TSV 1860 München:Grün hinter den Ohren

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Yegenoglus Fehler beim 0:1 wirft Grundsatzfragen auf. Trainer Möhlmann wünscht sich Verstärkungen.

Von Markus Schäflein

Sertan Yegenoglu konnte einem mal wieder leid tun. Der 20-jährige Innenverteidiger, den die Personalnot aus der Regionalliga-U21 in die Zweitliga-Stammelf des TSV 1860 München gespült hat, macht nicht viele Fehler; aber fast immer, wenn er einen macht, liegt der Ball im Tor zum spielentscheidenden Treffer. So war das bei seinem Debüt, dem 0:1 gegen Karlsruhe, und so war es nun beim 0:1 gegen den FSV Frankfurt, als Yegenoglu erst per Kopf nicht richtig klärte, dann im Strafraum unnötigerweise grätschte und Besar Halimi traf. "Ein Kontakt war da, er hat es schlau gemacht", gestand Yegenoglu, der im Sommer vom FC Hennef 05 aus der Regionalliga West zur U21 gekommen war. Und er beschrieb auch die Szene vorher, als ihm sein Innenverteidiger-Kollege noch helfen wollte: "Chris Schindler hat gerufen, ich solle den Ball durchlassen, aber ich wollte ihn wegköpfen."

Kapitän Schindler, mit 25 Jahren der weitaus Erfahrenste in der Viererkette, nahm Yegenoglu in Schutz. "Es reißt ihm keiner den Kopf ab. Ich sehe, dass er hinkommt, und rufe ihm noch zu, dass er den Ball durchlassen soll. Aber diese Entscheidung muss er in einer Zehntelsekunde treffen, und zu köpfen ist ja auch noch okay", sagte er. Außerdem dürfe man den Nachwuchsverteidiger nicht nur nach einzelnen Fehlern beurteilen: "Er macht es über weite Strecken ganz ordentlich, das muss man betonen", meinte Schindler, "es ist wichtig, dass wir weiter viel reden und uns weiter aufeinander abstimmen, damit ich ihm Sicherheit gebe." Schindler merkt, dass er selbst an der Herausforderung wächst, seinen Nebenmann zu führen: "Wenn ich lieber ein Mal zu viel coache als ein Mal zu wenig, bin ich selbst wacher."

Drei 20-Jährige standen in der Viererkette, in der Offensive kam Karger zu seinem Zweitligadebüt

Auch Benno Möhlmann fand es "schade für Sertan. Er macht viele Sachen gut, aber er ist noch nicht so stabil, dass er immer über 90 Minuten gut ist". Das wundert den Trainer auch nicht, "das gehört dazu, das ist ein Entwicklungsprozess". Allerdings ein Prozess, den sich Sechzig nur schwer leisten kann - wegen der Tabellensituation, und weil der Rest der Mannschaft einen Fehler nicht so leicht wieder wettmachen kann: "Im Moment tun uns diese Sachen schon weh", sagte Möhlmann.

Yegenoglu ist jung und unerfahren, und deshalb hat er zu allem Überfluss das Pech, dass er nun sinnbildlich steht für ein Problem der Löwen: Die Blauen sind grün hinter den Ohren. Gegen den FSV Frankfurt standen drei 20-Jährige in der Viererkette. Emanuel Taffertshofer wurde auf der ungewohnten Rechtsverteidigerposition in der ersten Viertelstunde von den Frankfurtern in unbarmherziger Regelmäßigkeit düpiert, kämpfte sich dann aber ins Spiel und fand sich immer besser zurecht. In der Offensive spielte rechts der 21-jährige Fejsal Mulic, links verschaffte Möhlmann Nico Karger, 22, den ersten Zweitligaeinsatz. Die derzeit vermissten Stammkräfte Richard Neudecker und Marius Wolf sind noch jünger, 19 und 20 Jahre alt.

Dass Argument, dass derzeit verletzte Routiniers zurück kommen, sieht Möhlmann kritisch

"Die Frage hat schon ihre Berechtigung, ob unsere Qualität gut genug ist, oder ob die Mannschaft zu jung ist, oder ob bei den Jungen die Qualität noch nicht so stabil ist", sagte Möhlmann. Mangelnde Routine mag auch den Ausschlag dafür gegeben haben, wie der 20-jährige Linksverteidiger Maxi Wittek die letzte Chance in der Nachspielzeit vergab. Er schoss einen harmlosen Freistoß direkt in die Arme des Torwarts. "Der wollte, glaube ich, reingeben, und die anderen sollten reinlaufen". sagte Möhlmann. "Aber wenn wir das vorher nicht besprochen haben, dann läuft ja keiner rein, und dann nützt das ja nix."

Das Argument, dass derzeit verletzte Routiniers wie die Innenverteidiger Rodnei und Kai Bülow sowie die Offensiven Valdet Rama und Stephan Hain nach der Winterpause wieder zum Kader stoßen, sieht Möhlmann kritisch. Man könne sich nach so langen Verletzungspausen nie sicher über den Verlauf sein, meint der Trainer, der daher noch auf erfahrene Verstärkungen für den Kampf um den Klassenverbleib hofft - ob sie finanzierbar sind, ist allerdings offen. "Auf der einen oder anderen Position haben wir gedacht, vielleicht entwickeln sich doch noch die Leute weiter, die da sind", sagte Möhlmann. "Aber wir, die was zu entscheiden haben, müssen verantwortlich damit umgehen und uns relativ sicher sein, dass wir hinkommen."

Dann begab sich Möhlmann ins Grünwalder Stadion, um ein Spiel der A-Jugend zu beobachten.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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