminent wichtiges Spiel. Wir wollen uns wieder das Selbstvertrauen holen." Und zu holen gäbe es auch eine Menge Geld: mehr als eine Millionen Euro. Das Geld würde Kreuzers Planungen erleichtern.

Trainer Möhlmann geht jedenfalls davon aus, dass in den Kader investiert wird: "Ich denke, es besteht im ganzen Verein Einigkeit, dass wir Typen brauchen", sagte er am Samstagmorgen nach dem Spiel. "Ich habe das Gefühl, dass die Entscheidungsträger eine Linie verfolgen und versuchen, das umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass das klappt." Es sei schließlich "keine Hoffnung, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass wir das versuchen".

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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