TSV 1860 München:Erinnerungen an Anthony

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Nach Geschäftsführer Michael Scharold kommt in Günther Gorenzel auch ein neuer sportlicher Leiter. Die e.V.-Vertreter interessiert kaum noch, was sich Investor Ismaik wünscht.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Zur Begrüßung sprach Michael Scharold "ein besonderes Hallo an Markus Fauser" aus. Der neue Geschäftsführer des Fußball-Regionalligisten TSV 1860 München wollte es sich nicht nehmen lassen, seinem Vorgänger und bisherigen Vorgesetzten einen "Dank für die gute Zusammenarbeit" auszusprechen und zu betonen, welch gute Arbeit der Sanierungsexperte in seinen sieben Monaten beim Sanierungsfall Sechzig geleistet hatte.

Ismaiks will Markus Fausers Bezüge nachträglich "in der nächsten Sitzung prüfen"

Investor Hasan Ismaik, der sowohl bei Fausers als auch bei Scharolds Ernennung von den Vereinsvertretern per 50+1 überstimmt worden war, sieht das anders; in Wahrheit, schob Ismaik am Mittwoch gegenüber der SZ nach, sei Fauser sogar nicht einmal als geistiger Vater des Sanierungsbeschlusses zu sehen: "Er hat nichts getan. Die KGaA ist eine kleine Firma, viele Verträge waren durch den Abstieg nichtig geworden. Und Fauser wusste oft nicht, wie es weitergeht." Erst "Anthony (Power, der ehemalige Geschäftsführer bei 1860, d. Red.) hat ihnen den Weg gezeigt." Und weil er gehört habe, dass Fauser viel Geld verdient habe, wolle er dessen Bezüge nachträglich "in der nächsten Sitzung prüfen".

Scharold, 37, zeigte sich bei seiner Präsentation freundlich gegenüber Ismaik, der ihn einerseits als Finanzfachmann von Schalke 04 zum TSV 1860 holte, andererseits deutlich zum Ausdruck brachte, dass er ihn als Geschäftsführer für eine Fehlbesetzung hält; Scharold sei "kein Anführer" und "schwach". Er habe "größten Respekt, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann", sagte Scharold. "Ich hoffe, dass ich ihn durch meine Arbeit davon überzeugen kann, dass ich doch die richtige Besetzung bin. Mehr kann ich ja nicht machen."

Bei den Fans hofft der gebürtige Münchner, durch seine Löwen-Vergangenheit zu punkten; beim TSV trat er nicht nur einst seinen ersten Job im Profifußball an, ehe ihn der frühere Geschäftsführer Markus Kern mit nach Schalke nahm, sondern er war auch als Junge schon Fan der Löwen: "Mein erster Stadionbesuch war 1991 gegen Borussia Neunkirchen. Und ich weiß noch genau, wo ich 1994 beim Schlusspfiff in Meppen mit dem Hund spazieren war."

Scharold hat einen Vertrag über eineinhalb Jahre erhalten und dennoch gleich einmal einen Fünfjahresplan aufgestellt, der zurück in die zweite Liga führen soll. Es müsse ja nicht gezwungenermaßen fünf Jahre dauern, betonte er: "Aber man kann sportlichen Erfolg nicht garantieren, nur die Wahrscheinlichkeit sportlichen Erfolgs erhöhen, vor allem mit den Relegationsspielen. Das ist leider so bei einem Plan, dass er nur ein Plan ist." Die Fortführungsprognose für die kommende Spielzeit, die Fauser hinterlassen hat, beziehe ausdrücklich einen Verbleib in der Regionalliga mit ein: "Wenn der Ball im Relegationsspiel an den Pfosten geht, dürfen wir nicht sagen: Oh, wir bleiben in Liga vier, jetzt müssen wir die halbe Mannschaft wegschicken." Sollte der Aufstieg gelingen, macht sich Scharold um die Lizenzierung keine Sorgen; dann diene die Fortführungsprognose als Grundlage: "Der Nachweis der Durchfinanzierung wird funktionieren."

Zuletzt offenbarte sich sogar ein kleiner finanzieller Spielraum, um Trainer Daniel Bierofka seinen Wunsch nach einem Sportlichen Leiter zu erfüllen. Günther Gorenzel, 46, der von 2006 bis 2008 als Assistenztrainer von Walter Schachner und Marco Kurz bei der Zweitliga-Mannschaft und von 2014 bis 2015 als U17-Übungsleiter der Löwen arbeitete, kehrt zurück. Gorenzel, der zuletzt den österreichischen Zweitligisten Blau-Weiß Linz trainierte, kommt als geschätzter Kandidat Bierofkas. "Er soll kein klassischer Sportdirektor sein, sondern überall mithelfen, auch beim Nachwuchs", erklärte Bierofka nach dem Trainingsauftakt am Mittwochvormittag, "er ist fachlich absolut top, hat viele Kontakte und arbeitet sehr strukturiert. Da haben wir eine richtig gute Lösung gefunden."

Von der Drohkulisse Insolvenz lassen sich die e.V.-Vertreter wohl auch für 2019 nicht beeindrucken

Was wiederum Ismaik brüskieren dürfte, denn der Investor hatte sich den früheren Regensburger Manager Franz Gerber für die Sportkompetenz bei Sechzig und perspektivisch auch als Nachfolger Fausers gewünscht. "Er war unser Kandidat. Aber die Vereinsvertreter wollten nicht einmal ein Bewerbungsgespräch mit ihm führen", stellte Ismaik am Mittwoch noch einmal klar.

Was sich Ismaik wünscht, das wurde bei den Personalien Scharold und Gorenzel erneut deutlich, interessiert die e.V.-Vertreter allerdings höchstens am Rande. Sie wollen kein Geld mehr von Ismaik, Scharolds Fünf-Jahres-Plan kommt gänzlich ohne weitere Darlehen des Jordaniers aus. "Jeder Verein braucht Geld, um konkurrenzfähig zu sein: siehe Barcelona oder Paris Saint-Germain", betonte Ismaik, dennoch freue er sich, "dass 1860 sich finanziell selbständig absichert. Ich bin stolz darauf, denn ich habe es gerettet." Durch die Fälligstellung seiner Darlehen eine Firma in die Insolvenz zu führen, die ihm zu 60 Prozent gehört, wäre allerdings auch eine seltsame Entscheidung gewesen. Insofern lassen sich die Vereinsvertreter von einer Drohkulisse Insolvenz wohl auch für das Jahr 2019, wenn die nächste Stundung ansteht, nicht sonderlich beeindrucken. Und Scharold kann ganz gut damit leben, dass er momentan nur von einem der beiden Gesellschafter gewollt ist. Er habe in seinen ersten beiden Nächten als Geschäftsführer jedenfalls "erstaunlich gut geschlafen".

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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