TSV 1860 München:Scharfe Tabletten

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Schneller Antritt, gute Ballkontrolle: Der gebürtige Münchner Merveille Biankadi, 25, wird vom TSV 1860 bis Juli 2022 aus Heidenheim geliehen. (Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/Imago)

Ein Tor, eine Vorlage: Winterzugang Merveille Biankadi hat dem Fußball-Drittligisten 1860 München in zwei Spielen sechs Punkte beschert. Und er harmoniert von Anfang an mit Sascha Mölders, dem Kapitän und wichtigsten Angreifer der Löwen.

Von Johannes Kirchmeier, München

Michael Köllner wusste, bei wem er sich am Montag zu bedanken hatte. Er dachte im Pressestüberl des Grünwalder Stadions zurück an die filigrane Drehung samt Ballmitnahme von Merveille Biankadi etwa eine Stunde zuvor im Mittelfeld, dank der der Angreifer zwei Gegnern entwischt war. Und an dessen zur rechten Zeit gespielten Pass auf Sascha Mölders im Anschluss. Mölders traf daraufhin in seiner unnachahmlichen Mittelstürmer-Manier entscheidend: zum 1:0 (0:0)-Sieg im Spitzenspiel der dritten Fußball-Liga gegen den FC Ingolstadt. "Heute haben wir gesehen, dass Biankadi für uns ein wertvoller Neuzugang ist", sagte Köllner also, der Trainer des TSV 1860 München. "Welcher Neuzugang hilft dir in den ersten beiden Spielen zu sechs Punkten?"

Na ja, die meisten nicht. Zum Vergleich: Drüben in Ingolstadt haben sie kürzlich den hochdekorierten früheren Bundesliga-Stürmer Caiuby verpflichtet, der tat sich nach der Einwechslung auf Giesings Höhen in seinem ersten Fußballspiel seit fast zwei Jahren merklich schwer.

Biankadi dagegen schoss schon eine Woche zuvor das entscheidende 2:0 im Derby gegen den FC Bayern II. Der per Leihe bis Juli 2022 vom Zweitligisten Heidenheim verpflichtete gebürtige Münchner entpuppt sich schnell als wichtiger Griff für die Löwen, seine Integration fiel in der Heimat ohnehin leicht: "Von dem her würde ich am liebsten mit 20 Münchnern spielen", sagte sein Coach. Zudem weiß der 25-Jährige, wie man in der dritten Liga aufsteigt: Im Vorjahr steuerte er drei Tore und fünf Vorlagen in der Rückrunde für Eintracht Braunschweig bei, schon damals war er ausgeliehen.

Die Löwen sind als Tabellen-Dritter zur Saisonhalbzeit nur einen Punkt hinter Ingolstadt und zwei Zähler hinter Dresden

Das Wichtigste aber: Er harmonierte von Anfang an mit Sascha Mölders, dem Kapitän und wichtigsten Angreifer der Löwen. Am Montag zeigte jener Mölders erneut, welch brutale Effizienz in ihm steckt. Mit 13 Treffern ist er auch als bald 36-Jähriger Liga-Toptorjäger. Während sich auf der Gegenseite die Ingolstädter abmühten und deutlich mehr Strafraumszenen hatten, löste Mölders seine Gleichung gewohnt pragmatisch: 1 Chance = 1 Treffer. Vergebene Gelegenheiten? Kommen so gut wie nie vor. "Wenn eine Mannschaft uns die Möglichkeit gibt, dann sind wir da, dann schlagen wir eiskalt zu", sagte Köllner.

Die Zukunft in Giesing leuchtet gerade also wieder einmal so hell wie das Flutlicht im Grünwalder. Aktuell wird die Stimmung zwar davon getrübt, dass sich Mittelfeldmann Quirin Moll gegen Ingolstadt eine Knieverletzung zugezogen hat, "die eine längere Ausfallzeit nach sich zieht", wie der Klub am Dienstag bestätigte. Nach dem Sieg gegen den Zweiten sind die Löwen als Dritter zur Saisonhalbzeit allerdings nur einen Punkt hinter Ingolstadt und zwei hinter Dresden, das allerdings ein Spiel weniger bestritten hat. "Wenn ich das Anfang August verkündet hätte, dann hätte man gesagt, der hat die Sommerpause nicht so gut verkraftet, der hat ein paar scharfe Tabletten eingeworfen", sagte Köllner, der die Halbzeit zum Anlass für eine kleine Rückschau nahm. Geärgert habe ihn ja eigentlich nur der graue November, "dumme Spiele" seien da dabei gewesen. Ganz unschuldig war er daran vielleicht auch selbst nicht, als er in den Tagen nach dem 1:2 in Dresden für einen Profifußball-Trainer erstaunlich kühn eine "Neun-Punkte-Woche" ausrief. Fast fühlte man sich schon an Vitor Pereiras "We go to the top!" erinnert. Die Englische Woche verlief dann fast so zäh wie Pereiras Mission - mit drei Remis. Und eine Woche drauf, schon im Dezember, verlor der TSV 1860 auch noch bei Viktoria Köln.

Seitdem ist viel passiert, von fünf Partien gewann der Sechzig vier - und er kassierte lediglich beim 2:2 gegen den SV Wehen Wiesbaden Gegentore. "Wir haben uns im November damit beschäftigt, dass wir die Balance nicht gefunden haben", erinnerte sich Köllner. "Wir haben gut gespielt, aber dann immer vorne was liegen gelassen und hinten waren wir unsortiert. In dem Bereich haben wir uns enorm entwickelt."

Was auch am Montag zu besichtigen war: Neben Mölders' kalter Schnauze war der Schlüssel zum Sieg auch dieses Mal, dass die Löwen alles "gut weg verteidigt" haben, wie es der FCI-Coach Tomas Oral nannte. Den grämte noch etwas anderes: "Eigentlich musste es Einwurf für uns geben", sagte er zu Recht über die Situation, die dem 1:0 vorausging. Im Zweikampf mit Filip Bilbija an der Seitenauslinie war der Sechziger Richard Neudecker zuletzt am Ball.

Der Ärger war jedoch schnell verflogen, im Grunde ist auch Oral zufrieden mit der Hinrunde. Die beiden oberbayerischen Teams werden sich wohl noch eine spannende Rückserie im Kampf um den Aufstieg liefern. Mit einem möglichen Höhepunkt: dem Aufeinandertreffen beim letzten Spieltag am 22. Mai.

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