TSV 1860 München:Freie Stellen im Wirtshaus

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Nach dem 0:1 zum Auftakt in Heidenheim mahnt Trainer Torsten Fröhling mal wieder Verstärkung an, er weiß aber: "Wenn ich jetzt hier Stunk mache, kriege ich auch keinen Spieler."

Von Markus Schäflein

Am Tag nach dem Sockendrama von Heidenheim dominierte die Kleiderfrage die Gespräche im Löwenstüberl leider nicht mehr. Es hatte für Irritationen gesorgt, dass die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vorab genehmigte Spielkleidung des TSV 1860 München dem Schiedsrichter nicht passte, dass die Heidenheimer zudem ihre eigenen roten Stutzen nicht selbst überziehen, sondern lieber die blauen anbehalten und die roten an die Löwen verleihen wollten. Heidenheims Verhalten war regelkonform - laut DFL-Regularien muss sich bei mutmaßlicher Verwechslungsgefahr die Auswärtsmannschaft umziehen, und die Münchner hatten ihren zweiten Satz nicht dabei -, aber nicht besonders freundlich: Schließlich hat der FCH die Farbe Rot im Wappen, der TSV bekanntlich nicht.

"Es waren ordentliche Spieler dabei. Mit ihnen gesprochen habe ich, mehr kann ich nicht tun."

"So ist das eben in der Ellbogengesellschaft, da geht es mit allen Mitteln", klagte 1860-Trainer Torsten Fröhling, der einen Psychotrick witterte und nachhaltige Verunsicherung in seiner Mannschaft aufgrund der ebenso clown- wie bayernhaften Optik diagnostizierte. Wohingegen die Heidenheimer sich ein Späßchen machten aus ihrer angeblichen Freundlichkeit, die schönen Strümpfe überhaupt verliehen zu haben. Die Löwen seien eine "Wirtshaustruppe", klagte ein FCH-Betreuer, weil sie die Socken nach dem Spiel achtlos auf den Rasen geworfen hatten, statt sie, wie man das mit geliehenen Sachen gemeinhin tut, dankend wieder zurückzugeben.

Wer allerdings dachte, dass der ganze Quatsch reichen würde, um die Münchner Anhängerschaft vom sonstigen Geschehen auf dem Rasen abzulenken, sah sich getäuscht. Zu tief saß das Entsetzen nach dem 0:1, angesichts des Resultats, aber vor allem angesichts der Leistung, als dass sich noch jemand lange mit Äußerlichkeiten aufgehalten hätte. Vor allem im Spiel nach vorne gelang den Löwen über weite Strecken gar nichts, und in der Defensive ließen sie sich in der zweiten Spielhälfte von der schlichten Taktik des Gegners in regelmäßigen Abständen düpieren. "Das war das Spiel von Heidenheim: lange Bälle, hinterher, Freistoß rausholen", klagte Fröhling, "und der Schiedsrichter und wir selbst sind oft genug darauf reingefallen."

Fehlentscheidungen des Unparteiischen Christian Dingert, der sich nicht nur mit der Sockennummer den Zorn Fröhlings zuzog, und ungeschickte Zweikampfführung der Löwen führten zu einer Serie von Standardsituationen, die aufs Tor prasselten. Keeper Vitus Eicher hielt das 0:0 dennoch mit einigen Paraden - bis zur 86. Minute. "Dann waren wir nicht am Mann, und dann verliert man", klagte Fröhling. Nicht am Mann, genauer gesagt an Kevin Kraus, war dessen zugeteilter Gegenspieler Rubin Okotie. "Das darf nicht passieren", sagte Fröhling, "entscheidend war aber auch die Masse an Standards."

Und entscheidend war, dass Sechzig in der zweiten Hälfte selbst überhaupt nichts hinbekam, das für nachhaltige Entlastung gesorgt hätte. Okotie habe in dieser Phase "seinen Hauptjob, Bälle festzumachen, nicht mehr erfüllt", sagte Fröhling, wobei er dem formsuchenden Stürmer auch zugute hielt, dass er vergeblich auf jedwede Unterstützung der Mitspieler wartete: "Er lebt auch von dem, was kommt."

Und das war äußerst wenig. Fröhlings Schachzug, den in der Vorbereitung so fleißigen Daylon Claasen völlig überraschend als Zehner aufzubieten, funktionierte nur in einer kurzen Phase der ersten Hälfte; die Rechtsverteidigerrolle, für die Claasen eigentlich vorgesehen war, vertraute Fröhling angesichts der Offensivkraft von Heidenheims Marc Schnatterer lieber dem robusten Vladimir Kovac an. "Ich wollte jemand haben, der den Hauptjob Defensive erledigt, auch körperlich", erklärte Fröhling. Das tat der 24-Jährige aus dem Regionalligakader, solide, aber uninspiriert.

Die Offensive und die rechte Seite der Viererkette - das sind die Positionen, für die sich Fröhling nach wie vor dringend Zugänge wünscht. "Ich habe immer gesagt, dass wir uns gezielt verstärken wollen, und dabei bleibe ich auch", erklärte er. "Dass sich das verzögert, da kann ich nichts dafür." Den Ablauf fasste Fröhling passend zusammen: "Am Anfang gab es keine Einigkeit, wer überhaupt hier arbeitet. Danach gab es immer noch Unstimmigkeiten, da sind auch Kandidaten abgesprungen. Und dann, ja, was war dann eigentlich?"

Die Antwort kennt kaum jemand, Fröhling zog es allerdings nicht in Erwägung, den vom Sport-Geschäftsführer zum Sportdirektor degradierten Gerhard Poschner oder gar den unverhofften neuen Geschäftsführer Noor Basha öffentlich zu rügen. "Soll ich jetzt lospoltern?", fragte Fröhling. "Wenn ich jetzt hier Stunk mache, kriege ich auch keine Spieler. Oder es kommt irgendeiner, den ich nicht brauchen kann. Und ich möchte keinen Spieler, nur damit ich einen Spieler kriege." Mit den Akteuren, die der Trainer als sofortige Verstärkungen angesehen hätte, wurde sich offenbar Poschner nicht einig: "Es waren ordentliche Spieler dabei, die gepasst hätten", sagte Fröhling. "Mit ihnen gesprochen habe ich, mehr kann ich nicht tun."

Für das erste Heimspiel gegen Freiburg am Samstag bangt der Trainer zu allem Überfluss um Daniel Adlung: "Er ist ein ganz, ganz wichtiger Spieler für uns." Die Verletzung des Mittelfeldspielers aus der Partie in Heidenheim stellte sich immerhin als weit weniger schwerwiegend heraus als befürchtet, das Syndesmoseband ist heil geblieben. Mit einer Außenbandverletzung am linken Sprunggelenk wird Adlung dennoch einige Tage fehlen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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