TSV 1860 München:Lehre des Klosterschülers

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Gibt lieber Wetterprognosen ab, als forsche Ziele zu formulieren: 1860-Trainer Michael Köllner. (Foto: Roger Petzsche/imago)

Obwohl 1860 seit neun Spielen nicht verloren hat, vermeidet es Trainer Michael Köllner vor dem wegweisenden Spiel gegen Waldhof Mannheim, vom Aufstieg zu reden.

Von Philipp Schneider

Am Mittwoch hat Michael Köllner endlich die Zeit gefunden, einige an der Grünwalder Straße sehr wichtige Männer zu treffen. Im Löwenstüberl saß er an einem Ecktisch zusammen mit allen Meisterlöwen, die erscheinen konnten. Bis auf Fredi Heiß, der an Grippe erkrankt war, und Petar Radenkovic, der schon vor Jahren seinen Wohnsitz nach Belgrad verlegt hat, waren alle noch lebenden Löwen der Mannschaft von 1966 am Tisch, auch der Kapitän Peter Grosser. Und Grosser, das wurde tags darauf überliefert, gab Köllner ein kleines Überlebens-Coaching mit auf den Weg: Beim TSV 1860 München dürfe man als Trainer nie zu bescheiden sein! Erst recht nicht als ein nach sieben Spielen noch immer unbesiegter Trainer! Wer bescheiden ist bei Sechzig, das weiß ein Meisterlöwenkapitän, der endet als Hyänenfraß.

Ja gut, sagt Michael Köllner. Das sei ein toller Ratschlag. "Aber der kann dir natürlich auch das Genick brechen." Als guter Zuhörer hat Köllner schnell begriffen, was Grosser von ihm hören wollten. "Er meinte, dass es schön wäre, in die zweite Liga zurückzukehren." Das findet Köllner schon auch. Aber gibt man das als Ziel aus? Bei sechs Punkten Rückstand auf den Aufstiegs-Relegationsplatz? Zwei Tage vor einem Heimspiel gegen den Aufsteiger und Tabellenvierten Waldhof Mannheim, der kein Auswärtsspiel mehr verloren hat seit März 2018 (sic!), also seit fast zwei Jahren?

Köllner sagt lieber: "Wetter wird toll. Sonne wird scheinen. Elf Grad sind vorhergesagt. Das Grünwalder Stadion wird voll sein." Das ist eine weniger gewagte Prognose, als würde er vorrechnen, dass 1860 am Wochenende bis auf drei Punkte heranrücken könnte an Platz drei. Dass das Spiel einen vorentscheidenden Charakter habe, findet Köllner auch nicht. "Es ist ein Spiel von 38", sagt er: "Wegweisende Spiele hatten wir schon gegen Großaspach und gegen Ingolstadt. Bei jedem Spiel wird mir erzählt: Wenn wir das nicht gewinnen, ist alles vorbei, so nach dem Motto."

Köllners Problem ist es, dass er schon einmal mit einer Mannschaft aufgestiegen ist, ohne dass er dies zuvor großartig angekündigt hatte: 2018 führte er den 1. FC Nürnberg zurück in die Bundesliga. Darauf angesprochen räumte Köllner nun jedoch mit der Legende auf, der Aufstieg sei völlig ungeplant geschehen. Und als ehemaliger Schüler am Kloster in Weiden findet er selbstverständlich einen passenden Vergleich in der Bibel. "Wir haben den Aufstieg damals gewollt", sagt Köllner. "Da sind wir nicht wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Das war schon eine gewollte Schwangerschaft." Und damit enden die Parallelen zu 1860, wo im Konsolidierungsjahr das Gegenteil von Nachwuchs geplant wird: eine stressfreie Saison.

Auf dem Weg dahin, das findet Köllner schon auch, kann es allerdings nicht schaden, die eigene Mannschaft zu lehren, "die Dinge fußballerisch zu lösen. Dann gehst du dem Zufall aus dem Weg." Er meint: mit viel Ballbesitz und einer offensiven Grundausrichtung. Die Meisterlöwen, berichtet Köllner, sind zufrieden mit seiner Arbeit. "Sie erfreuen sich am offensiven Spiel. Sie gehen gerne ins Stadion. Es gefällt ihnen zuzuschauen."

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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